Rodungen für Windkraftanlagen

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 124
der Abgeordneten Andreas Keith und Zacharias Schalley vom 09.07.2022

 

Rodungen für Windkraftanlagen

Die Landesregierung möchte laut ihrem Koalitionsvertrag 1.000 neue Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen errichten.

In Hessen wurde im Reinhardswald, auch bekannt als „Grimms Märchenwald“, Anfang des Jahres der Bau von 18 Windkraftanlagen genehmigt. Die Baumfällarbeiten starteten kurze Zeit später. Die Empörung in der Region ist groß. Dort, wo bislang ein Wald mit teils sehr alten Bäumen steht, der Heimat vieler – auch seltener – Tierarten ist, wird in den nächsten Jahren wohl permanent Baulärm zu hören sein. Es sei die größte nordhessische Baustelle im Wald, haben Naturschützer vor Ort errechnet. Sie erstrecke sich über acht Kilometer Luftlinie. Die Bauzeit wurde zu Baubeginn auf zwei Jahre geschätzt.1 Aktuell hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings einen Baustopp, aufgrund von Klagen und Genehmigungsfehlern der zuständigen Behörden, verhängt.2

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, sagte kürzlich, dass sie beim Bau von Windkraftanlagen die Kommunen aus der Planung raushalten möchte. Dies verkürze die Planungsprozesse.3 Die Anwohner von Kommunen werden damit vermutlich erst bei Baubeginn mit den Plänen der Landes- und Bezirksregierung konfrontiert.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Inwiefern sollen die Kommunen bei der Planung von neuen Windkraftanlagen rausgehalten werden?
  2. Wie viele Hektar Wald wurden bislang für Windkraftanlagen und Zuwegen zu Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen gerodet?
  3. Wie groß ist die Flächenversiegelung durch Windkraftanlagen und Zuwegen zu Windkraftanlagen im Wald?
  4. Wie viele der 1.000 neuen Windkraftanlagen sollen im Wald errichtet werden?
  5. Inwiefern prüft die Landesregierung bei der Planung von Windkraftanlagen in Wäldern, ob bedrohte bzw. geschützte Tierarten im jeweiligen Waldabschnitt leben?

Andreas Keith
Zacharias Schalley

 

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1 https://www.stern.de/panorama/reinhardswald-muss-windpark-werden—beim-abholzen-herrschte-hektik-31613972.html

2 https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/ausbau-der-windkraft-im-konflikt-mit-dem-hessischen-wald-18105385.html

3 https://www.ruhrbarone.de/nrw-kuendigt-regional-gerechte-verteilung-der-windenergie-an/210460/


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 124 mit Schreiben vom 2. August 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr sowie der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Inwiefern sollen die Kommunen bei der Planung von neuen Windkraftanlagen rausgehalten werden?

Der raum- und umweltverträgliche Ausbau der Windenergie ist zukünftig durch die Landes-und Regionalplanung zu steuern. Es ist beabsichtigt, die Umsetzung der Flächenbeitragswerte des Windflächenbedarfsgesetzes des Bundes in Nordrhein-Westfalen durch die Ausweisung von Windenergiegebieten in Regionalplänen zu erfüllen. Bei Änderung oder Neuaufstellung dieser Pläne werden dann die Belange der Kommunen durch das Gegenstromprinzip sowie die Belange der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Behörden- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung in die jeweiligen Verfahren eingebracht und berücksichtigt.

  1. Wie viele Hektar Wald wurden bislang für Windkraftanlagen und Zuwegen zu Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen gerodet?

Forstrechtlich erheblich ist die Waldumwandlung, da sie auf den dauerhaften Verlust der Waldfunktionen abzielt. Derzeit sind in nordrhein-westfälischen Wäldern 102 Windenergieanlagen (WEA) in Betrieb, davon 51 im Privat-, 48 im Kommunal- und drei im Staatswald. Die installierte Leistung beträgt 277,76 Megawatt (MW), wofür insgesamt dauerhaft 35,17 ha Wald umgewandelt wurden. Dies entspricht 0,35 ha je WEA oder 0,1266 ha je installiertem MW. Der Verlust an Waldfläche wird im Regelfall durch Ersatzaufforstungen an anderer Stelle und/oder ökologische Aufwertungsmaßnahmen in Waldflächen ausgeglichen.

Zuwegungen werden nicht separat erfasst, sondern laufen im Bedarfsfall in die Flächensumme der gesamten Umwandlung mit ein. Wegeflächen, die rein zum Erreichen der WEA während der Bau- und Betriebsphase angelegt werden und nur unterschwellig Waldfunktionen, wie Holztransport oder Erholung ermöglichen, werden ebenfalls den dauerhaft umzuwandelnden Flächen zugeordnet. Auch der Ausbau vorhandener Wegefläche über 4,50 m hinaus wird hinzugerechnet.

Soweit für Schwenkbereiche um die WEA, Überschwenkbereiche in Kurven sowie Materiallager und Arbeitsbereiche abseits der WEA während der Bauphase Waldbäume entfernt werden, werden die davon betroffenen Bereiche den befristet umzuwandelnden Flächen zugeordnet und sind nach der Bauphase grundsätzlich wieder aufzuforsten. Dazu ist der abgeschobene Rohboden mit der am Standort üblichen Stärke mit Humusboden aufzufüllen und die Flächen sind aktiv mit forstüblichen, nach Forstvermehrungsgutgesetz zugelassenen Hochwaldlaubbäumen in forstüblichem Verband aufzuforsten. Flächen, auf denen eine Wiederbepflanzung forstlich nicht sinnvoll ist, können in Absprache der natürlichen Sukzession überlassen werden.

  1. Wie groß ist die Flächenversiegelung durch Windkraftanlagen und Zuwegen zu Windkraftanlagen im Wald?

Eine direkte Flächenversiegelung ist nur durch Fundamente, Zuwegung und ggf. benötigte Betriebsgebäude gegeben. Hierbei muss zwischen voll- und teilversiegelt unterschieden werden. Darüber ist das Ausmaß der Versiegelung von verschiedenen Faktoren, u.a. von dem Anlagentyp und der Bauhöhe abhängig.

Als vollversiegelt kann nur die Fundamentfläche angesehen werden, auf der der Turm aufgebaut ist. Das Fundament nimmt regelmäßig bei modernen WEA eine Fläche von 700 m2 – 800 m2 in Anspruch. Als teilversiegelt gelten Kranstellfläche mit 1.600 m2 – 1.800 m2 und Kranauslegerfläche mit 1.200 m2 – 1.500 m2, da diese mit Steinmaterial gehärtet sind, aber wasserdurchlässig bleiben. Wegeflächen werden nach Erheblichkeit zugerechnet.

  1. Wie viele der 1.000 neuen Windkraftanlagen sollen im Wald errichtet werden?

Wie viele neue WEA im Wald errichtet werden, kann nicht abschließend beurteilt werden. Dies hängt zum Großteil von den Projektierern von Windenergievorhaben ab, da diese die Entscheidung über den Standort für ihre Vorhaben treffen und entsprechend einen Antrag auf Genehmigung der Anlagen stellen. Im nachfolgenden Genehmigungsverfahren entscheiden dann die zuständigen Behörden, ob das Vorhaben an dem beantragten Standort umgesetzt werden kann.

  1. Inwiefern prüft die Landesregierung bei der Planung von Windkraftanlagen in Wäldern, ob bedrohte bzw. geschützte Tierarten im jeweiligen Waldabschnitt leben?

Das Vorkommen von planungsrelevanten Vogel- und Fledermaus-Arten wird in Nordrhein-Westfalen nicht nur in Wäldern, sondern bei jeder Planung und Genehmigung von WEA in den unterschiedlichen Planungs- und Genehmigungsebenen mit den Vorgaben aus dem Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von WEA in NRW“ (Stand: 10. November2017) geprüft. Der Leitfaden bietet den an Windenergie-Planungen Beteiligten einen gemeinsamen Rahmen für die Durchführung von

Artenschutzprüfungen, FFH-Verträglichkeitsprüfungen, Bestandserfassungen, die Erarbeitung von Maßnahmenkonzepten und das Monitoring. Für die Bestandserfassungen werden im „Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in NRW – Bestandserfassung, Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen und Monitoring – Aktualisierung 2021“ detaillierte Hinweise zur Prüfung auf Vorkommen aller planungsrelevanter Arten gegeben.

 

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