Setzt sich die Nilgans gegen unsere heimischen Vogelarten durch?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 925
des Abgeordneten Zacharias Schalley vom 21.12.2022

Setzt sich die Nilgans gegen unsere heimischen Vogelarten durch?

Die Nilgans (alopochen aegyptiaca) stammt ursprünglich aus der Subsahara und wurde im 18. Jahrhundert zu Schauzwecken in den Niederlanden eingeführt. Im Zuge einer unkontrollierten Befreiung wurde sie in Westeuropa zur invasiven Art; mittlerweile hat sich die Nilgans im Gros des Bundesgebiets angesiedelt. Nordrhein-Westfalen ist unter den deutschen Bundesländern vorrangig von diesem Neophyt betroffen. Neben Städten wie Köln, Düsseldorf und Duisburg ist der Schwerpunkt der Ausbreitung am Niederrhein zu verorten.1

Ökologen berichten, dass die Nilgans „sehr konkurrenzkräftig und vor allem aggressiv anderen Arten gegenüber“ ist.2 Dabei vertreibt sie nicht nur unmittelbare Konkurrenten, wie die Graugans, die vielerorts bereits der Nilgans weichen musste, sondern auch Greifvögel und Störche aus ihren Nestern. Auch der bereits stark gefährdete heimische Rotmilan wird von der durchsetzungsfähigen Nilgans vertrieben.

Im Vergleich zu heimischen Wasservögeln kann bei der Nilgans nicht nur eine hohe Aggressivität, sondern ebenfalls eine gering ausgeprägte Scheu wahrgenommen werden. Es wird beispielsweise mitunter berichtet, dass sie sich in Grünanlagen, Spielplätzen und Parks an den Speisen der Passanten bedient.3

In Nordrhein-Westfalen fällt die Nilgans aufgrund des immensen Vorkommens unter das Jagdgesetz. Die Zahl der erlegten Tiere betrug im Jahr 2013 380 und ist bis 2019 auf 2.030 gestiegen.4 Die Umsetzung der Jagd wird jedoch dadurch erschwert, dass die Nilgans grundsätzlich nur von Juli bis Januar erlegt werden darf, in großen Gebieten des Landes sogar lediglich bis Oktober.5 In einer solch kurzen Jagdzeit von drei bis sechs Monaten ist der Bestand nicht effektiv zu bekämpfen.

Mittlerweile haben mehrere Kommunen die Eigeninitiative ergriffen: In Duisburg beispielsweise werden Eier der Nilgans manuell aus Nestern entnommen, damit die Art sich nicht unkontrolliert ausbreitet.6

Trotz dieser Maßnahmen prägt die invasive Art weiterhin das Bild der städtischen Grünanlagen und Gewässer in Nordrhein-Westfalen.

Vor diesem Hintergrund frage ich:

  1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zur Populationsentwicklung der Nilgans in NRW vor? (bitte Differenzierung nach Regionen, sofern möglich)
  2. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zu den Auswirkungen der Ausbreitung der Nilgans auf NRWs autochthone Arten vor, insbesondere mit Hinblick auf gefährdete Arten? (bitte Differenzierung nach Art und Regionen, sofern möglich)
  3. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zum Gefahrenpotential der Nilgänse auf Menschen und Haustiere vor?
  4. Welche unterstützenden oder eigenständigen Maßnahmen hat die Landesregierung in den letzten 10 Jahren ergriffen, um die Nilganspopulation in NRW reduzieren?
  5. Zieht die Landesregierung zur Förderung der Nilgansbekämpfung jagdrechtliche Maßnahmen in Anbetracht, wie z.B. die Lockerung der Schonzeit oder private Jagdprämien?

Zacharias Schalley

 

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1    Htt p s : / /www.j a g d v e r b a n d .de/zahlen-fakten/tier steck briefe/nilgans-a l o p o c h e n-aegyptiacus

2    Htt p s : / / www. M d r .de/wissen/u m w e l t/gaense-invasive-a r t e n100.h t m l

3    Htt p s: / /www. W e l t .de/regionales/nrw/ a r t i c l e 23 32 36 40 9/Gaenseplage-in-NRW-So-gehen-die-Staedte-gegen-die-ungeliebten-V o e g e l-vor.h t m l

4    Htt p s: / /www. S w r f e r n s e h e n .de/landesschau-rp/gut zu wissen/av – o11 644 57-100.h t m l

5    Htt p s : / / recht. N r w .de/lmi/owa/br_ bes _text ? anw _nr= 2&gld _nr= 7&ug l_nr =792 &bes _id =30 604 &aufgehoben=N & menu=1 & sg=2

6    Htt p s : / /www. W e l t.de/regionales/nrw/ a r t i c l e 2 3 3 2 3 6 4 0 9 /Gaenseplage-in-NRW-So-gehen-die-Staedte-gegen-die-u n g e l i e b t e n-Voegel-vor.html


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 925 mit Schrei­ben vom 23. Januar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Neozoen sind Tierarten, die durch den Menschen über geographische Barrieren hinweg in Gebiete gebracht werden, in denen sie natürlicherweise nicht vorkommen. Unter den neozoi-schen Vogelarten ist in Deutschland keine Art, die unsere heimische Vogelwelt ernsthaft ge­fährdet. Dennoch gibt es mehrere Arten bei uns, die mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über invasive gebietsfremde Arten von der Europäischen Kommission den Status einer invasiven gebietsfremden Art von unionsweiter Bedeutung erhalten hat. Das wichtigste Instrument der Verordnung ist die rechtsverbindliche „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“, die für die gelisteten Arten ein Verbot von Einfuhr, Haltung, Zucht, Transport, Erwerb, Verwendung, Tausch und Freisetzung festlegt. Aktuell hat Deutschland nach Art. 16 der Verordnung die Verpflichtung zur Früherkennung und sofortigen Beseitigung für Arten der Unionsliste, die sich in Deutschland erst in einer sog. „frühen Phase der Invasion“ befinden und sich noch nicht etabliert haben. Dies trifft aktuell auf die Arten Schwarzkopf-Ruderente, Hirtenmaina und Heiliger Ibis zu. Die Nilgans befindet sich aber nicht mehr in einer frühen Phase der Invasion, sondern ist bereits weit verbreitet und in fast allen Bundesländern etabliert.

  1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zur Populationsentwicklung der Nilgans in NRW vor? (bitte Differenzierung nach Regionen, sofern möglich)

Für das 17. Jahrhundert sind die nördlichsten Bruten aus Ungarn und Bulgarien bekannt. Die Ausbreitung erfolgte für Nordrhein-Westfalen von den Niederlanden und Belgien aus. 1994 gab es in den Niederlanden bereits über 1.000 Brutpaare. Die ersten Freilandbruten in Nord­rhein-Westfalen erfolgten in den 1980er Jahren, danach erfolgte eine Ausbreitung entlang der großen Flüsse. Ende der 1990er Jahre wurde der nordrhein-westfälische Bestand auf etwa 200 Brutpaare geschätzt. Das Wissen über die aktuelle Populationsgröße und -dichte ist für Nordrhein-Westfalen noch sehr lückenhaft. Aktuell kommt die Nilgans in allen Landesteilen Nordrhein-Westfalens vor. Ihre Dichte ist in den Mittelgebirgen erheblich geringer als im Flach­land. Aufgrund guter Lebensraum- und Nahrungsangebote tritt sie auch im innerstädtischen Bereich auf. Wegen des geringen Wissens um die Populationsentwicklung in Nordrhein-West­falen wurden im Auftrag der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung von 2007 bis 2012 187 Nilgänse in NRW beringt. Aufgrund der bis heute über 1.000 Wiederfunde konnten erste Einblicke über ihre sog. Streuungswanderungen (Wanderungen ohne eine be­vorzugte Zugrichtung) gewonnen werden. Aus derartigen Beringungsdaten konnte 2005 eine Arealausbreitung mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 Kilometern pro Jahr geschätzt wer­den. Insgesamt zeigt die Nilgans aktuell eine enorme Arealausweitung von Nordwest- nach Mitteldeutschland und Dänemark. Nach aktuellen Schätzungen der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft ergibt sich für Nordrhein-Westfalen unter Würdigung der Ergebnisse der Wasservogelzählungen ein Maximalbestand von etwas mehr als 7000 Nilgänsen, der sich im Winter vermutlich halbiert.

  1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zu den Auswirkungen der Aus­breitung der Nilgans auf NRWs autochthone Arten vor, insbesondere mit Hinblick auf gefährdete Arten? (bitte Differenzierung nach Art und Regionen, sofern mög­lich)

Die Nilgans verhält sich wie viele Wasservögel ausgeprägt territorial und insbesondere wäh­rend der Brut- und Aufzuchtzeit auch aggressiv. Sie hält andere Wasservögel (z.B. Stocken­ten, Brandgänse, Kanadagänse, Graugänse oder Blesshühner) von ihrem Nistplatz fern und kann beispielsweise die Küken von Stockenten töten.

Nilgänse nutzen als Baumbrüter mit einer ausgeprägten Brutplatztreue auch Greifvogelhorste oder Nestanlagen von Rabenvögeln für ihr eigenes Brutgeschäft. Zur Auswirkung auf autoch­thone Arten in Nordrhein-Westfalen liegen bislang keine ausreichenden Erkenntnisse vor. Es besteht hier weiterer Forschungsbedarf.

  1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zum Gefahrenpotential der Nil­gänse auf Menschen und Haustiere vor?

Der Landesregierung liegen keine Kenntnisse über Gefahren für Menschen oder Haustiere durch die Nilgans vor. Elterntiere verteidigen ihre Jungen z.B. auch gegen freilaufende Hunde. Bei größeren Ansammlungen von Nilgänsen sind als Folgen die Eutrophierung von Gewäs­sern, hygienische Probleme wie zum Beispiel die Verkotung von Liegewiesen sowie landwirt­schaftliche Schäden möglich, welche aber nicht höher sind als bei anderen Gänsearten. Fer­ner kann die Nilgans die Aviäre Influenza, die sog. Geflügelpest – eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die ihren natürlichen Reservoirwirt in wilden Wasservögeln hat – übertra­gen.

  1. Welche unterstützenden oder eigenständigen Maßnahmen hat die Landesregie­rung in den letzten 10 Jahren ergriffen, um die Nilganspopulation in NRW reduzie­ren?

Bereits im November 2006 wurde die Nilgans in Nordrhein-Westfalen zu Wild mit einer durch­gängigen Jagdzeit vom 1. August bis zum 15. Januar erklärt. In der Folge wurden ab dem Jahr 2010 die Jagdzeiten der Sommergänse vereinheitlicht und nochmals ausgeweitet (16. Juli bis 31. Januar). Abgesehen von einzelnen, befristeten Schonzeitaufhebungen zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden blieb die Nilganspopulation bis dahin praktisch unbejagt.

Eine Reduktion findet seit 2010 im Rahmen der landesweiten Bejagung statt. Sie verlangsamt die weitere Zunahme der Nilgans. Erlegt werden aktuell pro Jahr Nilgänse in der Größenord­nung von 12.000 Tieren (Jagdjahr 2021/2022: 12.346). Lokale Entnahmen zum Schutz ge­fährdeter Populationen heimischer Arten sind weder bekannt noch geplant.

  1. Zieht die Landesregierung zur Förderung der Nilgansbekämpfung jagdrechtliche Maßnahmen in Anbetracht, wie z.B. die Lockerung der Schonzeit oder private Jagdprämien?

Nein.

 

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