Antrag
der Fraktion der AfD
Ramadanfeierlichkeiten an nordrhein-westfälischen Hochschulen – Fastenbrechen im säkularen Staat
I. Ausgangslage
Am Abend des 9. April 2024 endete der Ramadan für Menschen muslimischen Glaubens.1 Der Ramadan ist der islamische Fastenmonat und zählt zu den fünf Säulen des Korans. So sollen gläubige Muslime in diesem Zeitraum zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang nichts essen oder trinken. Ausnahmen existieren u. a. für Kranke, Schwangere, Reisende und Kinder. Ausgelassene Tage können dabei nachgeholt werden.2 Das Fasten wird als Läuterungsgabe des Leibes betrachtet, da mit einer entsprechenden Läuterungsgabe an die Gemeinschaft der Glaubenden die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft bekundet wird. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass im Islam ein Mangel einerseits durch einen Überschuss andererseits kompensiert wird. Diese Kompensation ist insbesondere hoch, wenn der einem Muslim erlittene Mangel dem Gemeinwesen bzw. dem Islam zum Nutzen gereicht.3
Auch in Nordrhein-Westfalen werden der Ramadan und das damit einhergehende Fastenbre-chen von Muslimen gefeiert. So lädt beispielsweise der nordrhein-westfälische Ministerpräsident zum Fastenbrechen regelmäßig in die Staatskanzlei ein; auch der Regierungschef Hen-drik Wüst lud für das Jahr 2024 zum mittlerweile traditionellen Fastenbrechen ein.4 In Verbindung mit Veranstaltungen im Rahmen des Fastenbrechens ergaben sich in letzter Zeit jedoch unterschiedliche Fragestellungen, welche teilweise eine fragwürdige Rechtsauffassung zur verfassungsrechtlichen Grund- und Werteordnung von einzelnen Versammlungen beinhalten. Diese fragwürdigen Einstellungen haben sich insbesondere in letzter Zeit immer wieder häufiger auch in Verbindung mit anderen Gegebenheiten gezeigt. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen der Ausübung des grundrechtlich geschützten Rechts auf Religionsausübung und der islamistischen Einflussnahme auf den Alltag in Deutschland und Nordrhein-Westfalen scheint indes immer schwieriger.
So bemängelten jüdische Studenten fehlende Solidarisierungen nach dem Überfall der Hamas auf Israel durch die Universitäten. Als Begründung wurde angeführt, dass die Universitätsleitungen die darauf bezogenen Reaktionen fürchten würden, da Stellungnahmen von Universitäten, welche sich pro-israelisch aussprachen, schnell durch pro-palästinensische Hasskommentare geflutet wurden. Als Reaktion auf solche Kommentare löschte die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beispielsweise ihre Stellungnahme.5 Ein anderes Beispiel ist die Forderung nach einem Kalifat durch die Gruppierung „Muslim Interaktiv“ bei einer Demonstration in Hamburg am 27.04.2024. Hierbei wurde ein Kalifat als „Lösung“ bezeichnet, welches an die Stelle einer „deutschen Wertediktatur“ treten solle. Angemeldet wurde die Demonstration als Protest gegen die angebliche islamfeindliche Politik und Medienlandschaft in Deutschland. Es sollen jedoch auf der Demonstration auch Flaggen des IS, von Al-Kaida und anderen extremistischen Organisationen mitgeführt worden sein.6
Doch auch muslimische Veranstaltungen an Universitäten gerieten dieses Jahr in den Fokus der Öffentlichkeit. So wird das abendliche Fastenbrechen auch an der Universität Göttingen durchgeführt. Hierbei ist in diesem Jahr aufgefallen, dass auf den Bildern zum abendlichen Gebet zum Fastenbrechen in der staatlichen Universität, organisiert von der Muslimischen Hochschulgruppe Göttingen, die anwesenden Personen nach Geschlecht getrennt waren. Auch seien „Allahu-Akbar“-Rufe zu vernehmen gewesen7 Auch an Universitäten in Nordrhein-Westfalen wird das abendliche Fastenbrechen gefeiert, zum Beispiel an der Ruhr Universität Bochum.8 Aufgrund der großen Nachfrage wurde es 2013 in die Mensa der Universität ver-legt.9
Der Göttinger Staats- und Kirchenrechtler Michael Heinig erkennt keine juristischen Verstöße in der Veranstaltung zum Fastenbrechen an der Universität Göttingen. So seien Universitäten zum Ausgleich unterschiedlicher Interessen rund um die Religionsfreiheit verpflichtet. Ein Verstoß gegen die religiös-weltanschauliche Neutralität läge somit nicht vor, solange der Universitätsbetrieb nicht beeinträchtigt und die Rechts- und Verfassungsordnung geachtet wird.10 Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages wiederum kommt zu einer restriktiveren Einschätzung. So sieht er in seiner Auswertung keine weitergehende Verpflichtung der Hochschulen oder Universitäten gegeben bzw. nicht, dass eine Zurverfügungstellung von Veranstaltungsräumen oder Ähnlichem aus dem Gesetz oder Grundgesetz hergeleitet werden kann. Lediglich die Zulassung einer Hochschulgemeinde zur Religionsausübung ist von Artikel 4 Absatz 1 und 2 Grundgesetz gedeckt, um den Studierenden den jeweils erforderlichen Freiraum für ihre Glaubensbetätigung zu überlassen.11
Die Universität Hamburg hat im Jahre 2017 reagiert und dieses Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaftsfreiheit und Ausleben der religiösen Freiheit dahingehend beantwortet, dass ein „Verhaltenscodex zur Religionsausübung an der Universität Hamburg“ beschlossen wurde. In diesem räumt die Universität den Studenten die Möglichkeit der religiösen Ausübung ein. So stellt sie unter anderem einen „Raum der Stille“ diesbezüglich zur Verfügung, stellt jedoch im Verhaltenscodex klar, dass „die Diskriminierung des weiblichen und männlichen Geschlechts durch eine geschlechtsspezifische Teilung des Raumes“ nicht gestattet ist. Ferner finden religiöse Feste nicht auf dem Gelände der Universität statt, sondern sind auf den Raum der Stille zu beschränken.12
II. Der Landtag stellt daher fest:
- Die Universitäten und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sind Orte der Forschung, Lehre und Bildung mit einer säkularen Ausrichtung.
