Kleine Anfrage 2159
des Abgeordneten Andreas Keith AfD
Situation der Seelsorgeversorgung in den von der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 betroffenen Gebieten in Nordrhein-Westfalen
Eine Umfrage, die vom Lehrstuhl für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit an der Bergischen Universität Wuppertal zusammen mit dem Kreis Euskirchen im März 2023 durchgeführt wurde, hat laut einer Projektmitarbeiterin ergeben, dass nicht „nur direkt materiell-physisch betroffene Personen […] eine psychische Belastung [zeigen], sondern auch das nahe und weitere soziale Umfeld“. Die Umfrage zeige zudem, dass überwiegend nur diejenigen Menschen psychosoziale Unterstützung (PSU) in Anspruch nahmen, die bereits vor der Hochwasserkatastrophe Kontakt zu entsprechenden Einrichtungen aufgenommen hatten.1 Während das Angebot der psychologischen Unterstützung in den Flutgebieten zunächst unmittelbar nach der Flut im Sommer 2021 noch groß gewesen sei, so die Wissenschaftlerin weiter, hätten die Hilfsangebote trotz des weiterhin großen Bedarfs abgenommen.2 Die Untersuchungen der Bergischen Universität Wuppertal legen nahe, dass zahlreiche Menschen in den Flutgebieten auch zwei Jahre nach dem Juli-Hochwasser auf Angebote der psychosozialen Unterstützung angewiesen sind.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Ist die Versorgung durch Seelsorger für Helfer und Betroffene in den von der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 betroffenen Gebieten in Nordrhein-Westfalen weiterhin sichergestellt?
- Wie ist derzeit die Sicherstellung organisiert?
- Inwiefern wurde eine Bestandsaufnahme zum Bedarf an Seelsorge im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe durchgeführt?
- Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Seelsorgern, den Kommunen, dem Land NRW und den Helfern sowie den durch die Flut direkt Betroffenen?
- Wie beurteilt die Landesregierung die Zusammenarbeit zwischen den Seelsorgern, den Kommunen, dem Land NRW und den Helfern sowie den durch die Flut direkt Betroffenen?
Andreas Keith
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2159 mit Schreiben vom 30. August 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung sowie dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staats-kanzleibeantwortet.
- Ist die Versorgung durch Seelsorger für Helfer und Betroffene in den von der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 betroffenen Gebieten in Nordrhein-Westfalen weiterhin sichergestellt?
- Wie ist derzeit die Sicherstellung organisiert?
- Inwiefern wurde eine Bestandsaufnahme zum Bedarf an Seelsorge im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe durchgeführt?
Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 gemeinsam beantwortet.
Für die Seelsorge sind die Religionsgemeinschaften zuständig. Sie entscheiden eigenverantwortlich über die Organisation und die Sicherstellung der Seelsorge. Eine staatliche Einflussnahme findet nicht statt.
- Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Seelsorgern, den Kommunen, dem Land NRW und den Helfern sowie den durch die Flut direkt Betroffenen?
- Wie beurteilt die Landesregierung die Zusammenarbeit zwischen den Seelsorgern, den Kommunen, dem Land NRW und den Helfern sowie den durch die Flut direkt Betroffenen?
Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs werden die Fragen 4 und 5 gemeinsam beantwortet.
Unter Federführung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung (MHKBD) erfolgt seit Anfang 2023 eine Förderung der als Bestandteil des Hilfszentrum Schlei-dener Tal (HIZ) eingerichteten Interkommunalen psychosozialen Unterstützung (IPSU). Dabei handelt es sich um ein kostenloses Angebot der drei Kommunen Schleiden, Hellenthal und Kall für flutbetroffene Menschen und Einsatzkräfte, die durch das Jahrhunderthochwasser vom Juli 2021 belastet sind. Das Angebot umfasst u.a. psychologische Beratung, aufsuchende Beratung mit einem Beratungsmobil, soziale Beratung, Stabilisierende Psychotherapie im Einzel-und Gruppenformat, Langzeit- sowie Traumatherapie. Umgesetzt wird dies von der Malteser Fluthilfe im Hilfszentrum Schleidener Tal (HIZ). Dieses Unterstützungsangebot wird in hohem Maße in Anspruch genommen.
Das MHKBD steht in einem engen und regelmäßigen Austausch mit den vor Ort tätigen Antragshelfenden, den Kommunen und den Hilfsorganisationen mit dem Ziel, die von dem Flutereignis im Juli 2021 betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner aktiv bei der Antragstellung auf Wiederaufbauhilfen nach der Förderrichtlinie „Wiederaufbauhilfen Nordrhein-Westfalen“ zu unterstützen. Die Beratungsleistung erstreckt sich darüber hinaus auch auf die Begleitung nach einer erfolgten Bewilligung. Dazu gehören Hilfen bei der Einreichung von Mittelabrufen und Verwendungsnachweisen, aber auch die Vermittlung von Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Einzelfall. Da die Beschäftigten der Hilfsorganisationen oftmals über sozialpädagogische und/oder therapeutische Kenntnisse verfügen, finden auch Beratungen in dieser Richtung vor Ort statt. Es werden auch Menschen gezielt zu Hause aufgesucht, um Hilfen anzubieten. Hier ergeben sich regelmäßig persönliche Gespräche, die für die Betroffenen entlastend sind. Auch seelsorgerisch tätige Institutionen sind in die Antragsunterstützung vor Ort eingebunden.
Sofern Betroffene sich an die zuständigen Bezirksregierungen oder an das MHKBD bei Unterstützungsbedarfen wenden, werden ihnen Antragshelfende vor Ort benannt, die sie begleiten können. Sofern Antragshelfende vor Ort erfahren, dass Betroffene aufgrund ihrer psychischen Belastungen Schwierigkeiten bei der Antragstellung haben, werden diese eng – auch beim Kontakt mit den Bezirksregierungen – begleitet. Unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften tauschen Antragshelfende, Hilfsorganisationen, Kommunen, Bezirksregierungen und das Land Nordrhein-Westfalen sich zu Einzelfällen aus, um eine bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten.
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales steht weiterhin in engem und konstruktivem Austausch mit den örtlichen Psychiatriekoordinatorinnen und -koordinatoren der unteren Gesundheitsbehörden.
Die Landesregierung schätzt die Zusammenarbeit mit den Antragshelfenden, Hilfsorganisationen und Kommunen in hohem Maße und beurteilt diese sehr positiv.