Rassismus gegen Weiße in Skandalseminaren bei der Polizei und an Schulen – Auch in NRW?

Kleine Anfrage
vom 06.08.2021

Kleine Anfrage 5901der Abgeordneten Markus Wagner und Helmut Seifen vom 06.08.2021

 

Rassismus gegen Weiße in Skandalseminaren bei der Polizei und an Schulen – Auch in NRW?

Die BILD-Zeitung berichtete jüngst über skandalöse Inhalte und Methoden in „Anti-Rassismus“-Seminaren des Unternehmens „Diversity Works“. Weiße und blauäugige Teilnehmer werden dem Bericht zufolge systematisch rassistisch beleidigt, ausgegrenzt, körperlich bedrängt und gedemütigt. Weiße sollten sich hier offenbar für ihre eigene Hautfarbe schämen. Das Unternehmen soll bereits über 400 solch fragwürdiger Seminare durchgeführt haben. Besonders skandalös: Mindestens ein Panzergrenadierbataillon aus Brandenburg, sämtliche Anwärter der Landespolizei der Jahrgänge 2016 und 2017 in Schleswig-Holstein, Polizeianwärter in Hessen, sowie Schüler des Kaiserin-Theophanu-Gymnasiums in Köln-Kalk waren von diesen Erniedrigungen betroffen.1

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie viele Seminare des Anbieters „Diversity Works“ sind seit dem Jahre 2014 an Schulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt worden?
  2. Sind seit dem Jahre 2014 Seminare des Anbieters „Diversity Works“ in Polizeibehörden, mit Polizeivollzugsbeamten oder im Rahmen der Polizeiausbildung in Nordrhein-Westfalen durchgeführt worden?
  3. Sind Ministerien und ihnen nachgeordnete Behörden des Landes NRW seit dem Jahre 2014 (kostenpflichtige) Kooperationsverhältnisse mit dem Unternehmen „Diversity Works“ eingegangen, etwa durch Seminarbuchungen?
  4. Welche Kosten sind dem Land durch die unter den Ziffern 1, 2 und 3 erfragten Seminare/Kooperationen entstanden?
  5. Wie bewertet die Landesregierung, insbesondere das Ministerium des Innern und das Ministerium für Schule und Bildung, die von der BILD-Zeitung dargelegten Seminarinhalte und -methoden?

Markus Wagner
Helmut Seifen

 

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1 Vgl. Bild (2021): Weiße sollen sich für ihre Hautfarbe schämen; online im Internet: https://www.bild.de/politik/inland/politik/skandal-workshop-bei-polizei-u-bundeswehr-weisse-sollen-sich-fuer-ihre-hautfarbe-77151720.bild.html.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5901 mit Schreiben vom 7. September 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen üb­rigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele Seminare des Anbieters „Diversity Works“ sind seit dem Jahre 2014 an Schulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt worden?

Schulen handeln eigenverantwortlich. Dazu gehört auch, dass sie sich ihre Kooperationspart­nerinnen und -partner selber wählen. Es liegen daher dem Ministerium für Schule und Bildung keine zentralen Daten vor, mit wem und wann Schulen Kooperationsverhältnisse eingegangen sind. Eine Abfrage solcher Daten ist innerhalb der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

Daher kann auch keine Aussage über eventuell entstandene Kosten für Schulen gemacht wer­den.

  1. Sind seit dem Jahre 2014 Seminare des Anbieters „Diversity Works“ in Polizeibe­hörden, mit Polizeivollzugsbeamten oder im Rahmen der Polizeiausbildung in Nordrhein-Westfalen durchgeführt worden?

An der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW (HSPV NRW) wurde im April dieses Jahres ein dreiteiliges Online-Seminar im Rahmen der internen Weiterbildung für hauptamtlich Lehrende und Lehrbeauftragte durchgeführt, worunter sich auch Polizeivollzugs­beamte befanden.

  1. Sind Ministerien und ihnen nachgeordnete Behörden des Landes NRW seit dem Jahre 2014 (kostenpflichtige) Kooperationsverhältnisse mit dem Unternehmen „Diversity Works“ eingegangen, etwa durch Seminarbuchungen?

Eine Abfrage im gesamten nachgeordneten Bereich aller Ressorts fand im Hinblick auf die zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehende Zeit nicht statt.

Über die Antwort zu Frage 2 hinaus sind der Landesregierung jedoch folgende Seminare be­kannt:

Das Zentrum für Interkulturelle Kompetenz der Justiz in NRW (ZIK) hat dem Ministerium der Justiz berichtet, dass das ZIK bzw. die Justizakademie mit dem Unternehmen „Diversity Works“ im Zeitraum von Ende 2016 bis Juli 2021 insgesamt 18 Veranstaltungen durchgeführt hat.

  1. Welche Kosten sind dem Land durch die unter den Ziffern 1, 2 und 3 erfragten Seminare/Kooperationen entstanden?

Die HSPV NRW hat für jedes der in der Antwort zu Frage 2 genannten Online-Seminare eine Vergütung im Rahmen der internen Weiterbildung in Höhe von 850 Euro gezahlt, insgesamt also eine Summe in Höhe von 2.550 Euro.

Die in der Antwort zu Frage 3 genannten Seminare im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz haben Kosten in Höhe von 53.308,19 Euro verursacht.

  1. Wie bewertet die Landesregierung, insbesondere das Ministerium des Innern und das Ministerium für Schule und Bildung, die von der BILD-Zeitung dargelegten Seminarinhalte und -methoden?

Für das Ministerium des Innern merke ich folgendes an:

Der Artikel der Tageszeitung BILD, geht vordergründig auf den „Blue-Eyed“-Workshop des Unternehmens „Diversity Works“ ein. Dessen Methoden und Inhalte wurden im Rahmen einer Weiterbildung für Lehrende der HSPV NRW im April 2021 (siehe Antwort zu Frage 2) zwar nicht durchgeführt, aber intensiv diskutiert. Thematisiert wurde insbesondere die Frage, wie Mechanismen von Diskriminierung und Ausschließung sowie Formen der demokratischen Auseinandersetzung damit in der Lehre der HSPV NRW vermittelt werden können. Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass durch Seminarinhalte und -methoden von „Diversity Works“ rassistische Denkweisen nicht reproduziert wurden.

Menschenrechts- und Wertebildung an der HSPV NRW soll es den Kommissaranwärterinnen und -anwärtern der Polizei NRW ermöglichen, auf Grundlage ihrer vorhandenen Orientierung an Grund- und Menschenrechten in der Polizeiarbeit, eigene Erfahrungen einzubringen, zu reflektieren und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dazu könnte „Diversity Works“ An­sätze liefern.

Das Ministerium für Schule und Bildung weist für seinen Geschäftsbereich auf folgende Be­wertung hin:

Das Schulgesetz NRW legt unter anderem die Weckung der „Achtung vor der Würde des Menschen und [der] Bereitschaft zum sozialen Handeln“ als zentrale Bildungs- und Erzie­hungsziele fest. Es sieht eine Erziehung „im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, […]“ vor. Dar­über hinaus garantiert das Schulgesetz NRW Schülerinnen und Schülern das Recht auf einen diskriminierungsfreien Schulbesuch.

Die Basis jeder freiheitlichen Demokratie ist es, allen Menschen unabhängig von ihrem Ge­schlecht, ihrer Herkunft oder ihrer Religion Entfaltungsräume, Teilhabe und Mitgestaltung zu ermöglichen. Schulen haben die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, verant­wortlich am sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten.

Schulen sollen Orte sein, an denen Demokratie und Menschenrechte erlernt und gelebt wer­den und in denen physische und psychische Gewalt keinen Platz haben dürfen.

Zur Entwicklung eines positiven Schulklimas und eines von Respekt sowie Toleranz geprägten Miteinanders, ist es wichtig, dass Schulen (Gewalt-)Präventionskonzepte entwickeln und in ihren Schulprogrammen verankern. Hierfür können Schulen auf eine Vielzahl an Unterstüt­zungssystemen zurückgreifen, so u.a. die Beratungslehrkräfte, die Schulsozialarbeit und die Schulpsychologie, aber auch Projekte, wie z.B. Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage und Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie. Im Zusammenhang der Bewertung der in der BILD-Zeitung geschilderten Sachverhalte ist zunächst anzumerken, dass die Präventions-maßnahme „Blue-Eyed-Workshop“ zur Selbsterfahrung von Diskriminierung dienen soll. Häu­fig wird die in der BILD-Zeitung kritisierte Methode in therapeutischen bzw. präventiven Set-tings (sog. Haltungsveränderungen) oder in Fortbildungen mit Selbsterfahrungsanteil genutzt. Bei der Nutzung derartiger Methoden ist sicherzustellen, dass der Workshop gut vor- und nachbereitet wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmern sollen freiwillig daran teilnehmen, jederzeit aussteigen können und nach der Durchführung Gelegenheit zur Reflexion und Auf­klärung haben. Die BILD-Zeitung schildert in Ihrer Ausgabe vom 23. Juli 2021 von einem im Kaiserin-Theophanu Gymnasium in Köln Kalk durchgeführten Workshop. Die Bezirksregie­rung Köln und die Schulleitung des Kaiserin-Theophanu Gymnasiums teilten dem Ministerium für Schule und Bildung auf Nachfrage mit, dass das Seminar von der Schülerschaft der Ober­stufe im Rahmen der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ selbst initiiert und organisiert wurde. Die Schulleitung bestätigt, dass alle o.g. Kriterien eingehalten wurden und „zu keinem Zeitpunkt eine bedrückte oder eingeschüchterte Stimmung“ geherrscht habe. Den Schülerinnen und Schülern wurde darüber hinaus nach Beendigung des Experiments Gelegenheit zur Reflexion gegeben. Im Anschluss tauschten sich die Schülerinnen und Schü­ler über ihre alltäglichen Erfahrungen mit Rassismus intensiv aus.

Das Seminar haben die Schülerinnen und Schüler bewusst im Rahmen der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ausgewählt und die Schulleitung hat das Vorhaben unterstützt. Unter Berücksichtigung aller dargelegten Fakten unterstützt das Ministerium für Schule und Bildung die von der Schule und der betroffenen Schülerschaft getroffene eigen­verantwortliche Entscheidung zur Durchführung des Seminars.

 

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