Schießerei zwischen Clan und Rockern in Duisburg

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 17
der Abgeordneten Markus Wagner, Prof. Dr. Daniel Zerbin und Andreas Keith vom 14.06.2022

 

Schießerei zwischen Clan und Rockern in Duisburg

Am 4. Mai 2022 kam es auf dem Altmarkt in Duisburg-Hamborn zu einer Schießerei – mutmaßlich zwischen einem türkisch-libanesischen Clan und Rockern der Hells Angels. An der Eskalation waren bis zu 100 Personen beteiligt. Nach Angaben der Polizei wurde bei der Schießerei mindestens 19-mal geschossen, wodurch vier Menschen verletzt wurden. 15 zunächst am Tattag festgenommene Männer wurden am nächsten Tag wieder freigelassen.1 Nur wenige Tage nach diesem Ereignis gab es Hinweise, dass die Hells Angels ihren Duisburger Charter aufgelöst haben könnten.2

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeilichen Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen)
  2. Wie hoch ist das Personenpotential, welches den unterschiedlichen Clans in Duisburgzugerechnet werden kann? (Bitte nach Clannamen oder -bezeichnung aufschlüsseln)
  3. Inwieweit wurde oder wird der Hamborner Altmarkt in Duisburg und dessen Umfeld als „gefährlicher bzw. verrufener“ Ort durch die Kreispolizeibehörde eingestuft?
  4. Wie viele Clankriminelle aus Duisburg wurden in den letzten fünf Jahren abgeschoben?

Markus Wagner
Andreas Keith
Prof. Dr. Daniel Zerbin

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https://www.welt.de/regionales/nrw/article238780369/Schuesse-in-Duisburg-so-kam-es-zur-Eskalation.html

2 Vgl. https://www.stern.de/gesellschaft/regional/nordrhein-westfalen/schiesserei-polizei–mehr-als-19-schuesse-vor-zwei-wochen-in-duisburg–31873964.html


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 17 mit Schreiben vom 14. Juli 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeilichen Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen)

Zur Beantwortung hat mir das Ministerium der Justiz folgenden Beitrag übersandt:

„I.

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Duisburg hat dem Ministerium der Justiz unter dem 21. Juni 2022 zu der Frage 1, soweit der justizielle Geschäftsbereich berührt ist, – anonymisiert – im Wesentlichen wie folgt berichtet:

‚Die Staatsanwaltschaft Duisburg führt unter dem Aktenzeichen 120 Js 47/22 ein Ermittlungsverfahren gegen (aktuell) 49 Beschuldigte insbesondere wegen versuchten Mordes, (schweren) Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das WaffG.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist von folgendem Tathergang auszugehen:

Am Mittwoch den 4. Mai 2022 gegen 20:40 Uhr versammelten sich ca. 100 Personen aus dem als organisiert und schwer kriminell einzustufenden Rocker- und Clanmilieu in aggressiver Grundhaltung in zwei Gruppen auf dem Hamborner Altmarkt in 47166 Duisburg. Die bisher identifizierten Beschuldigten sind überwiegend der Rockergruppierung H. A. und der Großfamilie X bzw. Y zuzuordnen. Das Zusammentreffen eskalierte in einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Personengruppen. Dabei wurden jedenfalls 28 Schüsse durch zumindest drei Personen abgegeben. Die Scheiben eines Ladenlokals, welches Mitgliedern der Großfamilie X bzw. Y zuzuordnen ist, wurden aus der Menge heraus von Personen, die der Rockergruppierung der H. A. zugeordnet werden, eingeworfen bzw. eingeschlagen, und es wurden Gegenstände in das Ladenlokal auf die dort anwesenden Personen geworfen.

Bislang sind der Polizei vier Personen mit Verletzungen namentlich bekannt geworden, die in umliegenden Krankenhäusern behandelt werden mussten. Weitere Verletzte aus dem Umfeld der beiden Gruppen werden vermutet. Die Geschosse schlugen u.a. auch in Ladenlokalen und in einem am Markt geparkten Pkw ein.

15 Personen wurden zunächst in Tatortnähe vorläufig festgenommen. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Beweislage aus einem tumultartigen Geschehen heraus und unter Beteiligung einer Vielzahl von Personen, die eine Zuordnung konkreter Tathandlungen zu konkreten Tatverdächtigen nicht mit der erforderlichen Sicherheit zuließ, wurden alle 15 vorläufig festgenommenen Personen nach Abschluss der ED-Behandlungen und Spurensicherung (u.a. Schmauchspuren) im Laufe des 5. Mai 2022 aus dem Gewahrsam entlassen.

