Kleine Anfrage 533
des Abgeordneten Klaus Esser vom 07.10.2022
Resozialisierung von mutmaßlichen Terroristen und Terrorverdächtigen in NRW: Zu Ausmaß und Kosten psychologischer Betreuung sowie sonstiger Hilfen
Im April 2017 wurde ein mutmaßlicher Terrorist, ein 16-jähriger Syrer, zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Im Gefängnis teilte der junge Mann dann seine wahren Absichten mit. Sinngemäß äußerte der Häftling: Hättet ihr mich nicht geschnappt, hätte ich es getan.1 Der Staatsschutz war überzeugt, den ersten islamistischen Anschlag in Köln vereitelt zu haben.
Der junge Mann musste die volle Haftstrafe verbüßen. Im Gefängnis griff er Wärter an und hinterließ radikal-islamistische Sprüche an den Wänden seiner Zelle. 2019 wurde er entlassen und von der Kölner Polizei als „Gefährder“ eingestuft.
Für jeden einzelnen „Gefährder“ finden turnusmäßig Sicherheitskonferenzen mit Verfassungsschützern, JVA-Beamten, Sozialarbeitern oder Bewährungshelfern statt, um seine Entwicklung eng zu begleiten. Für einen Großteil wird aufgrund der Herkunft aus Syrien, Afghanistan oder der Russischen Föderation eine Abschiebung nicht in Erwägung gezogen.
Nach seiner Entlassung wurden für den islamistischen Gefährder weder Kosten noch Mühen gescheut. Er erhielt ein spezielles Hilfspaket und therapeutische Hilfe, da er nun an einer in der JVA diagnostizierten Psychose litt. Darüber hinaus erhielt er Unterstützung für einen Neuanfang samt einer Wohnung.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Kosten hat der oben genannte Fall bislang verursacht (u.a. Kosten für Unterbringung, Lebensunterhalt, Therapie sowie Gefährderüberwachung)?
- Wie viele vergleichbare Fälle von Terrorunterstützern oder mutmaßlichen Terroristen gibt es noch in NRW?
- Warum wurde beim oben genannten Gefährder – trotz seiner Handlungen und Äußerungen – später eine Psychose diagnostiziert?
- Ist das neue Wohnumfeld des Gefährders über dessen Hintergrund und Handlungen in Kenntnis gesetzt worden?
- Wird der Gefährder nach Beendigung seiner therapeutischen Behandlung Deutschland verlassen müssen?
Klaus Esser
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Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 533 mit Schreiben vom 11. November 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet.
- Welche Kosten hat der oben genannte Fall bislang verursacht (u.a. Kosten für Unterbringung, Lebensunterhalt, Therapie sowie Gefährderüberwachung)?
Die Kosten im Zusammenhang mit der polizeilichen Bearbeitung von Gefährdern werden statistisch nicht erfasst. Vor diesem Hintergrund können keine validen Aussagen zu den entstandenen Kosten für die Bearbeitung des Gefährders in dem beschriebenen Sachverhalt getätigt werden.
- Wie viele vergleichbare Fälle von Terrorunterstützern oder mutmaßlichen Terroristen gibt es noch in NRW?
Die Beantwortung der Fragestellung ist auf Grundlage statistisch vorliegender und automatisiert generierbarer Daten nicht möglich. Sie würde eine händische Auswertung sämtlicher Sachverhalte der Politisch motivierten Kriminalität in Nordrhein-Westfalen bedingen, die in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist.
- Warum wurde beim oben genannten Gefährder – trotz seiner Handlungen und Äußerungen – später eine Psychose diagnostiziert?
Zur Beantwortung der Frage hat mir das Ministerium der Justiz mit Schreiben vom 20.10.2022 folgende Informationen zur Verfügung gestellt:
„Zu dem konkreten Einzelfall kann mangels Zuordnungsmöglichkeit und Datenschutz nicht Stellung genommen werden.
Allgemein ist festzustellen, dass die Diagnose einer Psychose regelmäßig im Rahmen einer Untersuchung durch einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie gestellt wird und dann eine entsprechende Therapie eingeleitet wird.
Bei einer Psychose handelt es sich um eine schwerwiegende, häufig chronisch verlaufende psychische Erkrankung. Etwaige Äußerungen und Handlungen eines Patienten finden bei der Diagnosestellung Berücksichtigung. Sie sind regelmäßig aber nicht geeignet, die Diagnose einer Psychose von vornherein auszuschließen.“
- Ist das neue Wohnumfeld des Gefährders über dessen Hintergrund und Handlungen in Kenntnis gesetzt worden?
Die rechtlichen Voraussetzungen der polizeilichen Informationsübermittlung liegen hier nicht vor.
- Wird der Gefährder nach Beendigung seiner therapeutischen Behandlung Deutschland verlassen müssen?
Zur Beantwortung der Frage hat mir das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration mit Schreiben vom 24.10.2022 folgende Informationen zur Verfügung gestellt:
„Der Betroffene ist syrischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat festgestellt, dass in seinem Fall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Syrien vorliegt. Bis zu einem etwaigen Widerruf des Abschiebungsverbotes durch das BAMF kommt daher eine Rückführung des Betroffenen nach Syrien nicht in Betracht.“