Sechsjähriger zu Sprung von Empore gedrängt – Täter nur neun und zehn Jahre alt!

Kleine Anfrage
vom 01.08.2023

Kleine Anfrage 2230

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Sechsjähriger zu Sprung von Empore gedrängt Täter nur neun und zehn Jahre alt!

Am Donnerstag, den 15.06.2023, alarmierten Passanten am Gelsenkirchener Bahnhof die Polizei und machten auf ein verletztes Kind aufmerksam. Erst durch das spätere Betrachten der Videoaufzeichnungen wird die „erschreckende Vorgeschichte“1 deutlich. Dort soll zu sehen sein, wie zwei Jungen im Alter von neun und zehn Jahren zuerst versucht haben den Sechsjährigen über das Geländer der Empore zu werfen, was ihnen laut Angaben der Bundespolizei jedoch nicht gelang. Im weiteren Verlauf sei zu erkennen, dass der Jüngere von den beiden anderen zum Sprung genötigt wurde. Durch den Sturz soll sich das Kind so schwer verletzt haben, dass es im Nachhinein von den Eltern ins Krankenhaus gebracht wurde. Ersten Einschätzungen zufolge habe er sich womöglich das Handgelenk gebrochen. Nachdem der Verletzte zu schreien begann, alarmierten Beistehende die Polizei. Bei deren Eintreffen stand der neunjährige Junge bei dem Verletzten und teilte den Beamten mit, dass dieser von der Empore gesprungen sei. Erst nach Sichtung des Videomaterials wurde klar, dass er nicht freiwillig heruntersprang. Überdies wurde laut Bundespolizei das Jugendamt über den Vorfall informiert.2

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wo waren sowohl die Eltern des Opfers als auch die Eltern der Täter zum Zeitpunkt der Tat?
  3. Wie viele Gewaltverbrechen wurden in Gelsenkirchen seit 2015 von Minderjährigen im Alter unterhalb der Grenze der Strafmündigkeit verübt? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  4. Wie viele dieser Fälle fanden auf öffentlichen Plätzen statt? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  5. Welche strafrechtlichen Konsequenzen sind für die neun bzw. zehn Jahre alten Kinder bzw. deren Eltern zu erwarten?

Markus Wagner

 

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1 https:// www .welt.de/vermischtes/kriminalitaet/article245904632/Gelsenkirchen-Kinder-sollen-Sechsjaehrigen-zu-Sprung-von-Empore-im-Bahnhof-genoetigt-haben.html.

2 Ebenda.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 2230 mit Schreiben vom 28. August 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Als Datenbasis für die Beantwortung der Fragen 3 und 4 dient die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Polizeiliche Kriminalsta­tistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffent­licht wird.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen der Tat­verdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vor­namen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wo waren sowohl die Eltern des Opfers als auch die Eltern der Täter zum Zeitpunkt der Tat?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen hat dem Ministerium der Justiz unter dem 04.08.2023 berichtet, bei ihrer Behörde sei ein Verfahren gegen einen zehnjährigen bulgari­schen und einen neunjährigen deutschen Staatsangehörigen wegen des Tatvorwurfs der ge­fährlichen Körperverletzung anhängig gewesen. Ausweislich der dort gespeicherten Verfü­gung vom 01.08.2023 sei das Verfahren gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung mit Blick auf die Schuldunfähigkeit (Strafunmündigkeit) der Kinder nach § 19 des Strafgesetz­buchs eingestellt worden. Angaben zum Tathergang und zum Aufenthaltsort der Eltern der Täter und des Opfers seien derzeit nicht möglich, da die Akte mit Verfügung vom 01.08.2023 zur Kenntnisnahme an das Jugendamt der Stadt Gelsenkirchen übersandt worden sei.

Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat dem Ministerium der Justiz am 16.08.2023 ergänzend berichtet, die Akte sei bislang noch nicht in den Rücklauf gelangt.

Von der Mitteilung weiterer personenbezogener Angaben einschließlich etwaiger strafrechtli­cher Vorerkenntnisse zu den kindlichen Beschuldigten wird unter Abwägung des parlamenta­rischen Informationsinteresses mit den allgemeinen Persönlichkeitsrechten der (strafunmün­digen) Kinder und mit Blick auf die Unschuldsvermutung abgesehen.

  1. Wie viele Gewaltverbrechen wurden in Gelsenkirchen seit 2015 von Minderjähri­gen im Alter unterhalb der Grenze der Strafmündigkeit verübt? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität auf­schlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fälle werden nicht nach Vergehen und Ver­brechen im juristischen Sinne unterschieden. Eine Auswertung der Polizeilichen Kriminalsta­tistik nach Gewaltverbrechen ist daher nicht möglich.

Zur Beantwortung der Frage erfolgt eine Auswertung des Summenschlüssels „892000 Gewalt­kriminalität“, der die Delikte Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung, se­xuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall, einschließlich mit Todes­folge, Raub, räuberische Erpressung mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer, Körperverlet­zung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme sowie Angriff auf den Luft- und See­verkehr umfasst.

Vom 01.01.2015 bis 31.12.2022 wurden 324 Fälle der Gewaltkriminalität, bei denen mindes­tens eine tatverdächtige Person unter 14 Jahre war, für den Statistikbereich der Stadt Gelsen­kirchen in der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen erfasst.

  1. Wie viele dieser Fälle fanden auf öffentlichen Plätzen statt? (Bitte nach Jahr und Delikt sowie nach Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität auf­schlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Die Tatörtlichkeit in der Polizeilichen Kriminalstatistik erläutert den Ort, an dem die tatverdäch­tige Person gehandelt hat. Für die Auswertung wurden die Tatörtlichkeiten „Straße, Platz au­ßerhalb geschlossener Ortschaften“ und „Straße, Platz innerhalb geschlossener Ortschaften“ herangezogen. Die Auswertung nach Tatörtlichkeit ist erst seit 2019 möglich.

Vom 01.01.2019 bis 31.12.2022 wurden insgesamt 207 Fälle der Gewaltkriminalität für den Statistikbereich der Stadt Gelsenkirchen in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Zu 53 dieser Fälle wurden die Tatörtlichkeiten „Straße, Platz außerhalb geschlossener Ortschaften“ und „Straße, Platz innerhalb geschlossener Ortschaften“ mit mindestens einer tatverdächtigen Person unter 14 Jahren erfasst.

  1. Welche strafrechtlichen Konsequenzen sind für die neun bzw. zehn Jahre alten Kinder bzw. deren Eltern zu erwarten?

Nach dem vorgenannten Bericht der Leitenden Oberstaatsanwältin in Essen sei Vorausset­zung für strafrechtliche Konsequenzen zumindest das Vorliegen eines hinreichenden Tatver­dachts. Hinsichtlich der Kinder fehle es jedoch bereits wegen des ersichtlichen Prozesshinder­nisses an einem Anfangsverdacht für eine verfolgbare Straftat. Bezüglich der Eltern seien dem in der Kleinen Anfrage bezeichneten Sachverhalt zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten nicht zu entnehmen.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Markus Wagner