Rückfragen zur Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage 2128 (Drs. 17/5600) – Moscheen in NRW im Fokus des Verfassungsschutzes

Kleine Anfrage
vom 15.04.2019

Kleine Anfrage 2374der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 09.04.2019

 

Rückfragen zur Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage 2128 (Drs. 17/5600) – Moscheen in NRW im Fokus des Verfassungsschutzes

Im Rahmen der im Titel genannten Kleinen Anfrage wurden Informationen bezüglich der Gesamtzahl der Moscheen in Nordrhein-Westfalen sowie zur Anzahl der Moscheen, die aktuell als Beobachtungsfall, Prüffall bzw. Verdachtsfall eingestuft sind, angefragt. Darüber hinaus wurde auch um eine Auflistung der betreffenden Moscheen gebeten.

Beantwortet wurde die Kleine Anfrage ausschließlich mit einem Verweis auf 2 frühere Kleine Anfragen und 2 Vorlagen.

Die erste Frage konnte auf diesem Weg beantwortet werden. Danach gibt es mit Stand vom 26.11.2018 zwischen 850 und 1000 Moscheevereine in Nordrhein-Westfalen. Davon werden durch den Verfassungsschutz NRW rund 70 als extremistisch-salafistisch eingestuft. Die Fragen 2 bis 4 wurden nicht oder nur teilweise beantwortet.

Gemäß der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1949 (Drs. 17/5106) werden die 109 unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehenden Moscheen wie folgt eingestuft: Salafismus: 70; Kalifatsstaat: 6; Muslimbruderschaft: 11, wobei 3 davon zugleich salafistisch sind; schiitisch extremistisch: 18; Türkische Hizbullah: 3; Ismael Aga Cemaati: 1.

Keine Antwort findet sich zur Anzahl der Moscheen (aufgeschlüsselt nach Glaubensrichtung), die als Verdachtsfall eingestuft werden.

Nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, dass keine Moscheen als Prüffall bezeichnet werden. Gemäß Urteil des VG Köln vom 26. Februar 2019 ist es dem Bundesamt für Verfassungsschutz untersagt, die Partei Alternative für Deutschland – AfD als „Prüffall“ zu bezeichnen. 1,2 Maßgeblich war insbesondere, dass das Bundesverfassungsschutzgesetz hierfür keine Rechtsgrundlage enthalte und der Bezeichnung als „Prüffall“ in der Öffentlichkeit eine negative Wirkung zukomme. Dieser Grundsatz hat selbstverständlich auch Gültigkeit für religiöse Gemeinschaften.

Eine Benennung der Moscheen fehlt vollständig. Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2074 (Drs.17/5453) hat ergeben, dass aus Ermittlungsgründen eine Benennung nicht möglich ist.

Das Lagebild Salafismus vom 26.11.2018 hat ergeben, dass auch Einzelpersonen, unabhängig von der Einstufung als Gefährder oder relevante Person. unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden stehen.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Gemäß des Lagebildes Salafismus (Vorlage 17/1444) geraten Moscheen in den Fokus der Sicherheitsbehörden, „wenn sie zu Netzwerken oder Einzelpersonen, die als extremistisch bewertet werden, in einer relevanten Beziehung stehen.“ Gründe für eine Beobachtung liegen auch vor, „wenn Moscheen eine Anlaufstelle für extremistisches Personenpotential bieten, als Treffpunkt für solche Personen dienen und/ oder wenn tendenziöse oder tatsächlich extremistische Inhalte von Vorträgen durch Imame oder Gastredner bekannt werden.“ Wie viele Moscheen sind in Nordrhein-Westfalen, unter diesen Gesichtspunkten, aktuell durch den Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft?

2. Zu welcher Glaubensrichtung gehören die unter Frage 1 abgefragten Moscheen?

3. Wie viele Einzelpersonen aus dem islamistischen bzw. salafistischen Milieu werden in Nordrhein-Westfalen aktuell durch den Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ oder „Beobachtungsfall“ bzw. als Gefährder, relevante Person eingestuft? (Bitte aufschlüsseln)

4. Wie hat sich die Anzahl der Moscheen und Einzelpersonen, die in Nordrhein-Westfalen durch den Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ oder „Beobachtungsfall“ eingestuft werden, seit 2014 entwickelt? (Bitte nach Jahren und Glaubensrichtung getrennt auflisten)

5. Die Anzahl der Moscheevereine in Nordrhein-Westfalen kann mit 850 bis 1000 nur sehr ungenau beziffert werden. Die Dunkelziffer ist folglich verhältnismäßig hoch. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es durchaus möglich, dass die Zahl von 109 Moscheen, die aktuell unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen, höher sein müsste, wenn man von Seiten der Sicherheitsbehörden eine vollständige Übersicht hätte. Welche Erkenntnisse gibt es bezüglich einer möglichen Dunkelziffer?

Gabriele Walger-Demolsky

 

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1 Vergleiche Az.: 13 L 202/19

2 http://www.vg-koeln.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/03_190226/index.php


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 08.05.2019

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2374 mit Schreiben vom 8. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen kann Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen sammeln und auswerten, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht solcher Bestrebungen vorliegen.

Eine Bestrebung bezeichnet dabei politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen die Schutzgüter des § 3 Abs. 1 des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) richten. Tatsächliche Anhaltspunkte sind konkrete Umstände und keine Vermutungen. Es kann sich um erste oder verdichtete Anhaltspunkte handeln. Ob und in welcher Weise eine Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch den Verfassungsschutz erfolgt, ist jeweils im Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden.

Begriffe wie „Prüffall“ und „Verdachtsfall“ sind keine Rechtsbegriffe im Sinne des VSG NRW. Sie geben lediglich eine Orientierung über den Grad des Verdachts auf eine verfassungsfeindliche Bestrebung. Der „Prüffall“ bezeichnet dabei, dass erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Bestrebung vorliegen. Der „Verdachtsfall“ bringt zum Ausdruck, dass sich die tatsächlichen Anhaltspunkte bereits verdichtet haben. Als dritte Fallgestaltung gibt es die „festgestellte Bestrebung“. Der Begriff „Beobachtungsobjekt“ stellt die übergeordnete Kategorie für den „Verdachtsfall“ und die „festgestellte Bestrebung“ dar.

1. Gemäß des Lagebildes Salafismus (Vorlage 17/1444) geraten Moscheen in den Fokus der Sicherheitsbehörden, „wenn sie zu Netzwerken oder Einzelpersonen, die als extremistisch bewertet werden, in einer relevanten Beziehung stehen.“ Gründe für eine Beobachtung liegen auch vor, „wenn Moscheen eine Anlaufstelle für extremistisches Personenpotential bieten, als Treffpunkt für solche Personen dienen und/ oder wenn tendenziöse oder tatsächlich extremistische Inhalte von Vorträgen durch Imame oder Gastredner bekannt werden.“ Wie viele Moscheen sind in Nordrhein-Westfalen, unter diesen Gesichtspunkten, aktuell durch den Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft?

2. Zu welcher Glaubensrichtung gehören die unter Frage 1 abgefragten Moscheen?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die genannten 109 Moscheen werden durch den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen in den Blick genommen, weil „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür vorliegen, dass sie einem Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes zugerechnet werden können oder sie einen Bezug zu einem Beobachtungsobjekt aufweisen, zum Beispiel zum Salafismus, zur Muslimbruderschaft oder zur Hizb Allah. Die Moscheen sind jedoch als räumlich-gegenständliche Einrichtungen selbst keine Bestrebungen und können deshalb ihrerseits nicht als „Verdachtsfälle“ eingestuft werden.

Extremistische Bestrebungen können aber zum Beispiel Moscheen für ihre Zwecke nutzen.

3. Wie viele Einzelpersonen aus dem islamistischen bzw. salafistischen Milieu werden in Nordrhein-Westfalen aktuell durch den Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ oder „Beobachtungsfall“ bzw. als Gefährder, relevante Person eingestuft? (Bitte aufschlüsseln)

Alle Einzelpersonen, die dem Phänomenbereich Islamismus zugerechnet werden, sind aufgrund ihrer Bezüge zu einer bestimmten islamistischen Bestrebung, die Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen ist, im nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) gespeichert. Eine Behandlung von Einzelpersonen als „Verdachtsfälle“ findet nicht statt. Vielmehr werden Personen, die für ein Beobachtungsobjekt aktiv sind, in den Blick genommen, um das Beobachtungsobjekt bewerten und seine Entwicklung einschätzen zu können.

Anzahl der Personen, aufgeschlüsselt nach Beobachtungsobjekten in Nordrhein-Westfalen:

Salafismus: 3.100  
HAMAS: 75  
Hizb Allah: 110  
Hizb ut-Tahrir: 60  
Kalifatsstaat/Kaplanverband: 220  
Muslimbruderschaft (ohne HAMAS): 65  
Milli-Görüs-Bewegung: 250  
Türkische Hizbullah: 100  
Furkan-Gemeinschaft: 80  

 

Von den Sicherheitsbehörden werden in Nordrhein-Westfalen mit Stand vom 29.03.2019 im Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus 260 Personen als Gefährder und 156 Personen als Relevante Person geführt. Davon sind 110 Gefährder und 127 Relevante Personen als „aktionsfähig“ registriert. Das bedeutet, dass diese Personen sich weder in Haft befinden, noch im Ausland aufhalten und nicht mutmaßlich in Kriegsgebieten getötet wurden.

4. Wie hat sich die Anzahl der Moscheen und Einzelpersonen, die in Nordrhein-Westfalen durch den Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ oder „Beobachtungsfall“ eingestuft werden, seit 2014 entwickelt? (Bitte nach Jahren und Glaubensrichtung getrennt auflisten)

Wie sich aus den Antworten auf die Fragen 1, 2 und 3 ergibt, findet eine Einstufung von Moscheen wie auch von Einzelpersonen als „Verdachtsfall“ oder „Beobachtungsfall“ nicht statt.

5. Die Anzahl der Moscheevereine in Nordrhein-Westfalen kann mit 850 bis 1000 nur sehr ungenau beziffert werden. Die Dunkelziffer ist folglich verhältnismäßig hoch. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es durchaus möglich, dass die Zahl von 109 Moscheen, die aktuell unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen, höher sein müsste, wenn man von Seiten der Sicherheitsbehörden eine vollständige Übersicht hätte. Welche Erkenntnisse gibt es bezüglich einer möglichen Dunkelziffer?

Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen hat eine vollständige Übersicht über die Moscheevereine, die einen Bezug zu islamistischen Bestrebungen aufweisen, da letztere als Beobachtungsobjekte nachrichtendienstlich bearbeitet werden. Dabei werden Personen und Einrichtungen aller Art, die zu diesen Bestrebungen in einer für die Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes relevanten Beziehung stehen, in den Blick genommen, gespeichert und erforderlichenfalls nachrichtendienstlich bearbeitet. Vor diesem Hintergrund ist die exakte Anzahl aller Moscheen in Nordrhein-Westfalen für die Feststellung von Moscheen mit Bezügen zu islamistischen Bestrebungen unerheblich.

 

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