Kleine Anfrage 1746
der Abgeordneten Markus Wagner und Carlo Clemens AfD
Schüler als Schläger – Wie viele kriegen die Kurve und wie viele nicht?
Schulen in Nordrhein-Westfalen werden immer häufiger zu Orten, an denen Beleidigungen, Drohungen, Kriminalität und Gewalt herrschen. Insbesondere an Schulen, die in sozialen Brennpunkten einer Stadt liegen, ist dieses Problem festzustellen. Bei Schülern, die bereits in jungen Jahren nicht nur in der Schule zu Gewalt neigen, ist die Gefahr besonders hoch, dass sie auf die schiefe Bahn geraten. Das Präventionsprogramm „Kurve kriegen“, das vom Innenministerium initiiert worden ist, versucht, gerade solchen Minderjährigen zu helfen, aus der Gewaltszene herauszukommen.1
Das 2011 ins Leben gerufene Projekt startete in acht Modellregionen in Nordrhein-Westfalen und wurde mittlerweile auf mehr als 40 Standorte ausgeweitet. Seit Bestehen des Programms sollen Polizisten und Sozialarbeiter „mehr als 1.000 Minderjährige von der schiefen Bahn geholt“ haben.2
Jugendliche sind im Durchschnitt 13 Jahre alt, wenn sie in das Programm „Kurve kriegen“ kommen. Die Kosten belaufen sich im Jahr auf etwa 11.000 Euro pro Teilnehmer. Darüber hinaus kommt es auch vor, dass die öffentliche Hand sogar ein sogenanntes Elterncoaching für Elternteile bezahlt.3
Der Standort Duisburg blickt auf 180 Kinder und Jugendliche zurück, die in den letzten 11 Jahren an dem Projekt „Kurve kriegen“ teilgenommen haben. Aktuell werden 40 Teilnehmer betreut. Ein Polizist, der an dem Programm mitwirkt, spricht mit Blick auf die Erfolgsquote, von 50 Prozent, die die Kurve kriegen.4
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie hoch sind die finanziellen Kosten, die durch das im Jahre 2011 gestartete Präventionsprogramm „Kurve kriegen“ bis heute entstanden sind? (Bitte auch ins Verhältnis zu erfolgreichen und nicht erfolgreichen Teilnahmen pro Kopf setzen.)
- Welche einzelnen Programme beinhaltet das im Jahre 2011 gestartete Präventionsprogramm „Kurve kriegen“? (Bitte die Programme einzeln auflisten und die Anzahl der Teilnehmer sowie deren Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit [bei Deutschen die Vornamen und etwaige Mehrfachstaatsangehörigkeit] ausweisen.)
- Welche Erfolge und Misserfolge können die mehr als 40 Standorte seit ihrer Gründung des im Jahre 2011 gestarteten Präventionsprogramms „Kurve kriegen“ in Nordrhein-Westfalen bisher vorweisen? (Bitte nach Ort und Jahr einzeln auflisten und ins Verhältnis zu den Kosten pro Kopf stellen.)
- Wie hoch sind die Durchschnittskosten für sogenannte Elterncoachings?
- Zu wie vielen Straftaten durch ehemalige Teilnehmer von „Kurve kriegen“ ist es bis heute gekommen?
Markus Wagner
Carlo Clemens
1 Dahlkamp, Silvia: Kurve gekriegt, 2023, in: Streife, 01/2023.
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1746 mit Schreiben vom 30. Mai 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Wie hoch sind die finanziellen Kosten, die durch das im Jahre 2011 gestartete Prä-ventionsprogramm „Kurve kriegen“ bis heute entstanden sind? (Bitte auch ins Verhältnis zu erfolgreichen und nicht erfolgreichen Teilnahmen pro Kopf setzen.)
