Kleine Anfrage 6439der Abgeordneten Markus Wagner und Andreas Keith vom 21.02.2022
Rocker richtet Waffe auf Hells-Angels-Boss
Wie die Bild-Zeitung berichtete, wäre es vor wenigen Tagen in einer Shishabar am Rudolfplatz in Köln beinahe zu einer Schießerei gekommen.
Dabei zog B. vor den Augen mehrerer Gäste eine Pistole und richtete diese auf den Kölner Rocker-Boss K. (Präsident der Hells Angels in Ehrenfeld). Dieser sowie weitere 15 Rocker flohen umgehend vom Ort des Geschehens.
Als die herbeigerufene Polizei eintraf, hatte sich der Tumult bereits aufgelöst. Ermittler befürchten nun, dass der Streit zwischen den Kontrahenten eskalieren könnte, weshalb B. bis auf weiteres unter Polizeischutz gestellt wurde.1
Wir fragen die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und ggf. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen? (Bitte Tatverdächtige, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen und sonstige polizeilichen Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen)
- Um welche Waffenart handelte es sich, die B. verwendete, und besitzt er eine zugelassene Waffenbesitzkarte?
- Erfüllen K. sowie B. die notwendigen Kriterien, um aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten?
- Ist die Shisha-Bar, vor der das obengenannte Geschehen stattfand, schon einmal Gegenstand polizeilicher Ermittlungen gewesen? (Bitte nach Jahr und Ermittlungsanlass aufschlüsseln)
Markus Wagner
Andreas Keith
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 6439 mit Schreiben vom 23. März 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister des Innern beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und ggf. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen? (Bitte Tatverdächtige, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen und sonstige polizeilichen Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen)
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz hierzu unter dem 17.03.2022 wie folgt berichtet, wobei in der nachfolgenden Wiedergabe die Abkürzungen der Beschuldigten zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte anonymisiert sind:
„Die Staatsanwaltschaft Köln führt unter dem oben angegebenen Aktenzeichen seit Oktober 2021 ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes gegen 15 Angehörige der Rocker-gruppierung Hells Angels Honorfield, unter anderem deren Präsidenten B2, zum Nachteil des B1. Bislang unbekannte Personen gaben am 23.10.2021 drei Schüsse auf B1 ab, als dieser seine Wohnung von der Straße aus betreten wollte.
Im Zuge der Ermittlungen wurde der Vorfall, der Gegenstand der anlassgebenden Kleinen Anfrage ist, bekannt.
Der Tathergang stellt sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen insoweit wie folgt dar:
Nach der zunächst als „beigelegt“ betrachteten Auseinandersetzung zwischen B1 und dem Präsidenten der Hells Angels Honorfield, B2, kam es am 07.02.2022 zunächst in einem Restaurant auf den Kölner Ringen zu einem Aufeinandertreffen zwischen B1 und B3, einer Person, welche sich zwar im Umfeld der Hells Angels bewegt, aber selbst kein Mitglied ist. Mutmaßlich aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzung zwischen B1 und B2 verweigerte B3 dem B1 den Handschlag, woraufhin es nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen beiden zu einem Schlag des B1 gegen B3 kam.
Im Rahmen der Vernehmung einer Quelle, der seitens der Ermittlungsbehörden Vertraulichkeit zugesichert wurde, soll B3 aufgrund des Vorfalls B2 zwecks Anforderung von Verstärkung kontaktiert haben. Das Geschehen hat sich dann in Richtung der Shisha-Bar am Kölner Ru-dolfplatz verlagert. Dort soll es nach Angaben von unbeteiligten Zeugen zu einer Ansammlung von ca. 15 bis 20 Personen gekommen sein, wobei B2 selbst federführend vor Ort gewesen sein soll. Hierbei soll B1 gedroht worden sein, man werde ihn „fertig machen“. Die Zeugen sprachen im Rahmen der abgesetzten Notrufe übereinstimmend davon, dass dort eine Schlägerei stattfinde. Lediglich ein Zeuge teilte mit, dort finde eine Schlägerei oder eine Schießerei statt.
Ein Einsatzmittel der Polizei, welches sich aufgrund der Notrufe zu der Örtlichkeit begeben wollte, musste den Einsatz noch auf der Fahrt aufgrund eines Notrufs in anderer Sache abbrechen, sodass keine Polizei vor Ort war. Die unbeteiligten Zeugen wurden im Nachgang durch das Fachkommissariat befragt, konnten jedoch über die Wahrnehmung eines lauten Geräuschpegels hinaus keine sachdienlichen Angaben machen.
Es wurden sodann die gesicherten Videoaufnahmen des Restaurants eingesehen, auf welchen die Auseinandersetzung zwischen B1 und B3 festgestellt werden konnte. Aufnahmen aus der Shisha-Bar am Rudolfplatz gibt es nicht. Da das Geschehen sich vor und nicht in der Bar abgespielt hat, wurden zudem die Kameras im öffentlichen Raum ausgewertet. Hier konnten zwar Mitglieder der Hells Angels Honorfield, auch B2, festgestellt werden, jedoch nicht B1.
Gegen B1 wird nunmehr wegen des Verdachts der Körperverletzung zum Nachteil des B3 ermittelt, hinsichtlich des Vorfalls an der Shisha-Bar gegen zehn identifizierte Mitglieder der Hells Angels Honorfield wegen des Vorwurfs der Bedrohung. Gegen B3 wird wegen Anstiftung zu dieser Bedrohung ermittelt. Zudem soll eine weitere Person – ein Freund B1‘s – vor Ort gewesen sein. Inwieweit diesem ein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann, wird derzeit geprüft.
Waffenrechtliche Verstöße sind mangels jedweder Feststellungen zu eingesetzten Waffen bislang nicht Gegenstand der Ermittlungen. Im Übrigen dauern die Ermittlungen an.
Bei den Tatverdächtigen neben B1, B3 und B2 handelt es sich um neun weitere Personen; von den Tatverdächtigen haben sechs die deutsche, einer die deutsch-türkische, drei die türkische, einer die iranischen und einer die eritreische Staatsangehörigkeit.
Vier der insgesamt zwölf Tatverdächtigen sind unbestraft, bei zwei weiteren Tatverdächtigen können über etwaige Vorstrafen mangels aktuellen Auszugs aus dem Bundeszentralregister derzeit keine sicheren Angaben gemacht werden. Soweit die Tatverdächtigen rechtskräftig verurteilt wurden, handelt es sich überwiegend um Vorwürfe aus den Bereichen der Körper-verletzungs- und Verkehrsdelikte, Beleidigung, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie um Verstößen gegen das Waffengesetz und das Betäubungsmittelgesetz.“
- Um welche Waffenart handelte es sich, die Saman B. verwendete, und besitzt er eine zugelassene Waffenbesitzkarte?
Angaben zu der Waffenart können dem vorerwähnten Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Köln zufolge nicht gemacht werden. Nach der Berichtslage ist bereits unklar, ob die in der Frage genannte Person eine Waffe einsetzte. Über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügte sie nicht.
- Erfüllen Fatih K. sowie B. die notwendigen Kriterien, um aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten?
Nein. Beide Personen verfügen über die deutsche Staatsangehörigkeit.
- Ist die Shisha-Bar, vor der das obengenannte Geschehen stattfand, schon einmal Gegenstand polizeilicher Ermittlungen gewesen? (Bitte nach Jahr und Ermittlungsanlass aufschlüsseln)
Im Umfeld beziehungsweise im Kontext mit der in der medialen Berichterstattung erwähnten Shisha-Bar wurden seit dem Jahr 2012 insgesamt 86 Straftaten polizeilich bekannt. Die deliktische Aufschlüsselung ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.
=> siehe PDF