Schließung von Polizeiwachen in Nordrhein-Westfalen – Wie gefährdet ist die Sicherheit der Bürger?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1719

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Schließung von Polizeiwachen in Nordrhein-Westfalen Wie gefährdet ist die Sicherheit der Bürger?

„In Sicherheit zu leben, ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Aufgabe der Politik ist es, den Grundbedürfnissen der Menschen zu entsprechen. Daran fehlt es. Die Politik von Bund und Ländern ist auf dem besten Wege, das Thema innere Sicherheit ähnlich zu behandeln wie die Alterssicherung: Der Staat gewährt eine Grundsicherung – wer mehr will, soll sich privat darum kümmern. Wer nur die Grundsicherung gewährt, gefährdet den Rechtsstaat.“1

Mit diesen Worten warnte die Gewerkschaft der Polizei bereits Ende 2001 und wies darauf hin, dass die Polizei den Sicherheitsanspruch der Bürger zu erfüllen habe. Doch wie schaut die Entwicklung seitdem aus?

Übergriffe und extremistische Anschläge, Gewaltausbrüche in den Innenstädten sowie tatsächliche oder als solche wahrgenommene „No-Go-Areas“ erschüttern immer mehr das Sicherheitsgefühl der Bürger dieses Landes. Gleichzeitig hat ein schriftlicher Bericht des Ministers des Innern vom 1. März 2023 offenbart, dass in Nordrhein-Westfalen seit 2015 insgesamt 27 Polizeistandorte aufgegeben und mit bzw. an anderen Standorten zusammengelegt wurden.2

Dies geschah, „um zum Beispiel innerbehördliche Prozesse zu beschleunigen, Personaleinsätze effizienter zu gestalten oder die – auch direktionsübergreifende – Zusammenarbeit zu optimieren. Diese Synergieeffekte können in der jeweiligen KPB zu einem Abbau von Verwaltungsaufwand und damit zu mehr sichtbarer Polizei auf der Straße führen.“3

Fragwürdig ist dabei allerdings, wie die Aufgabe oder Zusammenlegung von Polizeistandorten zu einer Stärkung der Sicherheit vor Ort und zu einer effizienteren Polizeiarbeit beitragen. Alleine in Essen wurden insgesamt neun Polizeistandorte bzw. -wachen zusammengelegt.4 Ergebnis: Die Kriminalität in Essen ist im Jahre 2022 gestiegen. Annähernd 50.000 Straftaten hat die Polizei registriert.5

Aber auch in ländlichen Regionen, in denen die Anfahrtszeiten der Polizei zu einem Einsatzort zwangsweise länger sind, werden Standorte zentralisiert. So hat die Kreispolizeibehörde in Minden-Lübbecke zwei dezentrale Kriminalkommissariate in Bad Oeynhausen und Lübbecke geschlossen. Gleichzeitig wurden in den verbliebenen Standorten die Öffnungszeiten reduziert, sodass diese nicht mehr 24 Stunden am Tag besetzt sind.6

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. In welcher Form wirken sich die Schließungen und Zusammenlegungen von Polizeiwachen auf die Reaktions- und Anfahrtszeit der Polizei aus?
  2. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass sich durch die Schließungen und Zusammenlegungen von Polizeiwachen die Anfahrtszeiten der Polizei verlängern und so die Sicherheit der Bürger stärker gefährdet wird?
  3. Glaubt die Landesregierung durch die Schließung von Polizeiwachen das Sicherheitsgefühl der Bürger zu stärken?
  4. Kann die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen den Schließungen von Polizeiwachen und der massiv gestiegenen Kriminalität ausschließen?

Markus Wagner

 

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1 Vgl. https://www .gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/de_polizei_muss_sicherheitsanspruch_der_buerger_erfuellen.