Die genaue Rekonstruktion des Tathergangs, die Identifizierung weiterer Personen sowohl Beschuldigter als auch Zeugen sowie die Hintergründe des Tatgeschehens sind derzeit noch Gegenstand der umfangreichen Ermittlungen.

Zu den bisher identifizierten Beschuldigten liegen auf der Grundlage des Bundeszentralregisters […] die aus der Anlage 1 ersichtlichen Informationen vor.

Soweit gegen die Beschuldigten in der Vergangenheit Freiheits- bzw. Jugendstrafen in einer Höhe ab zwei Jahren verhängt wurden, wird dies in der Anlage gesondert aufgeführt. Diese Grenze wurde in Anlehnung an §§ 24 ff. GVG gezogen.

Eine weitergehende Aufschlüsslung ist in der zur Verfügung stehenden Zeit mit zumutbaren Aufwand nicht zu leisten, ohne den Fortgang der Ermittlungen zu verzögern.

Von der öffentlichen Nennung der Vornamen der beteiligten deutschen Staatsangehörigen wird in der Anlage abgesehen, um Rückschlüsse auf die Identität der Beschuldigten und die Zuordnung von Vorbelastungen zu vermeiden.

Von den bisher 49 Beschuldigten werden nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen 22 der Personengruppe der Rockergruppierung H. A. zugeordnet. Bei drei Beschuldigten ist eine mögliche Zuordnung zu einer Gruppe noch fraglich. Die übrigen Beschuldigten werden der Gruppe um Mitglieder der Großfamilie X bzw. Y zugeordnet. Bei einigen der Beschuldigten, die der Gruppe um Mitglieder der Großfamilie X bzw. Y zugeordnet werden, liegen auch Hinweise auf eine Verbindung zu der Rockergruppierung der H.A. vor. ‘

Zu den Tatverdächtigen und ihren im Bundeszentralregister eingetragenen Vorstrafen verhält sich der vorbezeichnete Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin – anonymisiert – wie folgt:  => Anlage 1 in PDF

II.

Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat seinem Randbericht vom 23. Juni 2022 zufolge gegen die Sachbehandlung der Leitenden Oberstaatsanwältin keine Bedenken.“

  1. Wie hoch ist das Personenpotential, welches den unterschiedlichen Clans in Duisburg zugerechnet werden kann? (Bitte nach Clannamen oder -bezeichnung aufschlüsseln)

Ausweislich des Lagebildes Clankriminalität Nordrhein-Westfalen 2021 erfasste das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen 216 Tatverdächtige, die im Zuständigkeitsbereich der Kreispolizeibehörde Duisburg wohnhaft sind.

  1. Inwieweit wurde oder wird der Hamborner Altmarkt in Duisburg und dessen Umfeld als „gefährlicher bzw. verrufener“ Ort durch die Kreispolizeibehörde eingestuft?

Die Frage bezieht sich auf die polizeiliche Befugnisnorm des § 12 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz NRW (PolG NRW). Danach kann die Polizei die zur Feststellung der Identität einer Person erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn sich diese an einem Ort aufhält, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben, sich dort Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen oder sich dort gesuchte Straftäter verbergen.

Das Polizeipräsidium Duisburg hat vor dem Hintergrund der erheblichen Straftaten, Störungen und Gefahren aufgrund der Vorkommnisse am 4. Mai 2022 am Hamborner Altmarkt die abstrakt-generelle Festlegung für alle zuständigen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Duisburger Präsidiums getroffen, wonach für die konkrete Örtlichkeit und für einen befristeten Zeitraum vom 6. Mai bis 6. Juni davon auszugehen sei, dass die Voraussetzungen der genannten Eingriffsgrundlage zur erleichterten Kontrolle von dort anwesenden Personen ohne zwingendes Vorliegen einer konkreten Gefahr gegeben sind.

Darüber hinaus hat das Polizeipräsidium Duisburg unmittelbar nach den Vorkommnissen am Mai 2022 für den Zeitraum von einem Monat eine Videobeobachtung der Örtlichkeit gemäß § 15a PolG NRW angeordnet.

4. Wie viele Clankriminelle aus Duisburg wurden in den letzten fünf Jahren abgeschoben?

Zur Beantwortung hat mir das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration folgenden Beitrag übersandt:

„Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht.“

 

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