Schützt das freie Internet! NRW stellt sich gegen Angriffe auf die Meinungsfreiheit im Netz.

Antrag
vom 08.02.2022

Antragder AfD-Fraktion vom 08.02.2022

 

Schützt das freie Internet! NRW stellt sich gegen Angriffe auf die Meinungsfreiheit im Netz.

I. Ausgangslage

Der Instant-Messaging-Dienst Telegram verbindet über eine halbe Milliarde Nutzer und ist nach WhatsApp der weltweit zweitgrößte vergleichbare Dienst der Welt. Neben dem Kerngeschäft des Instant-Messaging bietet die Anwendung eine Reihe von Funktionen, die sie mit sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook oder Instagram vergleichbar machen.

So können Bilder, Videos und sonstige Dateien verbreitet und große Gruppen oder Broadcast-Listen eingerichtet werden.

Im Gegensatz zu anderen Anbietern sozialer Netzwerke arbeitet der Betreiber von Telegram nicht mit staatlichen Stellen zusammen. Zensur und Abhörbemühungen durch Staaten wie Russland oder Iran liefen bisher stets ins Leere. In autokratisch geführten Ländern wie Weißrussland erfreut sich der Dienst daher bei Oppositionellen einer besonderen Beliebtheit.

Seitdem in Deutschland durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) systematisch in sozialen Netzwerken zensiert wird (insbesondere in den Netzwerken des Meta- und des Alphabet-Konzerns) und es mehr und mehr zum befürchteten „Overblocking“ kommt, wachsen die Nutzerzahlen auch hier stark an. Denn der Gesetzgeber hat einseitig Anreize dafür geschaffen, kritische oder kontroverse Inhalte zu löschen; dabei wird die Kontrolle der Rechtmäßigkeit solcher Inhalte nicht von unabhängigen oder staatlichen Stellen durchgeführt, sondern von den Anbietern selbst, denen zwar bei Nichtlöschung tatsächlich strafbarer Inhalte hohe Strafen drohen, nicht aber für das Löschen rechtmäßiger Inhalte.

Überdies werden als Vorwand für die Löschung vermehrt die gesetzlich nicht definierten Begriffe „Hassrede“, bzw. „Hass und Hetze“ verwendet. Die im Jahre 2020 beginnende Corona-Politik hat die Lage erneut verschärft: In vorauseilendem Gehorsam versehen die großen Netzwerke Facebook, Instagram und YouTube automatisiert alle Inhalte, die sich mit dem COVID 19-Virus und/oder Impfungen beschäftigen, mit vermeintlichen „Warnhinweisen“ und verweisen in diesem Zusammenhang auf Veröffentlichungen staatlicher Stellen.

Benutzer, die sich kritisch mit der Coronapolitik, bzw. Impfstoffen und deren Nebenwirkungen auseinandersetzen, werden mit einer ganzen Reihe von Sanktionen belegt, gegen die sie sich häufig nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zur Wehr setzen können.

Naturgemäß hat der Anbieter Telegram, der derlei Eingriffe in die Meinungsfreiheit und -vielfalt kategorisch ablehnt, in diesem Zusammenhang an Attraktivität gewonnen und bietet insbesondere Personenkreisen, die sich kritisch mit staatlichen Zwangsmaßnahmen im Rahmen der Coronapolitik auseinandersetzen, eine Möglichkeit, sich auszutauschen.

Dem Antragsteller liegt es dabei fern, zu behaupten, dass Telegram – wie nahezu jedes Kommunikationsmittel – nicht auch für rechtswidrige und strafbare Aktivitäten genutzt wird. Ähnlich wie im Post- und Telefonverkehr, aber auch bei der Nutzung von E-Maildiensten, Messengern und/oder sozialen Medien, kann ein Missbrauch nie ausgeschlossen werden. Allerdings würde deshalb wohl niemand – zumindest niemand in einem freiheitlichen Rechtsstaat – auf die Idee kommen, Telefone oder Briefe zu verbieten. Auch die reine Überwachung solcher Kommunikationswege unterliegt äußerst strengen rechtlichen Restriktionen.

Umso leichtfertiger und damit gefährlicher erscheint vor diesem Hintergrund der Umgang staatlicher deutscher Stellen mit Telegram.

Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer (CDU) merkte an, dass in Telegram-Gruppen „Propaganda, Zersetzung und Demagogie“ verbreitet würden und dass diese damit „staatsgefährdend“ wirken.1 Er bedient sich dabei nicht nur der Sprache autoritärer Staaten, er kritisiert auch Sachverhalte, die in keiner Weise rechtswidrig sind. Propaganda, Zersetzung und Demagogie mag der sächsische Ministerpräsident ablehnen, strafbar sind sie allerdings nach deutschem Recht nicht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wiederum drohte Telegram sogar mit „Abschaltung“ in Deutschland, musste allerdings diese Forderung zwischenzeitlich wieder zurücknehmen.

Das FDP-Mitglied Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz, droht dem in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen Anbieter mit empfindlichen Bußgeldern, sollte er sich nicht an das deutsche NetzDG halten – ein Gesetz, das seine eigene Partei angeblich ablehnt.

Das alles genügt NRW-Innenminister Reul (CDU) offenbar noch nicht: In einem WAZ-Interview forderte er die Bundesregierung auf, eine „Antwort im Umgang mit Telegram“ zu finden, da das NetzDG offenbar nicht greife.2

Selbstverständlich ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im Netz begangen werden, sind ebenso zu verfolgen wie alle anderen Straftaten. Allerdings erscheint der besondere Eifer, den die etablierte Politik hier an den Tag legt, doppelzüngig; denn offenbar beschränken sich die Bemühungen auf ausgewählte Ideologien. So kann das Portal „indymedia“ seit Jahren problemlos erreicht werden – Lösch- oder Sperrbemühungen staatlicher Stellen finden nicht statt, und das, obwohl auf dem Portal unverhohlen zu Straftaten aufgerufen wird und Straftäter nach dem Begehen von Delikten sogar glorifiziert werden. Offenbar genügt es, wenn die Täter links sind und die Opfer vermeintlich oder tatsächlich rechts, um den Verfolgungseifer deutscher staatlicher Stellen vollends erlahmen zu lassen.

Eine Politik allerdings, die selektiv die Verbreitung von Meinungen verbieten will, nur weil sie einem bestimmten politischen Spektrum zuzuordnen sind, ist unglaubwürdig und einer freiheitlichen Demokratie unwürdig. Sie passt allerdings in die erschreckende Erosion von Grundrechten, die Deutschland spätestens seit dem Jahre 2020 erlebt. NRW muss sich dieser Entwicklung entschlossen entgegenstellen und die Meinungsfreiheit, als Kern einer jeden Demokratie, bewahren helfen.

II. Der Landtag stellt fest:

  • Die Freiheit der Meinungsäußerung ist Kern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und darf nicht ausgehöhlt werden.
  • Kritik an der Regierung und ihrer Politik ist nicht „staatsfeindlich“, sondern vornehmstes Recht unserer Bürger.
  • Die Digitalisierung und die weite Verbreitung des Internets haben die Meinungsfreiheit und -vielfalt erfreulicherweise gefördert.
  • Das Internet ist kein rechtsfreier Raum: Straftaten, die dort begangen werden, müssen durch staatliche Stellen entschlossen bekämpft werden.

III. Der Landtag beschließt:

  • Die Landesregierung wird aufgefordert, sich für eine Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) einzusetzen.
  • Solange das NetzDG besteht, wird die Landesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, Benutzern, eine verpflichtende und unktionierende Widerspruchsmöglichkeit durch den Netzwerkbetreiber zur Verfügung zu stellen, wenn von ihnen eingestellte Inhalte widerrechtlich gesperrt oder gelöscht wurden.
  • Die Landesregierung wird aufgefordert, alle Bemühungen, den Netzwerkanbieter Telegram zu sperren oder den Zugang zu ihm zu erschweren, zu unterlassen und bei der Bundesregierung auf eine solche Unterlassung hinzuwirken.

Sven W. Tritschler
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://web.de/magazine/politik/plattform-radikale-politik-telegram-visier-36430360

2 https://www.waz.de/politik/landespolitik/tanzen-spaziergaenger-der-polizei-auf-der-nase-herr-reul-id234289543.html