Romaclan schwört Rache

Kleine Anfrage
vom 01.07.2021

Kleine Anfrage 5662des Abgeordneten Markus Wagner vom 01.07.2021

 

Romaclan schwört Rache

Kürzlich versuchte laut Medienberichten ein krimineller Roma, sich in Essen als „falscher Wasserwerker“ auszugeben und auf diesem Wege Straftaten zum Nachteil einer 101-Jährigen Frau in deren Wohnung zu begehen.

Ein männlicher Angehöriger der Frau verhinderte dies, indem er den Kriminellen überwältigte. Im Nachgang dieses Vorfalls artikulierten Familienangehörige des Roma, bei denen es sich laut BILD um Mitglieder eines „Clans“ handeln soll, auf verschiedenen Wegen Drohungen gegen den Angehörigen.1

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu diesem Vorfall in Essen? (Bitte dabei insbesondere Tatverdächtige, Tathergang, etwaige Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften und etwaige Migrationshintergründe der Tatverdächtigen explizieren.)
  2. Was ist der Landesregierung über das Personenpotenzial und die Struktur der kriminellen Teilmengen jener von den Medien als „Clan“ kategorisierten Romafamilie des Tatverdächtigen aus Essen bekannt?
  3. Wie viele Straftaten sind von den kriminellen Mitgliedern der Familie des Tatverdächtigen in den vergangenen 5 Jahren begangen worden?
  4. Welche Maßnahmen zum Schutz des bedrohten Angehörigen unternimmt die Polizei?

Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Bild (2021): Roma-Clan will sich an Enkel rächen; online im Internet: https://www.bild.de/bild-plus/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/oma-vor-betrueger-gerettet-roma-clan-will-sich-an-enkel-raechen-76898170.bild.html.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5662 mit Schreiben vom 9. August 2021 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu diesem Vorfall in Essen? (Bitte dabei insbesondere Tatverdächtige, Tather­gang, etwaige Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürger­schaften und etwaige Migrationshintergründe der Tatverdächtigen explizieren.)

„Die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen hat dem Ministerium der Justiz unter dem 12.06.2021 zu der Frage wie folgt berichtet:

,Bei der Staatsanwaltschaft Essen wird ein Ermittlungsverfahren gegen den deutschen Beschuldigten […] wegen des Verdachts des Betruges in besonders schweren Fällen geführt.

Der Beschuldigte begab sich am 22.06.2021 zunächst gegen 09:00 Uhr zu der Wohnung einer 1935 geborenen Zeugin in Essen und gab an, es gebe im Haus einen Wasserrohrbruch und man müsse sofort das Wasser in der Wohnung aufdrehen, um so in die Wohnung der Zeugin zu gelangen. Die Zeugin schloss jedoch sofort ihre Wohnungstür und rief die Polizei.

Gegen 11.10 Uhr desselben Tages gab sich der Beschuldigte gegenüber der 1920 ge­borenen Geschädigten in Essen als Wasserwerker aus und gelangte unter dem Vor­wand, es tropfe Wasser, in die Wohnung. Dort begab er sich sofort in das Schlafzimmer, um nach mitnehmenswerten Gegenständen zu suchen. Noch in der Wohnung von einem Enkel der Geschädigten angesprochen, versuchte der Beschuldigte zu flüchten, konnte jedoch bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden. Der Enkel der Geschädigten wurde dabei nach eigenen Angaben aufgrund der massiven Gegenwehr des Beschul­digten verletzt. Ein Nachbar türkischer Staatsangehörigkeit unterstützte den Enkel dabei, den Täter bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten.

Der Beschuldigte wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft dem Haftrichter des Amtsgerichts Essen vorgeführt, der am 23.06.2021 die Untersuchungshaft wegen versuchten gewerbsmäßig begangenen Betruges in zwei Fällen aus den Gründen der Flucht- und Wiederholungsgefahr anordnete. Der Beschuldigte befindet sich seither in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Essen.

Der 42 Jahre alte Beschuldigte ist mehrfach vorbestraft; die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 23.06.2021 enthält 14 Eintragungen. Zuletzt wurde der Beschuldigte durch Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 04.09.2014 wegen Diebstahls in 4 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt; zudem wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Strafvollstreckung war am 29.05.2018 erledigt. Die Strafe aus einem Urteil des Landgerichts Essen vom 06.07.2011 in Höhe von 4 Jahren 6 Monaten sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verbüßte der Beschuldigte bis zum 05.02.2020. In jenem Verfahren besteht Führungsaufsicht bis zum 05.02.2025. Beiden Verurteilungen liegen Taten zugrunde, bei denen sich der Beschuldigte als angeblicher Handwerker Zugang zu Wohnungen älterer Menschen unter dem Vorwand eines Wasserschadens verschafft hatte.

Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen; es besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte als Täter weiterer ähnlich gelagerter Straftaten in Betracht kommt.‘

Die Kreispolizeibehörde (KPB) Essen teilte dazu ergänzend mit, dass sich bisher keine An­haltspunkte für weitere Tatbeteiligte ergeben haben.

Durch den Enkel der Geschädigten war der Vorfall über ein soziales Netzwerk verbreitet wor­den, offensichtlich auch mit einem Foto des am Boden liegenden und bei dem Ergreifen ver­letzten Beschuldigten.

Daraufhin soll der Bruder des Tatverdächtigen den Enkel der Geschädigten durch ein Posting in einem sozialen Netzwerk bedroht haben. Diesbezüglich hat die KPB Essen ein Strafverfah­ren eingeleitet und zwischenzeitlich an die Staatsanwaltschaft Essen übersandt.

  1. Was ist der Landesregierung über das Personenpotenzial und die Struktur der kri­minellen Teilmengen jener von den Medien als „Clan“ kategorisierten Romafamilie des Tatverdächtigen aus Essen bekannt?
  2. Wie viele Straftaten sind von den kriminellen Mitgliedern der Familie des Tatver­dächtigen in den vergangenen 5 Jahren begangen worden?

Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 gemeinsam beantwortet.

Der Begriff Clankriminalität bezeichnet die Begehung von Straftaten durch Angehörige eth­nisch abgeschotteter Subkulturen. In NRW werden diesbezüglich wegen der besonderen Auf­fälligkeiten allein Straftaten krimineller Mitglieder türkisch-arabischstämmiger Großfamilien er­fasst, soweit diese Bezüge zur Bevölkerungsgruppe der Mhallamiye oder zum Libanon haben. Der Name der Familie der Tatverdächtigen ist in der Liste des LKA NRW der als relevant definierten Clannamen nicht enthalten.

Personenpotenziale und familiäre Strukturen zu kriminalpolizeilich in Erscheinung getretenen Personen werden darüber hinaus bei der Polizei NRW grundsätzlich nur in den Fällen und zu den Personen systematisch erfasst, sofern die Tatverdächtigen der verübten Straftaten der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind. Eine Zuordnung von Tätergruppierungen zur Clankriminalität erfolgt im Bundeslagebild Organisierte Kriminalität, wenn das Vorliegen Orga­nisierter Kriminalität auf Grundlage der OK-Definition zu bejahen ist. Entsprechende Erkennt­nisse zu der Familie der Tatverdächtigen sind von der KPB Essen nicht berichtet worden und liegen auch dem LKA NRW nicht vor.

Unabhängig von der Frage, ob bereits Aspekte des Persönlichkeitsschutzes einer Beantwor­tung entgegenstehen, ist eine valide Erhebung der erfragten Zahlen mit vertretbarem Aufwand nicht zu leisten. Soweit eine Suche in den polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystemen nach Personen mit dem angefragten Nachnamen vorgenommen werden könnte, würden auch Per­sonen erfasst, die weder regional noch tatsächlich der angefragten Personengruppe zuzurech­nen sind. Überdies würden bei einer Namenssuche solche Personen nicht erfasst, die abwei­chende Nachnamen tragen, tatsächlich aber der nicht näher definierten angefragten Perso­nengruppe zuzurechnen wären.

  1. Welche Maßnahmen zum Schutz des bedrohten Angehörigen unternimmt die Po­lizei?

Die KPB Essen hat eine Beurteilung der Gefährdungslage gefertigt. Im Ergebnis wurden keine Schutzmaßnahmen angeordnet. Mit dem Geschädigten der Bedrohung wurde anlässlich sei­ner Zeugenvernehmung ein Sicherheitsgespräch geführt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leitstelle sowie des zuständigen Wachdienstes sind bezüglich des Sachverhaltes sensibi­lisiert. Im Einsatzbearbeitungsprogramm der Einsatzleitstelle ist diesbezüglich ein entspre­chender Vermerk angelegt.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner