Kleine Anfrage 1786
der Abgeordneten Carlo Clemens, Dr. Hartmut Beucker und Sven W. Tritschler
Sexualisierte Tanzaufführung an Grundschule in Köln-Mülheim
Laut einem Pressebericht1 fand in der ersten Woche nach den diesjährigen Osterferien im Musikraum einer Grundschule in Köln-Mülheim eine Tanzaufführung unter dem Namen „Dornröschen Kiss“ statt, in der zwei Darsteller auf der Bühne Zungenküsse austauschten und sich gegenseitig Füße und Nacken ableckten. Im Publikum saßen Erst- bis Viertklässler. Nach Protesten von Eltern erklärte die Schulleitung, die Grundschüler waren als „Probepublikum“ vorgesehen; Reaktionen sollten getestet werden. Besagte „Partizipative Performance für Kinder und Erwachsene ab 6 Jahren“2 wird u. a. vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Kunststiftung NRW gefördert.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung besagten Vorfall an einer Grundschule in Köln, insbesondere aus pädagogischer Sicht?
- Inwieweit sind der Landesregierung weitere Auftritte besagter Produktion an nordrhein-westfälischen Schulen bekannt? (Bitte aufschlüsseln nach Datum und Schulstandort)
- Welche Summe an Fördergeldern hat besagte Produktion seit 2020 bis heute durch das Land Nordrhein-Westfalen erhalten?
- Aufgrund welcher Kriterien hält die Landesregierung besagte Produktion für förderwürdig?
- Nach welchen Prüfkriterien stellt die Landesregierung sicher, dass sexualisierte Inhalte durch externe Produktionen an nordrhein-westfälischen Grundschulen künftig ausbleiben?
Carlo Clemens
Dr. Hartmut Beucker
Sven W. Tritschler
2 https:// alfredozinola .com/wp-content/uploads/2020/02/Alfredo-Zinola_PELLE_DE.pdf.
Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 1786 mit Schreiben vom 16. Juni 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Flucht und Integration sowie der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Das Tanzprojekt „Dornröschen Kiss“ ist Teil eines längerfristig angelegten Projektes, das im Rahmen der Spitzenförderung NRW durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft gefördert wird. Die Kooperation mit dem Tänzer Alfredo Zinola wurde der Elternschaft der Montes-sori-Grundschule in Köln-Mülheim im November 2022 vorgestellt, im Dezember wurde dann die Produktion „Other World“ in der genannten Schule aufgeführt. Der zweite Teil des Projektes ist als Improvisation zum Thema „Nähe und Distanz“ angelegt. Aufführungen im Rahmen dieses Projektes fanden vom 17. bis zum 21. April 2023 in der Schule statt.
- Wie bewertet die Landesregierung besagten Vorfall an einer Grundschule in Köln, insbesondere aus pädagogischer Sicht?
Die Landesregierung bedauert, dass Kinder durch die Theaterproduktion irritiert und Eltern beunruhigt wurden. Die Schule arbeitet dies im Dialog mit den Eltern nun auf.
- Inwieweit sind der Landesregierung weitere Auftritte besagter Produktion an nordrhein-westfälischen Schulen bekannt? (Bitte aufschlüsseln nach Datum und Schulstandort)
Eine zentrale Erhebung von Aufführungen im Themenfeld kulturelle Bildung an Schulen in Nordrhein-Westfalen erfolgt nicht. In § 5 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW – SchulG) ist die Zusammenarbeit von Schulen und außerschulischen Partnern verankert. Schulen wählen ihre Kooperationspartner eigenverantwortlich.
- Welche Summe an Fördergeldern hat besagte Produktion seit 2020 bis heute durch das Land Nordrhein-Westfalen erhalten?
Das Projekt wird durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft gefördert, eine Förderung durch das Ministerium für Schule und Bildung erfolgt weder in ideeller noch in materieller Hinsicht. Das Tanzensemble Alfredo Zinola erhält in der aktuellen Förderrunde seit Sommer 2022 eine jährliche Spitzenförderung von 80.000€. Das Geld steht für die künstlerische Arbeit des Ensembles zur Verfügung, nicht nur für das in Rede stehende Projekt.
Der Förderung liegt eine Juryentscheidung aus der letzten Legislaturperiode vom 16. März 2022 zugrunde.
- Aufgrund welcher Kriterien hält die Landesregierung besagte Produktion für förderwürdig?
Entscheidungskriterien der Fachjury zur Auswahl der Ensembles und ihrer Projekte, wie sie auch in der öffentlichen Ausschreibung formuliert sind, waren eine landesweit herausragende künstlerische und fachliche Qualität, ein erkennbares Wirkungspotential der Gruppe, die Aussicht auf künstlerische Weiterentwicklung und Qualitätsverbesserung der neuen Produktionen durch die Spitzenförderung, eine innovative Ausrichtung in Thema und Ausdrucksform, eine professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und professionelles Marketing, professionelle personelle Strukturen im Ensemble und allen Arbeitsbereichen (künstlerisch, organisatorisch, technisch, finanziell etc.), eine lokale Verankerung und Vernetzung mit Partnerinnen und Partnern in Nordrhein-Westfalen, eine überregionale, bundesweite und ggf. internationale Ausstrahlung der Gruppe sowie ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das Projekt wurde nicht gezielt für den Einsatz an Grundschulen von der Jury positiv bewertet.
- Nach welchen Prüfkriterien stellt die Landesregierung sicher, dass sexualisierte Inhalte durch externe Produktionen an nordrhein-westfälischen Grundschulen künftig ausbleiben?
Über das Auftreten von Künstlerinnen und Künstlern an Schulen entscheidet die Schule. Eine inhaltliche Überprüfung der Inhalte von Kunstwerken vorab durch das Kulturministerium erfolgt nicht. Hier ist die Grundlage der Projektantrag und die Juryentscheidung, bei der das Kindeswohl selbstverständlich berücksichtigt wird.
Grundsätzlich müssen Projekte im Einklang mit den Bildungsgrundsätzen in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich, vor allem im Hinblick auf den Aspekt „Körper, Gesundheit und Ernährung“ sowie mit den Grundsätzen des schuleigenen Schutzkonzeptes gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch stehen.
Träger von Einrichtungen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe sind nach dem Gesetz zum Schutz des Kindeswohls und zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen (Landeskinderschutzgesetz NRW) verpflichtet, ein Konzept zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und zu deren Schutz vor Gewalt zu entwickeln, anzuwenden und zu überprüfen oder auf die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung hinzuwirken sowie die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 8a Absatz 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch sicherzustellen.
Dabei streben die Träger von außerunterrichtlichen Angeboten der Offenen Ganztagsschulen im Primarbereich eine Verzahnung mit in den Primarschulen bestehenden oder zu entwickelnden Schutzkonzepten gegen Gewalt an.