- Als Werteordnung und ethische Richtlinie im Bereich der Forschung, Lehre und Bildung gilt einzig die Werteordnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes.
- Der wissenschaftliche Auftrag der Universitäten und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen steht über weltanschaulichen und religiösen Ansichten und ist von jedem Studenten, Mitarbeiter und sonstigen Mitgliedern der Universitäten und Hochschulen zu befolgen und zu gewährleisten.
- Die Universitäten und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sichern ihren Mitgliedern die Möglichkeit der weltanschaulichen oder religiösen Ausübung zu; die Freiheit der weltanschaulichen oder religiösen Ausübung endet bei der Beeinträchtigung oder Gefährdung des wissenschaftlichen Betriebes oder der Ablehnung der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- sich mit den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen ins Benehmen zu setzen, um einen Ausgleich der religiösen Bedürfnisse der Mitglieder der Universitäten und Hochschulen und des säkularen Anspruchs der Universitäten und Hochschulen gerecht zu werden, und basierend auf diesen Ergebnissen mit den Universitäten und Hochschulen die Vereinbarung zu treffen, die Ausübung religiöser Feste und Veranstaltungen gegebenenfalls auf ausgewiesene Räumlichkeiten zu beschränken.
- die Notwendigkeit von Verhaltenskodizes zur Religionsausübung an den Universitäten und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zu prüfen.
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/04/fastenmonat-ramadan-endet-zuckerfest-muslime-fastenbrechen.html (abgerufen am 02.05.2024).
2 https://www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Meldungen/DE/ImDialog/informationen-rama-dan-inhalt.html?nn=598134 (abgerufen am 02.05.2024).
3 Tilman Nagel, 2022, In Allahs Kosmos: Eine Abhandlung über das Menschsein im Islam, Islamkund-liche Untersuchungen Band 349, De Gruyter, Berlin/Boston, S. 28
4 https://www.land.nrw/pressemitteilung/ministerpraesident-hendrik-wuest-laedt-zum-traditionellen-fas-tenbrechen-die (abgerufen am 02.05.2024).
5 https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus248497240/Nach-Angriff-auf-Israel-Was-juedische-Stu-denten-an-deutschen-Unis-erleben.html (abgerufen am 02.05.2024).
6 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/demonstration-hamburg-kalifat-muslim-interaktiv-100.html (abgerufen am 02.05.2024).
7 https://www.nius.de/gesellschaft/nach-maennern-und-frauen-getrennt-islamisches-gruppengebet-in-der-uni-goettingen/e80a0d05-0477-4396-90df-701a54167fee (abgerufen am 02.05.2024).
8 https://twitter.com/FrankfurtZack/status/1775617556746768613/video/1 (abgerufen am 02.05.2024).
9 https://www.lokalkompass.de/bochum/c-kultur/ramadan-fastenbrechen-in-der-rub-mensa-mehr-als-700-teilnehmer-beim-6-interkulturellen-abendessen_a325220#gallery=null (abgerufen am 02.05.2024).
10 https://www.evangelische-zeitung.de/uni-goettingen-verteidigt-ramadan-fest-auf-dem-campus (abgerufen am 02.05.2024); https://www.hna.de/lokales/goettingen/goettingen-ort28741/rechtspopulisten-kritisieren-ramadan-fest-in-der-uni-goettingen-92988376.html (abgerufen am 02.05.2024).
11 https://www.bundestag.de/resource/blob/844932/1183ad306d526c26f3e0c6c4b2e3936d/WD-10-073-20-pdf-data.pdf (abgerufen am 02.05.2024).
12 https://www.fid.uni-hamburg.de/verhaltenskodex-religionsausuebung-inkl-ausfuehrungsbestim-mung.pdf (abgerufen am 02.05.2024).