Antrag
der Fraktion der AfD
Schläge, Spielabbrüche und Schiedsrichtermangel – Amateurfußball in NRW vor Gewalttätern schützen, das Lagebild vervollständigen!
I. Ausgangslage
2021/22 konnten die Fußballamateure erstmals wieder eine komplette Saison absolvieren. Die Freude über die Wiederbelebung des Sportlebens wird jedoch von einem traurigen neuen Rekord getrübt. Gab es im Amateurfußball in Deutschland in der Saison 2018/2019 noch insgesamt 685 Spielabbrüche, so konnten für die Saison 2021/2022 bereits 911 Spielabbrüche aufgrund von Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen verzeichnet werden, so der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Betrachtet man die bundesweit im Online-Spielbericht vermerkten 5.582 Vorfälle, die Schiedsrichter für besonders erwähnenswert hielten, fällt auf, dass 3.554 davon Gewalthandlungen waren. Rund 3.700 Spieler und 1.884 Zuschauer wurden einer Gewalt- oder Diskriminierungshandlung beschuldigt. Ihnen stehen 3.152 Spieler beziehungsweise 2.399 Schiedsrichter gegenüber, die als geschädigt gelten.1
Seit 2014 erhebt der DFB mithilfe der Online-Spielberichte der Unparteiischen ein Lagebild des Amateurfußballs. Dabei geben die Schiedsrichter an, ob es während des Spiels zu einer Gewalthandlung oder einer Diskriminierung gekommen ist.2 Eine von der Tübinger Kriminolo-gin Dr. Thaya Vester durchgeführte Studie hat die Auslöser und Ursachen für Spielabbrüche untersucht und dabei zwischen einem endogenen und exogenen Konfliktursprung unterschieden. Sie stellte fest, dass 29,8 Prozent der gewaltbedingten Spielabbrüche auf den Vorwurf der Parteilichkeit bzw. auf vermeintliche Fehlentscheidungen der Schiedsrichter zurückgeführt werden können. Dahinter folgen mit 26,1 Prozent Eskalationsspiralen infolge einer Auseinandersetzung um ein vermeintliches Foul. Interkulturelle Auslöser seien dagegen mit 4,7 Prozent weniger von Bedeutung.3 Zwar beruht die letztgenannte Studie auf der Auswertung von Urteilen der Sportgerichte, doch wie schon beim zuvor genannten Lagebild des DFB geraten die eigentlichen Verursacher der Gewalttaten dabei weitgehend aus dem Blick. Wer sind die Täter? Lassen sich diese eventuell gewissen „Problemvereinen“ zuordnen? Wie alt waren sie zum Tatzeitpunkt? Handelt es sich hier um Senioren-Mannschaften oder nicht doch eher überwiegend um jüngere Altersklassen, also die berüchtigten „jungen Männer“?
Fest steht, dass sich die Lage im Fußball der Frauen ganz anders darstellt: „Dass dort ein Spiel abgebrochen wird, ist die absolute Ausnahme. Es kommt da viel weniger vor als bei den Männern“, so Dr. Vester in einem Sportschau-Interview.4 Dabei ist der Anstieg der Spielabbrüche um fast 33 Prozent nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs, da viele Spiele zu Ende geführt werden, solange die Schiedsrichter nicht selbst unmittelbar betroffen sind. Spätestens das Hinzurufen der Polizei – erfolgt bei 14,2 Prozent aller Spielabbrüche5 – macht eine vorzeitige Beendigung des Spiels unvermeidlich. Die beschriebene Gewaltentwicklung scheint darüber hinaus spezifisch für den Amateurfußball der Männer zu sein. Eine ähnlich geartete Problematik lässt sich für andere Mannschaftssportarten wie Handball oder Eishockey eben nicht feststellen.
Vor diesem Hintergrund erscheinen Erklärungsversuche, die die Zunahme von Gewalt im Amateurfußball mit dem auf der Gesellschaft lastenden Druck infolge der Corona-Pandemie erklären wollen, als hanebüchen. Vermeintliche Fehlentscheidungen von Unparteiischen, Auseinandersetzungen aufgrund von Fouls und gesteigerte Emotionalität gehören seit jeher zum Fußball, werden jedoch erst seit einigen Jahren vermehrt als Erklärung für die zunehmende Gewalt gegen Schiedsrichter herangezogen. Die Parallelen zur bundesweiten Gewalt gegen Rettungs- und Polizeikräfte während der Silvesternacht drängen sich hier geradezu auf.6 Wie Bundesinnenministerin Faeser jüngst einräumen musste, handelte es sich hierbei um „ein großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden.“7
„Je schwerwiegender der Straftatbestand, desto häufiger sind Spieler beteiligt, die nicht deutscher Abstammung sind.“8 Diese Aussage tätigte der Sportwissenschaftler Gunter A. Pilz von der Leibniz Universität Hannover bereits vor über 20 Jahren. Dabei bezog er sich auf eine Analyse von 4.000 Akten und Urteilen des Niedersächsischen Fußballverbandes zur Saison 1998/1999. Ganz konkret hatten seine Untersuchungen ergeben, dass zwei von drei vor Sportgerichten verhandelten Spielabbrüchen von nicht-deutschen Spielern, vor allem türkischen und kurdischen, verursacht wurden.9 Dass gescheiterte Integration und Gewalt auf dem Fußballplatz Hand in Hand gehen, hat sich seitdem immer wieder bestätigt.10 Selbst die taz musste 2015 feststellen: „Was ungern laut gesagt wird, findet durch Untersuchungen und Studien eine traurige Bestätigung. Wenn es im Kreis der rund 6,5 Millionen Aktiven, die unter der Obhut des Deutschen Fußball-Bundes kicken, handfesten Streit gibt, zählen Spieler mit Migrationshinter-grund überproportional oft zu den Tätern.“11 Eine Minderheit von gewaltbereiten Integrationsverweigerern zersetzt damit nicht nur den Sport, sondern auch die Gesamtgesellschaft, indem sie all jene in Verruf bringt, die sich über den Fußball integrieren wollen.
Ein weiteres Problemfeld stellen manche Zuschauer dar, die – wie im Lagebild des DFB erwähnt – fast die Hälfte aller Gewalt- und Diskriminierungshandlungen zu verantworten haben. Dabei handelt es sich entweder um Einzelpersonen oder Gruppen, die weniger am Fußball als an Krawall und Randale interessiert sind und im Schutz der Fußballspiele Straftaten verüben. Dieser Personenkreis stellt Veranstalter und Schiedsrichter regelmäßig vor große Herausforderungen. Da sie oft keine Vereinsmitglieder sind, können sie von den Verbänden nur mittelbar belangt werden, eine Bestrafung auf persönlicher Ebene erfolgt nicht. Um das von diesen Personen ausgehende Gefahrenpotential weitestmöglich zu reduzieren und Schiedsrichter wie Spieler zu schützen, wäre daher, wie schon im Rahmen von Spielen der Profiligen üblich, eine schnelle Aufnahme dieser Täter in die Datei „Gewalttäter Sport“ sowie ein generelles Verbot, weitere Spiele zu besuchen, zielführend.
Schließlich ist festzustellen, dass die Rechts- und Verfahrensordnung der Verbände, darunter des Westdeutschen Fußballverbands e. V., Gewalttätern nach wie vor zahlreiche Schlupflöcher bietet. Ein Auszug aus § 9 (Strafen gegen Spieler in einzelnen Fällen) besagt: „(5) Eine Sperre, die wegen eines Feldverweises in einem Pokalspiel auf Verbandsebene oder in einem Freundschaftsspiel erfolgt ist, bleibt für die Einsatzberechtigung in Bundesspielen ohne Wirkung. Eine Sperre, die wegen eines Feldverweises in einem Punktespiel erfolgt ist, bleibt für die Einsatzberechtigung in Spielen um den DFB-Vereinspokal (§ 46 Nr. 2 SpO/DFB) ohne Wirkung.“12 Zudem hat die Vergangenheit gezeigt, dass von Gewalt Betroffene bei den Verbänden auf taube Ohren stoßen. In der Saison 2014/15 erregte der Kreisligist BV Altenessen II breite Aufmerksamkeit, als sich die gesamte Kreisliga weigerte gegen diesen anzutreten. Als Grund wurde „unfaires, sogar brutales Verhalten einzelner Spieler, Zuschauer sowie Offizieller“ genannt. Der Verband reagierte nicht auf den Boykott – Altenessen bekam jede Woche drei Punkte gutgeschrieben und wurde schließlich Meister. 13 Spielboykotts infolge von Gewalt auf dem Spielfeld sind deutschlandweit indes kein Einzelfall mehr.14 Und Gewalterfahrungen unter den Unparteiischen sind mitunter ein Grund für den zunehmenden Nachwuchsmangel bei Schiedsrichtern. Ihre Zahl sinkt seit Jahren und betrug 2020/21 nur etwa 44.800 Personen. 2006 waren es noch fast doppelt so viele: 81.000!15
II. Der Landtag stellt fest:
– Der Amateurfußball in Nordrhein-Westfalen wird maßgeblich von ehrenamtlich engagierten Menschen getragen. Dieses Engagement wird durch die zunehmenden Angriffe, Bedrohungen und Respektlosigkeiten gegenüber Schiedsrichtern und Ehrenamtlichen grundlegend gefährdet. Wir sind diesen Frauen und Männern, die ihre wertvolle Zeit in den Dienst der Sportförderung und der Gesellschaft stellen, zu Anerkennung und Dank verpflichtet.
– Brutale Angriffe und Beleidigungen gegen Unparteiische, die regelmäßig in Nordrhein-Westfalen vorkommen, haben im Sport und in unserer Gesellschaft keinen Platz und sind auf Schärfste zu verurteilen und zu ächten.
– Der organisierte Sport, Staat und Gesellschaft müssen jedem Versuch, die Grenzen des friedlichen und respektvollen Miteinanders verschieben zu wollen, durch konsequente rechtsstaatliche Bestrafung unmissverständlich entgegentreten. Bei schweren Gewalttaten muss auch der langfristige Ausschluss vom organisierten Sport möglich sein.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
– über die Landesinformationsstelle Sporteinsätze Lagebilder zu Straftätern im Zusammenhang mit Fußball in den nordrhein-westfälischen Amateurligen zu erstellen, der Öffentlichkeit vorzulegen und gemeinsam mit den Fußballverbänden regelmäßig auszuwerten;
– aus den daraus abgeleiteten Erkenntnissen Handlungskonzepte für den Spielbetrieb außerhalb der Bundes- und Regionalligen zu entwickeln, um geplanten Gewalttätigkeiten schon im Ansatz konsequent entgegentreten zu können;
– sich auf der entsprechenden Ebene für eine schnellere Aufnahme von bei Amateur-ligaspielen auffällig gewordenen Tätern in die Datei „Gewalttäter Sport“ einzusetzen;
– die Polizei anzuweisen, auch in Orten mit Problemvereinen der Amateurliga das bewährte Instrument der „szenekundigen Beamten“ einzusetzen und bei der Ermittlung von Tatverdächtigen auch die Möglichkeiten der Öffentlichkeitsfahndung zu nutzen;
– sich dafür einzusetzen, dass der von der Innenministerkonferenz mit Beschluss zum Tagesordnungspunkt 59 in der 211. Sitzung vom 4. bis 6. Dezember 2019 in Lübeck mit der Erstellung einer Rechtstatsachensammlung zu Straftaten im Zusammenhang mit Fußball unterhalb der 4. Liga beauftragte Arbeitskreis II (AK II) seine Ergebnisse der Öffentlichkeit vorlegt;
– Projekte wie „Miteinander! Für einen fairen Kinder- und Jugendfußball“ zu fördern und Initiativen zur Gewaltprävention zu verstetigen, um die Sportverbände bei ihren Aktivitäten gegen Gewalt wirksam zu unterstützen.
Andreas Keith
Markus Wagner
Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
und Fraktion
1 Vgl. htt ps:// w w w . w a z . d e / s p o r t / f u s s b a ll/alarmierende-zahlen-mehr-spielabbrueche-im-amateur-fussball-id236707155.html
2 Vgl. htt ps:/ / w w w . d f b . d e / n e w s / d e t a i l /dfb-lagebild-anstieg-an-spielabbruechen-245208/.
3 Vgl. htt ps:/ / w w w . f u s s b a l l d a t e n . d e / n e ws/3-ligaregionalligen/studie-vermeintliche-fehlentschei-dungen-haeufigste-ausloeser-von-spielabbrueche n – 4 1 8 5 9 3 c f /
4 Htt ps:/ / w w w . s p o r t s c h a u . d e / r e g i onal/rbb/rbb-spielabbrueche-sind-nur-die-spitze-des-eisbergs-100.html
5 Ebd.
6 Htt ps:/ / w w w . b i l d . d e / p o l i t i k / i n l a n d / politik-inland/deutschland-nach-der-silvester-schlacht-ent-setzen-ueber-die-gewalt-orgien-82422734.bild.html
7 Htt ps:/ / w w w . s p i e g e l . d e / p o l i t i k / d e u t schland/silvester-krawalle-nancy-faeser-raeumt-probleme-mit-gescheiterter-integration-ein-a-572c1f7c-0081-4fdf-aba3-d732d6784c98
8 Htt ps:// w w w . f a z . n e t / a k t u e l l / s p o r t / f u s s b a l l/krawalle-im-amateur-fussball-oft-durch-migran-ten-verursacht-13269445.html
9 Vgl. ebd.
10 Vgl. htt ps:/ / w w w . b z – b e r l i n . d e / a r c h i v – artikel/von-wem-geht-die-gewalt-gegen-die-schiedsrich-ter-im-fussball-aus
11 Vgl. htt ps:/ / t a z . d e / G e w a l t-gegen-Schiris/!5023385/
12 Htt ps:// I g – s c h I e d s r I c h t e r . d e / w p-content/uploads/2022/08/rechts-u_verfahren-sordnung_fvm_stand_01-07-2022.pdf (Stand 01.07.2022).
13 Vgl. ht tps:// w w w . s p i e g e l . d e / s p o r t / f u s sball/gewalt-in-kreisliga-keiner-will-gegen-altenessen-spie-len-a- 1 0 3 3 4 0 5 . h t m l
14 Vgl. htt ps:// w w w . t a g e s s p i e g e l . d e / s p o r t / r ote-karte-fur-den-dfb-5038705.html
15 Vgl. htt ps:/ / w w w . z d f . d e / n a c h r i c h t e n / d r e h s c h e ibe/fussball-gewalt-gegen-schiedsrichter-100.html