Antrag
der Fraktion der AfD
Sexualpädagogische Konzepte: Unsere Kinder sind schutzlos, während die Landesregierung untätig zusieht!
I. Ausgangslage
Immer häufiger liest man von sogenannten Erkundungs- oder Masturbationsräumen – jedoch nicht für Erwachsene, sondern für Kinder in frühkindlichen Betreuungseinrichtungen. Diese sogenannten sexualpädagogischen Konzepte haben mittlerweile fast flächendeckend ihren Weg in unsere Kindertageseinrichtungen gefunden. Orte, die eigentlich als Schutzräume für besonders vulnerable Gruppen, insbesondere Kleinstkinder, dienen sollten, werden überfrachtet mit allen möglichen Inhalten zu sexuellen Handlungen, sowohl allein als auch untereinander.
Die sexualpädagogischen Konzepte, die von den „Bildungsgrundsätzen für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen“ sowie dem Kinderbildungsgesetz getragen werden, beinhalten solche umstrittenen „Aufklärungsmethoden“ wie „Nackt-Spiele“, „Erfahrungsräume“ oder sogar „Masturbationsräume“. Diese Ansätze werden immer wieder mit dem Ziel der Missbrauchsprävention und notwendigen Aufklärung begründet, stoßen jedoch zurecht auf erhebliche Kritik, sowohl seitens vieler Eltern als auch immer mehr Experten und Kinderschützern.
Einer den zentralen Kritikpunkte besteht darin, dass die den Konzepten zugrunde liegenden pädagogischen Grundsätze stark von den Ideen des umstrittenen Sexualaufklärers Helmut Kentler beeinflusst sind, der in den 1970er Jahren für seine Thesen über die Sexualität von Kindern bekannt wurde. Kentler propagierte die Auffassung, dass Kinder von Geburt an sexuelle Wesen seien,1 deren sexuelle Lust nach dem Prinzip „Lernen durch Tun“ durch Erwachsene aktiviert werden müsse.2
Auf diese Problematik wies auch Karla Etschenberg, Erziehungswissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Sexualerziehung, in einer Stellungnahme anlässlich einer Anhörung der Kommission zur Wahrnehmung der Belange von Kindern (Kinderschutzkommission) hin. In ihren Ausführungen schrieb sie:
„In den letzten Jahren hat sich ein sexualpädagogisches Konzept, die sogenannte ‚sexuelle Bildung‘ (mit Unterstützung durch die BZgA und pro familia) nahezu ‚flächendeckend‘ durchgesetzt […]. ‚Sexuelle Bildung‘ ist mehr als ein Begriff, gemeint ist ein Konzept. Der Begriff wurde im Kontext mit einem Paradigmenwechsel (Valtl 2008; Sielert 2011) in der Sexualpädagogik eingeführt. Er soll den Begriff Sexualerziehung insofern ersetzen, als hier lebenslanges Lernen, d. h. auch nicht erzieherisch angeleitetes Lernen zum Thema Sexualität von der Sexualpädagogik in den Blick genommen wird.
Inhaltlich unterscheidet sich ‚sexuelle Bildung‘ von traditioneller Sexualerziehung durch eine grundsätzlich vorbehaltlos positive Einstellung zu jeder Spielart sexuellen Verhaltens ohne moralische und heteronormative Einschränkungen. Als ‚Sexualpädagogik der Vielfalt‘ fügt sich das Konzept in politisch gewollte Entdiskriminierungsziele ein. […]
Das aktuelle sexualpädagogische Konzept (‚sexuelle Bildung‘) ist das Erbe Helmut Kentlers […], der in seiner emanzipatorischen Sexualpädagogik die Forderung nach einem ‚Lernen durch Tun!‘ (Kentler 1975, S. 28) vertreten hat mit dem Dogma: ‚Die Sexualität kann nur erzogen werden, wenn etwas Sexuelles passiert‘.“3
Dieser Einschätzung schloss sich auch die Erziehungswissenschaftlerin Ursula Enders an. In derselben Anhörung äußerte sie eine ähnliche Kritik:
„Ich teile allerdings die Kritik, dass die deutsche Sexualwissenschaft immer noch ein Stück von Kentler und Co. geprägt ist. […] Ganz schwierig ist für mich in diesem Kontext auch die Rolle von Professor Uwe Sielert, der Präventionsberater der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung war – ein alter Freund von Kentler. […] Ich finde es außerdem ganz ungünstig, dass der Begriff ‚sexuelle Bildung‘ eine solche Dominanz in den Schutzkonzepten hat. Wir sprechen lieber von Sexualpädagogik. Denn ich möchte die gedankliche Brücke zur Pädose-xuellenbewegung, die bei einigen noch da ist, nicht in den Konzepten haben.“4
Aus der Feder von Uwe Sielert stammt unter anderem der Vorschlag, sogenannte Erlaubnisräume zu öffnen, damit Kinder und Jugendliche gleichgeschlechtliches ebenso wie heterosexuelles Begehren ausdrücken und leben zu können. Zudem empfiehlt Sielert den Einsatz von Bilderbüchern, die Kinder realistisch darstellen, wie sie sich selbst und einander intim stimulieren. Daher ist es nicht überraschend, dass man in Broschüren zur Sexualaufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), auf deren Überlegungen und Veröffentlichungen viele sexualpädagogische Konzepte in den nordrhein-westfälischen Kindertageseinrichtungen basieren, bereits auf den ersten Seiten unter anderem auf folgende Aussagen stößt:
„Menschen sind von klein auf sexuelle Wesen mit altersspezifischen Bedürfnissen und individuellen Ausdrucksformen. Bereits Säuglinge machen erste körperliche Lusterfahrungen in Form von Lutschen und Saugen. Der Mund dient nicht nur der Nahrungsaufnahme und Welterkundung, sondern ist die erste erogene Zone, die Babys entdecken.“5
Dass in Nordrhein-Westfalen genau auf diese Überlegungen der „sexuellen Bildung“ zurückgegriffen wird, bestätigt die Landesregierung selbst in ihrer Antwort auf die Große Anfrage 17 der AfD-Landtagsfraktion NRW. So schreibt sie:
„In nordrhein-westfälischen Kindertageseinrichtungen wird keine explizite Sexualerziehung betrieben, stattdessen erfolgt eine sexuelle Bildung, die auf den Prinzipien der Befähigung von Fachkräften, Kindern und Personensorgeberechtigten basiert.“6
Auch Kinderschützer sind zunehmend alarmiert. So beispielsweise die Gründerin des Vereins „Nein, lass mich“, der sich für Prävention und Aufklärung gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen einsetzt. Sie sieht die Gefahr, dass die derzeitigen sexualpädagogischen Konzepte dazu beitragen, die natürlichen Schamgrenzen der Kinder zu zerstören und Kindertageseinrichtungen somit ihre Funktion als kindliche Schutzorte verlieren. Weiter ist sie der Ausfassung, dass diese Art der Sexualerziehung die Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt zunehmend verwischt und möglicherweise sogar sexuelle Übergriffe durch Erwachsene und unter Kindern selbst begünstigen könnte.7
In einer Stellungnahme zu den Veröffentlichungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt sie, dass Kentler, der dafür bekannt sei, Kinder an pädophile Männer vermittelt und sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern verharmlost zu haben, ähnliche Thesen in seinen Schriften vertreten habe. Sie kritisiert, dass die BZgA Formulierungen verwende, die fast identisch mit denen Kentlers seien.8
Ebenfalls muss in diesem Kontext festgehalten werden, dass die Wirksamkeit „sexueller Bildung“ im Hinblick auf die Prävention sexualisierter Gewalt bislang kaum empirisch belegt ist. Auch fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass Kinder als „sexuelle Wesen“ betrachtet werden können, da es sich hierbei lediglich um die Interpretation aus der Perspektive Erwachsener handelt.9
Aus diesen Gründen hat die AfD-Landtagsfraktion NRW bereits im letzten Jahr auf die schrittweise Einführung sexualpädagogischer Konzepte in Kindertageseinrichtungen aufmerksam gemacht, etwa in der katholischen Kita St. Rochus in Kerpen in Nordrhein-Westfalen. In deren sexualpädagogischem Konzept wurde von Kindern gesprochen, die „sich selbst lustvolle Gefühle durch Selbststimulation verschaffen können (Genital als Lustquelle)“ oder über unterschiedliche Sexualpraktiken aufgeklärt wurden. Es wurde auch dargelegt, dass „Berühren, Streicheln, Liebkosen und Spielen an den eigenen (kindlichen) Geschlechtsteilen […] als Masturbation bezeichnet wird.“ Ein Raum, in den sich Kinder zurückziehen können, um sich „körperlich zu entdecken und zu befriedigen“, wurde ebenfalls als Bestandteil der Sexualerziehung betrachtet.10
Nach Bekanntwerden dieser Details untersagte das zuständige Jugendamt die Pläne, während die Landesregierung versuchte sich herauszureden, indem sie betonte, dass separate Räume in Kindertageseinrichtungen ausschließlich zur „sexuellen Selbsterkundung“ und nicht als Teil der frühpädagogischen Praxis vorgesehen seien.11
In der darauffolgenden Antwort auf die Große Anfrage 17 verwies die Landesregierung zudem überwiegend auf die kommunale Selbstverwaltung der Jugendämter sowie die Selbstverantwortung der Träger. Zwar überprüfen die jeweiligen Jugendämter die sexualpädagogischen Konzepte, aber auf die Fragen zur Anzahl der Kindertageseinrichtungen, die über derartige Konzepte verfügen, oder zu deren konkreten Inhalten konnte die Landesregierung keine Antworten liefern.12
Trotz angeblicher Überprüfung scheint im Fall von Kerpen eine kritische Prüfung versäumt worden zu sein. Selbst die Ministerin musste einräumen, dass die Wortwahl im sexualpädagogischen Konzept missverständlich sein könnte. Daher wurde das Konzept überarbeitet. Die Ministerin erklärte hierzu, dass „bei der in Ihrem Antrag genannten Einrichtung festgestellt wurde, dass ein solcher physischer Raum gar nicht existiert. Dennoch, und weil dies sinnvoll ist und die Qualität des Kinderschutzes in unserem Land unterstreicht, überarbeitet der Träger sein Konzept, um jegliche Missverständnisse zu beseitigen“.13
Die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Fälle fragwürdiger sexualpädagogischer Konzepte in Kindertageseinrichtungen verdeutlichen, dass hier eine genauere Überprüfung erforderlich ist. Es darf nicht zugelassen werden, dass Konzepte verbreitet werden, die auf kindergefährdenden und päderastischen Theorien fußen und dabei die natürlichen Schamgrenzen der Kinder verletzen und dadurch mehr Schaden anrichten, als Prävention zu leisten.