Berichtet wird zum Stichtag 31.12.2022:
Seit Beginn der Initiative im Jahr 2011 wurden in Nordrhein-Westfalen Haushaltsmittel in Höhe von 43.531.967 € für die in der Initiative „Kurve kriegen“ ausschließlich entstehenden externen Kosten (z. B. Pädagogische Fachkräfte und Maßnahmen) verausgabt.
- Welche einzelnen Programme beinhaltet das im Jahre 2011 gestartete Präventi-onsprogramm „Kurve kriegen“? (Bitte die Programme einzeln auflisten und die Anzahl der Teilnehmer sowie deren Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit [bei Deutschen die Vornamen und etwaige Mehrfachstaatsangehörigkeit] ausweisen.)
Vielfalt im Angebot und die Passgenauigkeit der entsprechenden Maßnahmen sind die Grundpfeiler der Initiative. Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte ist es, die kriminogenen Faktoren im Leben der jungen Menschen vollständig herauszuarbeiten und an diesen Ursachen individuell anzusetzen.
Daher gibt es keine speziellen Programme, derer sie sich bedienen, sondern es erfolgt ein Rückgriff auf die gesamte, jeweils lokale Angebotslage und ihre eigenen Kompetenzen. Im Ergebnis erhält jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ein persönliches, hochindividuelles und passendes Setting.
Mit Stichtag 31.12.2022 hatten 55 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Migrations-hintergrund, wobei die jeweilige Staatsangehörigkeit nicht statistisch erfasst wird. Die Altersspanne der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beträgt acht – 18 Jahre. 15 % waren weiblich.
- Welche Erfolge und Misserfolge können die mehr als 40 Standorte seit ihrer Gründung des im Jahre 2011 gestarteten Präventionsprogramms „Kurve kriegen“ in Nordrhein-Westfalen bisher vorweisen? (Bitte nach Ort und Jahr einzeln auflisten und ins Verhältnis zu den Kosten pro Kopf stellen.)
Jede verhinderte „Intensivtäterkarriere“ spart soziale Folgekosten in Höhe von etwa 1,7 Millionen Euro ein.5 Darüber hinaus weist eine Untersuchung der PROGNOS AG („Kosten-Nutzen-Analyse der kriminalpräventiven NRW-Initiative Kurve kriegen“ im Auftrag des Ministeriums für Inneres und Kommunales aus dem Jahr 2016) darauf hin, dass auch ein Abbruch der Teilnahme an „Kurve kriegen“ nicht mit Wirkungslosigkeit gleichzusetzen ist.6 Diese Untersuchungsergebnisse decken sich mit denen des langjährigen Controllings der Initiative, denn nur etwa 23 % aller Abbrecher werden nach dem Abbruch wieder so auffällig, dass sie als Intensivtäter eingestuft werden müssen.
- Wie hoch sind die Durchschnittskosten für sogenannte Elterncoachings?
Die systemische Arbeit, hier also die Einbeziehung von Sorgeberechtigten, um z. B. Erziehungskompetenzen zu steigern und nachhaltig den Erfolg der pädagogischen Arbeit zu sichern, ist wissenschaftlich unumstritten und wichtiger Bestandteil des Erfolges der Initiative.
Aufgrund der Heterogenität und Spezifität der Bedarfe in den teilnehmenden Familien, lässt sich hier keine abschließende Kostenaussage treffen. Durchschnittskosten für entsprechende Anbieter belaufen sich auf ca. 60-80 €/Stunde. Die bedarfsorientierte Dauer dieser Maßnahmen beläuft sich von wenigen Monaten bis hin zu einem Jahr und mehr.
- Zu wie vielen Straftaten durch ehemalige Teilnehmer von „Kurve kriegen“ ist es bis heute gekommen?
Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden die Daten ehemaliger Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht weiter administriert. Statistisch erfasst wird, ob Absolventinnen bzw. Absolventen oder Abbrecherinnen bzw. Abbrecher nach der Beendigung der Initiative wieder so auffällig werden, dass sie als Intensivtäter in entsprechende Programme aufgenommen werden müssen.