2 Vgl. schriftlicher Bericht des Ministers des Innern vom 1. März 2023, Vorlage 18/919.

3 Ebenda.

4 Ebenda.

5 Vgl. https:// www .wa.de/essen/unwahrscheinlich-viele-messer-innenstadt-wird-zum-gewalt-hotspot-92104718.html.

6 Vgl. schriftlicher Bericht des Ministers des Innern vom 1. März 2023, Vorlage 18/919.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1719 mit Schreiben vom 24. Mai 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. In welcher Form wirken sich die Schließungen und Zusammenlegungen von Poli­zeiwachen auf die Reaktions- und Anfahrtszeit der Polizei aus?

Die polizeiliche Einsatzbewältigung in Nordrhein-Westfalen unterliegt vielfältigen Einflüssen und Veränderungen. Eine pauschale Aussage zu Auswirkungen der Schließungen und Zu­sammenlegungen von Polizeiwachen auf die Einsatzreaktionszeit ist nicht möglich. Bei einer möglichen Anpassung der Wachstandortstruktur werden auch Auswirkungen auf die Einsatz-reaktionszeit betrachtet und berücksichtigt. Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen wird in diesen Prozessen beteiligt und wirkt als fachaufsichtliche Instanz mit.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass sich durch die Schließun­gen und Zusammenlegungen von Polizeiwachen die Anfahrtszeiten der Polizei verlängern und so die Sicherheit der Bürger stärker gefährdet wird?

Zu dem in der Frage enthaltenen Umstand, dass Schließungen und Zusammenlegungen von Polizeiwachen eine Verlängerung der Anfahrtszeit zur Folge haben, liegen mir keine Informa­tionen vor. Eine Veränderung der Wachstandortstruktur kann durch freigesetzte Synergieeffekte oder verkehrsgünstigere Liegenschaften auch eine Verbesserung der Einsatzreaktions-zeit zur Folge haben.

  1. Glaubt die Landesregierung durch die Schließung von Polizeiwachen das Sicher­heitsgefühl der Bürger zu stärken?

Einer Wachstandortstrukturreform in einer Kreispolizeibehörde geht eine genaue Analyse der Sicherheitslage und -struktur voraus. In dieser werden Umstrukturierungserfordernisse be­leuchtet, geprüft und bewertet. Im Rahmen einer Wachstandortstrukturreform generierte Synergien können eine Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bürger zur Folge haben.

  1. Kann die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen den Schließungen der Polizeiwachen und der massiv gestiegenen Kriminalität ausschließen?

Die Entwicklung der polizeilich registrierten Kriminalität ist abhängig von einer Vielzahl unter­schiedlicher Faktoren, die deliktspezifisch variieren. Nicht auf alle Parameter kann die Polizei Einfluss nehmen. Hinsichtlich der Schließung einer Polizeiwache bleibt jedoch festzuhalten, dass diese nicht mit dem regionalen Abzug sämtlicher polizeilicher Einsatzmittel gleichzuset­zen ist. Vielmehr finden solche Aspekte Einfluss in taktische Überlegungen und werden regel­mäßig durch entsprechend angepasste Präsenzkonzepte ausgeglichen.

Nicht erst mit der Fachstrategie Gefahrenabwehr und Einsatzbewältigung setzt die Polizei Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung der Kriminalität im öffentlichen Raum einen Schwer­punkt bei der täglichen Arbeit auf Präsenz und einhergehende Kontrollen an öffentlichen Brennpunkten und Angsträumen. Die konkrete Ausgestaltung obliegt der jeweiligen Kreispoli­zeibehörde, wodurch die Kenntnisse über örtliche Gegebenheiten bestmöglich berücksichtigt werden können. Diese gezielte Präsenz findet durch die jeweiligen polizeilichen Einsatzmittel unmittelbar im Einsatzraum statt. Vor diesem Hintergrund liegen keine Hinweise vor, dass sich die Schließung einer Polizeiwache negativ auf die Kriminalitätsentwicklung auswirkt.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner