Kleine Anfrage 1046
des Abgeordneten Markus Wagner vom 10.01.2023
Silvester in Bonn: Jugendliche attackieren Polizisten mit Böllern und Steinen
In Bonn-Medinghoven kam es in der Silvesternacht 2022 zu einem Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr. Vorausgegangen war die Meldung von Anwohnern um kurz nach Mitternacht über einen brennenden Müllcontainer, in den Jugendliche zuvor Silvesterböller geworfen hatten. Die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr wurden vor Ort von einer größeren Gruppe junger Leute angegriffen. Nach Angaben der Medien beschmissen die Jugendlichen die Einsatzkräfte mit Böllern und Steinen, sodass weitere Kräfte – unter anderem auch Beamte der Einsatzhundertschaft – hinzugezogen werden mussten. Daraufhin löste sich die Gruppe auf und entfernte sich vom Tatort, wobei ein 19-Jähriger vorläufig festgenommen wurde. Durch den brennenden Müllcontainer wurden ein Pkw und die Fahrbahndecke beschädigt.1
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen des deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
- Welche Erkenntnisse liegen hinsichtlich der anderen Jugendlichen vor, die ebenfalls die Einsatzkräfte attackierten? (Bitte nach Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund aufschlüsseln.)
- Warum wurde nur eine 19 Jahre alte Person vorläufig festgenommen, obwohl eine größere Gruppe in den oben beschriebenen Vorfall involviert war?
- Wurde das Tatgeschehen als Tumultlage gewertet?
- Wie hoch ist der finanzielle Sachschaden, der durch das mutwillig entfachte Feuer entstanden ist?
Markus Wagner
1 Vgl. h t t p s: // w w w .t – online.de/region/koeln/id_100104738/silvester-in-bonn-jugendliche-attackieren-polizisten-mit-boeller-und-steinen.html.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1046 mit Schreiben vom 8. Februar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben genannten Vorfall? (Bitte Tatverdächtigen, Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen des deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
Der Generalstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz am 24.01.2023 unter Bezugnahme auf einen Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bonn wie folgt berichtet:
„Zu Frage 1.
In der Nacht vom 31.12.2022 auf den 01.01.2023 kam es in Bonn-Medinghoven zu einem polizeilichen Großeinsatz. Nach den bisherigen Ermittlungen stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:
Nachdem unbekannte Personen mit Pyrotechnik einen Müllcontainer in Brand gesetzt und auf die Fahrbahn geschoben hatten, begab sich zunächst ein Streifenwagen unter dem Einsatzstichwort „Brand“ an den Tatort.
Neben der Brandstelle befand sich eine Gruppe von 15 bis 20 Personen, die dunkel gekleidet waren und sich bei Eintreffen des Streifenwagens mit Tüchern über Mund und Nase sowie Sturmhauben vermummten.
Aus dieser Gruppe heraus wurde der mit Polizeibeamten besetzte Streifenwagen gezielt mit gezündeten Feuerwerkskörpern beworfen, mehrfach getroffen und beschädigt. Daraufhin wurden weitere Einsatzkräfte angefordert. Als ein Fahrzeug der Feuerwache an der Einsatzörtlichkeit eintraf, begann eine Gruppe von nunmehr 30 bis 40 vermummten Personen auch dieses mit brennenden Feuerwerkskörpern, Steinen und anderen Gegenständen zu bewerfen, wodurch das Fahrzeug der Feuerwehr ebenfalls beschädigt wurde.
Aufgrund der brisanten Lage wurde ein taktischer Rückzug der Einsatzkräfte angeordnet.
Nach Einrichtung einer besonderen Aufbauorganisation wurde der Gefahrenbereich unter Einsatz von Kräften der Bereitschaftspolizei geräumt. Auch hierbei kam es zu weiteren Angriffen auf Polizeivollzugsbeamte durch Werfen von Pyrotechnik und Steinen. Personen wurden nicht verletzt.
Eine flüchtende Person, ein 19-jähriger rumänischer Staatsangehöriger, konnte verfolgt, identifiziert und nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW vorübergehend in Gewahrsam genommen werden. Sein Mobiltelefon wurde beschlagnahmt.
Nach derzeitigem Ermittlungsstand wurden neben dem Straßenbelag ca. neun Mülltonnen, ein Müllcontainer, ein Personenkraftwagen, ein Elektroroller, ein Funkstreifenwagen und ein Feuerwehrfahrzeug beschädigt.
Im Einvernehmen mit dem Staatsschutz des Polizeipräsidiums Bonn sind die Ermittlungen aufgenommen worden.
Im Rahmen der Auswertung des am Tatort sichergestellten Mobiltelefons des 19-jährigen Tatverdächtigen konnte eine WhatsApp-Gruppe mit insgesamt neun Teilnehmern festgestellt werden. Durch Auswertung der in dem Gruppenchat verwendeten Rufnummern sind bisher acht Personen dieser Gruppe identifiziert worden. Es handelt sich um in Bonn wohnende männliche Jugendliche und Heranwachsende. Die inhaltliche Auswertung des Gruppenchats hat ergeben, dass der Angriff auf Polizeibeamte zuvor geplant worden war. Es wird im Chat erörtert, Einsatzfahrzeuge in Brand zu setzen und gegebenenfalls Pyrotechnik für diesen Zweck umzubauen bzw. Brandsätze selbst herzustellen.
Gegen die acht identifizierten Personen sind beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Bonn Durchsuchungsbeschlüsse beantragt worden. Nach antragsgemäßem Erlass sind diese am 06.01.2023 zeitgleich vollstreckt und Beweismittel, unter anderem Mobiltelefone und Täterkleidung, sichergestellt worden.
Alle Beschuldigten sind erkennungsdienstlich behandelt worden. Auf Grundlage antragsgemäß erlassener Beschlüsse sind zudem DNA-Proben entnommen worden.
Von der eingeräumten Möglichkeit auf rechtliches Gehör haben bisher nur zwei Beschuldigte Gebrauch gemacht, die eine Tatbeteiligung nicht eingeräumt haben.
Im Anschluss sind die Beschuldigten aus dem Polizeipräsidium entlassen worden, da Haftgründe nicht vorgelegen haben.
Die Ermittlungen dauern an.
Der noch in der Silvesternacht ermittelte Tatverdächtige ist rumänischer Staatsangehöriger. Sein Bundeszentralregisterauszug enthält sieben Eintragungen wegen Hausfriedensbruchs, Beleidigung, Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. In vier Verfahren (wegen Beleidigung und Hausfriedensbruchs) hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 45 Abs. 1 JGG von der Verfolgung abgesehen. In drei Verfahren (wegen Beleidigung, Diebstahls und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz) ist Einstellung durch den Jugendrichter gemäß § 47 JGG erfolgt.“
- Welche Erkenntnisse liegen hinsichtlich der anderen Jugendlichen vor, die ebenfalls die Einsatzkräfte attackierten? (Bitte nach Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund aufschlüsseln.)
Der Generalstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz am 24.01.2023 unter Bezugnahme auf einen Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bonn wie folgt berichtet:
„Zu Frage 2.
Alle weiteren ermittelten Personen sind ebenfalls männlich.
Es handelt sich um einen 16-jährigen deutsch-jordanischen Staatsangehörigen, einen 18-jährigen deutsch-syrischen Staatsangehörigen, einen 18-jährigen irakischen Staatsangehörigen, einen 18-jährigen deutsch-jordanischen Staatsangehörigen, einen 19-jährigen deutsch-marokkanischen Staatsangehörigen, einen 17-jährigen rumänischen Staatsangehörigen und einen 17-jährigen deutsch-syrischen Staatsangehörigen.“
- Warum wurde nur eine 19 Jahre alte Person vorläufig festgenommen, obwohl eine größere Gruppe in den oben beschriebenen Vorfall involviert war?
Der Generalstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz am 24.01.2023 unter Bezugnahme auf einen Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bonn wie folgt berichtet:
„Zu Frage 3.
Ausweislich der polizeilichen Strafanzeige und des Protokolls der Ingewahrsamnahme wurde diejenige Person gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW festgesetzt, die erfolgreich verfolgt, zu Boden gebracht und fixiert werden konnte. Weitere Tatverdächtige konnten vom Tatort flüchten.“
- Wurde das Tatgeschehen als Tumultlage gewertet?
Die Ereignisse wurden als Tumultlage bewertet. - Wie hoch ist der finanzielle Sachschaden, der durch das mutwillig entfachte Feuer entstanden ist?
Der Sachschaden beläuft sich nach polizeilicher Schätzung auf mindestens 30.000,- Euro.