Schüsse auf Essener Synagoge – Sitzen die Drahtzieher im Iran?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 881
des Abgeordneten Markus Wagner vom 09.12.2022

Schüsse auf Essener Synagoge Sitzen die Drahtzieher im Iran?

Am Freitag, den 18. November 2022, meldeten Zeugen an der Alten Synagoge in Essen Ein­schusslöcher. Daraufhin stellte die Polizei vier Treffer aus einer scharfen Waffe fest, deren Projektile noch im Sicherheitsglas steckten. Die verständigten Ermittler setzten sogenannte Mantrailer-Hunde ein, die noch am Freitag eine Fährte an der Alten Synagoge aufnahmen. Diese endete an der etwa 700 Meter entfernten A 40. Am darauffolgenden Tag entdeckte die Polizei ebenfalls Beschädigungen an der Neuen Synagoge in Essen in Form von zwei Löchern in der Kupferhaut der Kuppel.1

Im Zuge der Ermittlungen nahm die Polizei einen polizeibekannten 35 Jahre alten Mann fest, der die deutsche und iranische Staatsbürgerschaft besitzt und als dringend tatverdächtig gilt. Dieser soll Mitte November versucht haben, einen Zeugen als Mittäter für einen Brandanschlag auf die Synagoge in Dortmund zu gewinnen. Dieser Zeuge, ebenfalls ein Iraner, sagte daraufhin bei der Polizei aus. Nach Medienberichten, die sich auf Aussagen des Innenministers Herbert Reul stützen, werde inzwischen wegen drei Anschlägen auf jüdische Einrichtungen im Ruhrgebiet ermittelt. So soll der 35-Jährige auch am späten Abend des 17. November 2022 einen Molotowcocktail auf die Hildegardis-Schule in Bochum geworfen haben. Diese grenzt unmittelbar an den rückwärtigen Teil der Bochumer Synagoge. Bei diesem Brandanschlag entstand ein Rußschaden an einem Fensterrahmen sowie ein Brandschaden an der offenen Styropordämmung des Gebäudes.2

Im Zuge der laufenden Ermittlungen verhärteten sich die Hinweise darauf, dass die Hinter­männer der Anschläge Kontakte in den Iran haben. Die Fahnder des Staatsschutzes gehen davon aus, dass sich eine Gruppe von radikalen Islamisten organisiert hat und weitere Angriffe auf Synagogen planen könnte. Als Folge dessen wird es neben dem sichtbaren Objektschutz vor Synagogen auch einen erhöhten Personenschutz für besonders gefährdete jüdische Würdenträger geben.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Vorfällen? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Findet eine kooperative Zusammenarbeit zwischen deutschen und iranischen Behörden statt, um die Ermittlungsarbeiten der Polizei in diesem Fall zu unterstützen? (Bitte nach Form und Umfang dieser Zusammenarbeit aufschlüsseln.)
  3. In welchem Umfang registriert der Verfassungsschutz eine vermehrte Kommunikation in Online-Chats diverser Plattformen, in denen es um die verübten Anschläge geht und/oder weitere gegebenenfalls angedacht sind? (Bitte nach Plattform aufschlüsseln.)
  4. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Gefahr für weitere Anschläge auf Gotteshäuser, insbesondere jüdische, in Nordrhein-Westfalen ein?

Markus Wagner

 

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1 Vgl. htt p s : / /www. B i l d.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-a k t u e l l/fahndungs durch bruch-fest nahme -nach-a n s c h l a g-auf-synagogen-in-e s s e n-82 05 76 48.bild.h t m l.

2 Ebenda.

3 Vgl. htt p s: / / www. B i l d .de/ r e g i o n a l /ruhrgebiet/ruhrgebiet-a k t u e l l/nrw-s y n a g o g e n-terror-verdacht-aus-dem-i r a n-erhaertet-sich-82 1 10 42 8.bild.h t m l


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 881 mit Schreiben vom 5. Januar 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Vorfällen? (Bitte Tatverdächtige, Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen deutscher Tatverdächtiger und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Das Ministerium der Justiz hat mir zur Beantwortung der Frage 1 den folgenden Beitrag über­sandt:

„Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (Generalbundesanwalt) hat die mit der Themenanmeldung angesprochenen Ermittlungen am 02.12.2022 übernommen. Er hat dem Ministerium der Justiz mitgeteilt, dass sich eine Aufteilung der Ermittlungen in zeitlich vor und nach der Übernahme liegende Teile verbiete und sie in Gänze in den Zuständigkeitsbereich des Generalbundesanwalts übergegangen seien.

Ergänzend hat der Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass für den Fall einer Erörterung der bis­lang gewonnenen Erkenntnisse in den Ausschüssen des Landtags eine Gefährdung des Un­tersuchungserfolgs nicht auszuschließen sei.

Mit Blick auf den vollständigen Übergang der Zuständigkeit auf den Generalbundesanwalt sieht die Landesregierung von weiteren Ausführungen ab.“

  1. Findet eine kooperative Zusammenarbeit zwischen deutschen und iranischen Be­hörden statt, um die Ermittlungsarbeiten der Polizei in diesem Fall zu unterstüt­zen? (Bitte nach Form und Umfang dieser Zusammenarbeit aufschlüsseln.)

Eine kooperative Zusammenarbeit findet zwischen den nordrhein-westfälischen Sicherheits­behörden und iranischen Behörden nicht statt.

Grundsätzlich ist das Bundeskriminalamt gemäß § 3 Absatz 1 BKAG (Gesetz über das Bun­deskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten) Nationales Zentralbüro der Bundesrepublik Deutschland für die Internatio­nale Kriminalpolizeiliche Organisation und nationale Stelle für Europol nach § 1 des Europol-Gesetzes. Eine weiterführende Beantwortung der Frage im Sachzusammenhang kann inso­fern nur durch das Bundeskriminalamt erfolgen.

  1. In welchem Umfang registriert der Verfassungsschutz eine vermehrte Kommuni­kation in Online-Chats diverser Plattformen, in denen es um die verübten An­schläge geht und/oder weitere gegebenenfalls angedacht sind? (Bitte nach Platt­form aufschlüsseln.)

Der Generalbundesanwalt hat die dieser Kleinen Anfrage zugrundeliegenden Ermittlungen am 02.12.2022 übernommen. Die Landesregierung sieht, wie bereits in Frage 1 erläutert, von wei­teren Ausführungen in diesem Zusammenhang ab, um den Untersuchungserfolg nicht zu ge­fährden. Auf die Vorlage 18/600 wird verwiesen.

Erhält der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz Kenntnis zu etwaigen Anschlagsplanun-gen, teilt er diese unmittelbar den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden mit. Dar­über hinaus kommt eine detaillierte Auskunft zur Kommunikation in Online-Chats diverser Plattformen in Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Land­tags und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beein­trächtigungen der Sicherheit des Landes Nordrhein-Westfalen nicht in Betracht, da Rück­schlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die Arbeitsweise des nord­rhein-westfälischen Verfassungsschutzes gezogen werden können. Dies würde die Funktions­fähigkeit des Verfassungsschutzes nachhaltig beeinträchtigen.

  1. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Gefahr für weitere Anschläge auf Got­teshäuser, insbesondere jüdische, in Nordrhein-Westfalen ein?

Erkenntnisse hinsichtlich eines möglichen unmittelbar bevorstehenden Anschlags gegen jüdi­sche Einrichtungen oder andere Gotteshäuser liegen den Sicherheitsbehörden aktuell nicht vor. Im Allgemeinen ist weiterhin von einer hohen abstrakten Gefährdungslage auszugehen.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner