Kleine Anfrage 6550der Abgeordneten Markus Wagner und Andreas Keith vom 07.04.2022
Schutzbauwerke und Luftschutzanlagen in Nordrhein-Westfalen
Die jahrzehntelange Friedensphase in Europa wurde durch den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und die damit verbundene kriegerische Auseinandersetzung beendet.
Europa befindet sich in unsicheren Zeiten, und der Ukrainekrieg löst bei vielen Menschen Verunsicherung aus. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geht zwar davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, „dass Deutschland vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts in der Ukraine einem Luftangriff ausgesetzt sein wird“. Dennoch bleibt es eine vage Option.
Gleichzeitig räumt das BBK aber auch ein, dass es keine „öffentlichen Schutzräume wie z. B. Luftschutzbunker“ mehr gibt. Denn im Jahre 2007 haben Bund und Länder gemeinsam beschlossen, die öffentlichen Schutzräume nicht weiter zu erhalten. Grund dafür: Der Fall der Mauer und die Beendigung des Ost-West-Konflikts. Als Schutzräume dienen heute lediglich Tiefgaragen und U-Bahnhöfe.1
Einst besaß NRW 467 Hochbunker, von denen bereits 84 verkauft und 116 vermietet wurden sowie weitere 53 verkauft werden sollen.2 Auch die insgesamt 94 voll- und teilgeschützten Hilfskrankenhäuser, die einen Grundschutz u. a. vor herabfallenden Trümmern, radioaktiven Niederschlägen und Schutz vor chemischen und biologischen Kampfstoffen boten, existieren in dieser Form nicht mehr.3
Wir fragen die Landesregierung:
- Tiefgaragen und U-Bahnhöfe sind Schutzeinrichtungen in Großstädten mit einem vergleichbaren Schutzcharakter wie Bunkeranlagen. Wie beurteilt die Landesregierung die Sicherheit dieser bunkerähnlichen Schutzeinrichtungen mit Hinblick auf die allgemeinen Gefahren (Massenpanik, einstürzende Ein-gänge, mangelnde Luftzufuhr etc.)?
- Welchen zivilen Luftschutz bietet die Landesregierung der Landbevölkerung, welche über keine vergleichbaren Schutzeinrichtungen (Tiefgaragen und U-Bahnhöfe), wie in den Großstädten, verfügt?
- Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Bürger beim Ertönen der Sirene wissen, was zu tun ist?
Markus Wagner
Andreas Keith
1 Vgl. https://www.wp.de/staedte/siegerland/ukrainekrieg-bunker-in-siegen-so-ist-die-lage-id234958723.html
2 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/zivilschutz-nrw-neu-ordnen-100.html.
3 Vgl. https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Risikomanagement/Baulicher-Bevoelkerungsschutz/Schutzbauwerke/Oeffentliche-
Schutzraeume/schutzr%C3%A4ume_node.html
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 6550 mit Schreiben vom 4. Mai 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet.
- Tiefgaragen und U-Bahnhöfe sind Schutzeinrichtungen in Großstädten mit einem vergleichbaren Schutzcharakter wie Bunkeranlagen. Wie beurteilt die Landesregierung die Sicherheit dieser bunkerähnlichen Schutzeinrichtungen mit Hinblick auf die allgemeinen Gefahren (Massenpanik, einstürzende Eingänge, mangelnde Luftzufuhr etc.)?
- Welchen zivilen Luftschutz bietet die Landesregierung der Landbevölkerung, welche über keine vergleichbaren Schutzeinrichtungen (Tiefgaragen und U-Bahnhöfe), wie in den Großstädten, verfügt?
- Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Bürger beim Ertönen der Sirene wissen, was zu tun ist?
Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Der Schutz der Bevölkerung, ihrer Wohnungen und Arbeitsstätten, lebens- oder verteidigungswichtiger ziviler Dienststellen, Betriebe, Einrichtungen und Anlagen sowie des Kulturguts (Zivilschutz) ist nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG Aufgabe des Bundes. Eine Zuständigkeit des Landes besteht diesbezüglich nicht.
Zum Zivilschutz zählt gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) neben anderen Aufgaben auch der so genannte Schutzbau, also die Bereitstellung von Schutzplätzen gegen Kriegseinwirkungen. Dies umfasst neben der Planung und dem Bau von Schutzräumen auch die Bewertung einer Schutzwirkung anderer Bauwerke wie privater Kellerräume oder Tiefgaragen, unterirdischer Verkehrsanlagen etc.
Bund und Länder haben im Jahr 2007 einvernehmlich die Vorhaltung von öffentlichen Schutzbauwerken für die Bevölkerung aufgegeben, da sie nach damaliger Bewertung keinen ausreichenden Schutz mehr vor den im Kriegsfall drohenden Gefahren bieten. Diese Einschätzung wird derzeit einer Überprüfung durch den Bund unterzogen. Das Rückabwicklungskonzept der Schutzräume durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wurde daher gestoppt und eine Bestandsaufnahme der Schutzräume in Nordrhein-Westfalen eingeleitet.
Welche Schlüsse der Bund für die Zukunft des Schutzbaus in der Bundesrepublik Deutschland aus den Ergebnissen dieser Bestandsaufnahme bzw. einer Neubewertung der Situation ziehen wird, ist der Landesregierung nicht bekannt. Ebenso ist unbekannt, ob und welche differenzierten Strategien für urbane Ballungszentren oder ländliche Räume gelten werden.
Die Kenntnis der Bevölkerung über die Bedeutung von Sirenensignalen im Gefahrfall ist ein wichtiger Baustein der Warnung vor Gefahren, sowohl im Frieden als auch im Verteidigungsfall. Die Landesregierung führt hierzu Warntage, Katastrophenschutztage sowie Sirenenprobealarme durch, die jeweils durch entsprechende Informationskampagnen begleitet werden. Wie die allgemeinen Kenntnisse der Bevölkerung über die richtige Vorbereitung auf und das richtige Verhalten bei Krisen gestärkt werden können, ist Gegenstand aktueller Prüfungen, u.a. im Kontext der Aufarbeitung der Flutkatastrophe vom Sommer 2021.