Rückzahlung sämtlicher Corona-Bußgeldern nach slowenischem Vorbild – Wie verfährt Nordrhein-Westfalen?

Kleine Anfrage
vom 17.07.2023

Kleine Anfrage 2129

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Rückzahlung sämtlicher Corona-Bußgeldern nach slowenischem Vorbild Wie verfährt Nordrhein-Westfalen?

„Es geht darum, auch mal den Geimpften und denen, die alles machen, zu zeigen, wir lassen das nicht weiter zu, dass Menschen ihre individuelle Freiheit über die Freiheit der gesamten Gesellschaft stellen. Jetzt kümmern wir uns um die Nichtgeimpften und führen eine Impfpflicht ein. Wir werben und wir überzeugen. Aber wenn das alles nicht funktioniert, und ich bin der Überzeugung, wir müssen noch weiter werben und überzeugen, und gerne wie in Österreich auch beraten. Das ist alles richtig. Aber wer dabei nicht mitzieht, der muss dann eben auch damit rechnen, dass er ein Bußgeld bezahlen muss, weil er seiner Impfpflicht nicht nachkommt.“1

So beschrieb der derzeitige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am 23. Januar 2022 seine Beweggründe, sich für eine allgemeine Impfpflicht auszusprechen, als er Gast in der Talkshow bei Anne Will war, die unter der Frage „Mit welchem Plan geht Deutschland ins Corona-Jahr?“ geführt wurde.

Aber auch Wüsts Vorgänger Armin Laschet (CDU) ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass er eine scharfe Gangart gegenüber all denen befürwortet, die die Coronamaßnahmen kritisch hinterfragen oder sich gegen eine Impfung entscheiden. So klingen sie auch aus der Retroperspektive unverhältnismäßig autoritär:

„Wir müssen nicht die Vernünftigen überwachen, sondern die Unvernünftigen bestrafen. Und zwar konsequent und hart. Die Signale müssen ankommen. Null Toleranz gilt auch gegenüber Rechtsbrechern im Kampf gegen das Corona-Virus.“2

Obwohl von Anfang an die Sinnhaftigkeit und der Nutzen der von der Bundesregierung sowie der Landesregierung erlassenen Coronaschutzverordnungen nicht nur angezweifelt und kritisiert wurden, sondern auch von Experten als maßlos überzogen und zum Teil wirkungslos eingestuft wurden, hielt man an ihnen fest. Der Straf- und Bußgeldkatalog in Nordrhein-Westfalen enthält eine Übersicht, welche Verstöße als Straftaten und welche als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden waren. Bei Wiederholungsfällen konnten Bußgelder in Höhe von bis zu 25.000 Euro verhängt werden.3

Die vergangenen drei Jahre waren durch diverse politisch erlassenen Restriktionen geprägt, die sich unterschiedlich intensiv präsentierten. So war es beispielsweise zeitweise verboten, sogar alleine auf einer Parkbank zu verweilen oder das Haus zu bestimmten Uhrzeiten zu verlassen. Wer dies dennoch tat, riskierte ein Bußgeld. Insbesondere Gruppenbildungen, wie sie zum Beispiel an Geburtstagen oder Jubiläen automatisch entstehen, wurden untersagt und ebenfalls unter Strafe gestellt. Die Entscheidung des Einzelnen wurde nicht länger toleriert, der mündiger Bürger wurde qua Verordnung entmündigt.

Diese Maßnahmenkataloge, die mittlerweile selbst von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Teilen als „Schwachsinn“ angesehen werden, herrschten nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas.4 Allerdings ist man dort schon einen bedeutenden Schritt weiter und die Regierung hat eingestanden, Fehler gemacht zu haben. So liegt in Slowenien dem Parlament ein Gesetzentwurf der Regierung vor, der die Rückzahlung sämtlicher Corona-Bußgelder sowie die Aussetzung aller noch laufenden Bußgeldverfahren vorsieht. Zuvor hatte das Verfassungsgericht der Republik Slowenien eine Vielzahl der Corona-Maßnahmen für verfassungswidrig erklärt. Die zuständige slowenische Ministerin Pipan wies darauf hin, dass die vorherige Regierung zu Beginn der Pandemie mit großer Unsicherheit konfrontiert war und gleichzeitig schnell handeln musste. „Allerdings – und das ist entscheidend – müssen solche Maßnahmen mit dem Grundpfeiler der verfassungsmäßigen Ordnung und der Rechtsstaatlichkeit übereinstimmen.“ Insgesamt spricht die neue slowenische Regierung von einem Schritt zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Rechtsstaatlichkeit.5

Aber auch in Niederösterreich sollen Strafen zurückgezahlt werden, die vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden sind. Man hat einen mehr als 30 Millionen Euro dotierten Corona-Fonds eingerichtet, wobei die Rückzahlungen rund 70 Strafen betreffen und eine Summe von etwa 200.000 Euro ausmachen. Gleichzeitig ist auch vorgesehen, dass all jene eine Entschädigung erhalten sollen, die durch die Pandemie Schäden erlitten haben. So zum Beispiel Eltern, die aufgrund von schwierigen Bedingungen in der Schule Nachhilfeunterricht für ihre Kinder finanzieren mussten.6

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Bußgeldbescheide, die durch Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung entstanden, wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2020 bis heute verhängt? (Bitte nach Jahr und Monat aufschlüsseln.)
  2. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren hat es wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung in Nordrhein-Westfalen seit 2020 bis heute gegeben respektive laufen noch? (Bitte nach Jahr und Monat aufschlüsseln.)
  3. Wie hoch ist die Summe der in Frage 1 abgefragten Bußgelder?
  4. Wie viele der unter Frage 1 und 2 genannten Verfahren sind noch offen?
  5. Wann wird die Landesregierung damit beginnen, bereits gezahlte Bußgelder an die Bürger zurückzuzahlen respektive alle noch laufenden Bußgeldverfahren einzustellen?

Markus Wagner

 

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1 Anne Will: „Mit welchem Plan geht Deutschland ins Corona-Jahr?“, vom 23.01.2022; https:// www .youtube.com/watch?v=qrK_t3PWsXQ.

2 Vgl. https:// www .land.nrw/pressemitteilung/straf-und-bussgeldkatalog-zur-umsetzung-des-kontaktverbots-erlassen#:

3 Ebenda.

4 Vgl. https:// www .faz.net/aktuell/politik/inland/corona-bilanz-manche-massnahmen-waren-laut-karl-lauterbach-schwachsinn-18667895.html.

5 Vgl. https:// www .tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/slowenien-zahlt-corona-strafgelder-zurueck/.

6 Vgl. https:// kurier .at/chronik/niederoesterreich/noe-zahlt-corona-strafen-zurueck-wer-geld-aus-dem-fonds-bekommen-soll/402451128.


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2129 mit Schreiben vom 15. August 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Zur wirksamen Umsetzung der Schutzmaßnahmen während der Pandemie kam der Kontrolle und Ahndung von Verstößen gegen die Regelungen der Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) immer eine besondere Bedeutung zu. Hierauf wurde bereits in den Beantwortungen zu der Kleinen Anfrage 3491 aus dem Jahr 2020, den Kleinen Anfragen 5395 bis 5447 aus dem Jahr 2021, der Kleinen Anfrage 6497 aus dem Jahr 2022 sowie der Kleinen Anfrage 1593 aus dem Jahr 2023 hingewiesen.

  1. Wie viele Bußgeldbescheide, die durch Verstöße gegen die Coronaschutzverord-nung entstanden, wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2020 bis heute verhängt? (Bitte nach Jahr und Monat aufschlüsseln.)
  2. Wie viele Ordnungswidrigkeitenverfahren hat es wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung in Nordrhein-Westfalen seit 2020 bis heute gegeben res­pektive laufen noch? (Bitte nach Jahr und Monat aufschlüsseln.)
  3. Wie hoch ist die Summe der in Frage 1 abgefragten Bußgelder?
  4. Wie viele der unter Frage 1 und 2 genannten Verfahren sind noch offen?

Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 4 gemeinsam beantwortet:

Mit den in der Vorbemerkung genannten Kleinen Anfragen wurden bereits Daten zu Verstößen gegen die CoronaSchVO, eingeleiteten Bußgeldverfahren sowie zur Höhe von Bußgeldern abgefragt und mit deren Beantwortung zur Verfügung gestellt. Die Fragen dieser Kleinen An­frage decken sich nicht vollständig mit den Fragen der zuvor genannten Kleinen Anfragen. Nichtsdestotrotz wird auf die bereits zur Verfügung gestellten Daten hingewiesen.

Dies gilt insbesondere, weil die mit dieser Kleinen Anfrage erbetenen Informationen binnen der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhoben wer­den konnten. Die zur Beantwortung erforderlichen Daten liegen dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nicht vor. Eine Abfrage unmittelbar bei den Kommunen ist in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und vor dem Hintergrund der personellen Ressourcen insbesondere auch angesichts der erheblichen Inanspruchnahme der zuständigen Fachbereiche durch die aktuellen Herausforderungen etwa der im Bereich Flüchtlingsversorgung u.a. infolge des Ukrainekrieges nicht möglich. Die Kommunen sind nicht zur Führung von Statistiken über die Ordnungswidrigkeiten- und Bußgeldverfahren verpflich­tet. Die Ermittlung der gewünschten Informationen wäre deshalb mit einem erheblichen Ar­beitsaufwand bei den Kommunen verbunden.

  1. Wann wird die Landesregierung damit beginnen, bereits gezahlte Bußgelder an die Bürger zurückzuzahlen respektive alle noch laufenden Bußgeldverfahren ein­zustellen?

Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, hält die Landesregierung die Ahndung von Ver­stößen gegen die Regelungen der Coronaschutzverordnung auch rückblickend betrachtet für ein wichtiges Instrument im Rahmen der Pandemiebekämpfung. Die Landesregierung sieht daher keinen Anlass, rechtmäßig festgesetzte Bußgelder zurückzuzahlen und lehnt eine sol­che Vorgehensweise im Hinblick auf die aktuelle und künftige Akzeptanz verbindlicher staatli­cher Verhaltensnormen ausdrücklich ab.

Für die Durchführung der Ordnungswidrigkeiten- und Bußgeldverfahren waren und sind zu­dem die örtlichen Ordnungsbehörden, folglich die Kommunen, zuständig. Die Bußgelder flie­ßen damit nicht dem Landeshaushalt, sondern den kommunalen Haushalten zu. Eine Ent­scheidung über die Rückzahlung von Bußgeldern erfolgt damit ohnehin nicht durch das Land.

Auch die Frage, ob laufende Bußgeldverfahren eingestellt werden, kann das Land mangels Zuständigkeit nicht entscheiden. Die Kommunen entscheiden hierüber im

Einzelfall in eigener Zuständigkeit. Dabei können sich die Kommunen jedoch auf eine volle Rückendeckung der Landesregierung für eine konsequente und nachhaltige Ahndung festge­stellter Rechtsverstöße verlassen.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Markus Wagner