II. Der Landtag stellt fest:
- Kindertageseinrichtungen müssen Orte der qualitativ hochwertigen Betreuung sein und als geschützte Räume für Kinder agieren.
- Sexualpädagogische Konzepte, die sexuelle Handlungen bei Kindern in Kindertageseinrichtungen thematisieren, finden immer häufiger Anwendung und stoßen auf erhebliche Kritik. Diese Konzepte sind stark von den Theorien Helmut Kentlers beeinflusst, der Kinder als „sexuelle Wesen“ betrachtete und ihre Sexualität durch Erwachsene „aktiviert“ sehen wollte. Besonders hervorzuheben ist das Paradigma der „sexuellen Bildung“, das sich flächendeckend durchgesetzt hat und jede Form sexuellen Verhaltens befürwortet.
- Es gibt nur wenige empirische Beweise für die Wirksamkeit der „sexuellen Bildung“ zur Prävention sexualisierter Gewalt.
- Erziehungswissenschaftler und Kinderschützer warnen vor diesen Konzepten, da sie die natürlichen Schamgrenzen der Kinder verletzen und die Trennlinie zwischen Kindheit und Erwachsensein verwischen könnten.
- Die Überprüfung dieser Konzepte ist unzureichend. Es ist nicht ausreichend, auf die kommunale Selbstverwaltung und die Verantwortung der Träger zu verweisen.
III. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:
- sicherzustellen, dass Kindertageseinrichtungen weiterhin als sichere Schutzräume für Kinder agieren;
- die bestehenden sexualpädagogischen Konzepte in den Kindertageseinrichtungen einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen und bei Bedarf zu überarbeiten. Dabei sind insbesondere die Grundlagen und Inhalte dieser Konzepte zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie dem Wohl der Kinder dienen und ihren Schutz vor sexualisierter Gewalt gewährleisten;
- zu gewährleisten, dass alle sexualpädagogischen Konzepte frei von den theoretischen Grundsätzen der „sexuellen Bildung“ und den Überlegungen von Helmut Kentler sind;
- die Träger von Kindertageseinrichtungen dahingehend zu verpflichten, die Erziehungsberechtigten umfassend und aktiv über die Inhalte der sexualpädagogischen Konzepte zu informieren. Darüber hinaus sollen diese Konzepte verpflichtend online und in Form von Broschüren vor Ort in den Kindertageseinrichtungen zugänglich gemacht werden;
- die „Bildungsgrundsätze für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen“ einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Dabei ist sicherzustellen, dass keine Inhalte oder Ansätze verfolgt werden, die auf den oben genannten Theorien basieren oder die natürlichen Schamgrenzen der Kinder verletzen;
- Konzepte zu entwickeln, die eine kindgerechte Sexualerziehung sicherstellen. Eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte der Sexualerziehung, die den Schutz der Kinder und die Achtung ihrer natürlichen Entwicklung in den Vordergrund stellt, sollte hierbei prioritär berücksichtigt werden;
- sicherzustellen, dass zukünftige Konzepte einer umfassenden Überprüfung durch unabhängige Fachstellen unterzogen und auf der Grundlage landesweiter Qualitätsstandards aufgestellt werden.
Zacharias Schalley
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www.dw.com/de/missbrauchs-fall-kentler-das-dunkle-erbe-der-sexuellen-befreiung/a-53829027 (abgerufen am 27.08.2024)
2 Lt.-Stellungnahme 18/1288
3 Lt.-Stellungnahme 18/1378
4 Lt.- APr 18/556, S. 32f.
5 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Ein Ratgeber für Eltern zur kindlichen Sexualentwicklung in der Pubertät. 2021. Auflage: 13.50.04.24.
6 Lt.-Drucksache 18/9681, S. 4
7 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus252513304/Umstrittene-Sexualerziehung-Oft-erfahren-nicht-mal-die-Eltern-von-Erfahrungsraeumen-in-Kitas.html (abgerufen am 27.08.2024)
8 https://neinlassdas.com/wp-content/uploads/2024/02/NLD_BZgA_07022024.pdf (abgerufen am 27.08.2024)
9 Lt.-Stellungnahme 18/1378
10 Lt.-Drucksache 18/6374
11 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus252513304/Umstrittene-Sexualerziehung-Oft-erfahren-nicht-mal-die-Eltern-von-Erfahrungsraeumen-in-Kitas.html (abgerufen am 27.08.2024)
12 Lt.-Drucksache 18/9681
13 Plenarprotokoll 18/47, S. 33.