Standardisierung von Lärmschutzwänden

Antrag
vom 20.04.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 20.04.2021

 

Standardisierung von Lärmschutzwänden

I. Ausgangslage

Lärmschutz sollte in der Verkehrspolitik eine bedeutendere Rolle bei der Straßenplanung und beim Straßenbau spielen. Denn dort, wo die verkehrlichen Lebensadern verlaufen, treten auch negative (Lärm-) Begleiterscheinungen auf.

Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen betreut nach eigenen Angaben (Stand vom 31. Dezember 2019) einen Bestand von 29.672 und seit dem 01. Januar 2021 8.429 Ingenieurbauwerken, darunter Lärmschutzwände und -wälle. Am Jahresende 2016 gab es in Nordrhein-Westfalen an Bundesfernstraßen 390,58 km Lärmschutzwälle und 869,65 km Lärmschutzwände.

Ein Drittel dieser Lärmschutzeinrichtungen ist jährlich einer Bauwerksprüfung nach DIN 1076 zu unterziehen (rechnerischer Durchschnitt). Der Erlass vom 21. März 2011 (VIIA3-62-90/2011 .01) führte dazu eine Meldepflicht ein, und der Landesbetrieb Straßen.NRW gab am 13. März 2012 in seiner Erstmeldung einen Überhang (=Rückstand) von insgesamt 9.927 Prüfungen an. Diese Situation hat sich seither verbessert, ist aber mit einem Überhang von insgesamt 5.103 Prüfungen weiterhin signifikant.1

Die Landesregierung berichtete in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion, dass sich im Betriebssitz derzeit 13 Beschäftigte der Prüfung der Ingenieurbauwerke widmen, da­runter auch Lärmschutzwände und –wälle. Gleichzeitig würden in den Niederlassungen etwa 18 Beschäftigte im Bereich „Management der Bauwerkserhaltung“ Bauwerksprüfungen „ne­ben weiteren Aufgaben“ durchführen. An dieser Stelle ist nicht nur ein Mangel an Personal, sondern auch eine fehlende Fokussierung auf die Verbesserung des Lärmschutzes festzustel­len.

Der Mangel an Priorisierung spiegelt sich letztlich auch in der Tatsache, dass die Landesre­gierung erst nach einem schwerwiegenden, tödlichen Unfall durch das unerwartete Lösen ei­ner tonnenschweren Lärmschutzwand handelte. Erst jetzt hat das Ministerium für Verkehr den Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen beauftragt, ein Konzept zu erstellen, um den seit Jahrzehnten bekannten „Prüfüberhang“ weiter abzubauen. Dieses Konzept wird allerdings erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 erwartet.

Aus der Antwort wird ebenfalls ersichtlich, dass die Landesregierung derzeit keine Schaffung neuer Stellen plant, um den enormen Prüfüberhang schneller abzubauen. So wartet sie ange­sichts des hohen Staus in der Prüfung von Ingenieursbauwerken, welcher bereits bei Regie­rungswechsel bekannt war, dennoch ab, bis der Landesbetrieb Straßen.NRW in der zweiten Jahreshälfte 2021 ein Konzept vorlegt.

In den Jahren von 2016 bis 2020 wurden laut der Landesregierung vom Landesbetrieb Stra-ßen.NRW jährlich zehn bis 18 externe Unternehmen mit der Herstellung von Lärmschutzwän­den beauftragt.

Das Prüfverfahren basiert auf der deutschen Norm DIN 1076 „Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen – Überwachung und Prüfung“ in der gültigen Fassung aus dem Jahre 1999. Es ist sowohl veraltet als auch unspezifisch und somit dringend überholbedürftig. Die Norm sieht im Wesentlichen drei Untersuchungsformen vor. So soll alle sechs Jahre eine Hauptprüfung und immer drei Jahre nach einer Hauptprüfung eine „einfache Prüfung“, auch „Nebenprüfung“ genannt, stattfinden. Jährlich soll lediglich eine Besichtigung durchgeführt werden.

Die jährliche Besichtigung wird in der Norm nur grob beschrieben. Auf Lärmschutzwände und -wälle bezogen sollen ausschließlich durch Augenscheinnahme außergewöhnliche Verände­rungen, erhebliche Mängel/Schäden, auffallende Risse und augenscheinliche Verformungen und Verschiebungen des Bauwerks festgestellt werden.

Der Unfall auf der A3 bei Köln am 13. November 2020, als sich ein ca. 2,5m x 2,5m großes Betonteil von einer Stützwand löste und auf einen vorbeifahrenden PKW stürzte, sollte ausrei­chend Anlass dazu geben, den Prozess der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 gründlich zu überdenken.

Ursächlich für den Sturz der Betonvorsatzschale auf die Fahrbahn der A3 war das Abreißen der angeschweißten Schrauben, mit denen diese Vorsatzschale an ihrem oberen Ende gesi­chert war. Nach Angaben der Landesregierung liegt der Baumangel an einer unzugänglichen, nicht einsehbaren Stelle und ist bei der regulären Bauwerksprüfung ohne eine Demontage der betroffenen Elemente nicht festzustellen. Zudem sei davon auszugehen, dass auch bei der kommenden Prüfung die fehlerhafte Konstruktion nicht aufgefallen wäre, weil sie versteckt hinter der Lärmschutzplatte lag. Der Landesbetrieb Straßen.NRW teilte mit, dass „regelmäßige Sichtprüfungen stattgefunden haben“.2

Diese Erkenntnisse geben Anlass dazu, die DIN 1076 zu überarbeiten. Insbesondere die Vor­gaben einer jährlichen Besichtigung sind vor dem Hintergrund des derzeitigen Prüfüberhangs von Hauptprüfungen und möglicher Verschiebungen von weiteren Hauptprüfungen – wie es bei der Lärmschutzwand auf der A3 bei Köln der Fall war – zu verschärfen, um auch heute der Zeit entsprechend Verkehrssicherheit zu gewährleisten .

So sollte bei den jährlichen Besichtigungen auch die Inaugenscheinnahme von Lärmschutz­wänden mithilfe von für die Prüfung geeigneten Endoskopkameras ( welche auch in der Bau­werksdiagnostik zur Inspektion von nicht oder schwer zugänglichen Hohlräumen genutzt wer­den) vorgeschrieben werden. Neue Lärmschutzwände sollten mit einer Revisionsöffnung kon­struiert werden, um die Inaugenscheinnahme hinter dem Bauwerk bzw. an relevanten Last­stellen leichter zu ermöglichen.

Bisher werden Lärmschutzwände vielfach noch unterschiedlich ausgeführt. Aus unserer Sicht sollte eine Standardisierung angestrebt werden, die Erstellungskosten und Prüfungsaufwand reduzieren würde und so den Prüfüberhang effizient abbauen könnte.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Lärmschutzwände sind in erster Linie funktionale und kosteneffizient ausgeführte Bau­werke.
  2. Eine Standardisierung aller neuen Lärmschutzwände stellt für die Bürger optisch keinen wesentlichen Unterschied dar. Ein abwechslungsreicheres Erscheinungsbild kann durch die farbliche Gestaltung und durch Begrünung hergestellt werden. Letzteres verhindert zusätzlich Beschädigungen und unschönen Vandalismus in Form von Graffitis.
  3. Eine Standardisierung stellt bei der überschaubaren Anzahl von Herstellern, keine schwere wirtschaftliche Hürde dar.
  4. Eine Standardisierung von Lärmschutzwandelementen und deren Befestigung bietet schon während der Entwicklung dieser Bauteile die Möglichkeit, ausgiebige Prüfungen für die notwendigen Freigaben durchzuführen, die nicht immer wiederholt werden müssten.
  5. Eine Standardisierung bietet die Möglichkeit, einheitliche Tests durchzuführen und somit auch den Prüfungsvorgang zu vereinfachen. Die Prüfungen wären schneller und weniger fehleranfällig.
  6. Einheitliche Testverfahren sparen Zeit- und Personalaufwand, sind somit kostengünstiger.
  7. Nach der Standardisierung sind die Lärmschutzwandelemente leichter zu bevorraten und können daher (zum Beispiel Glaselemente) im Reparaturfall schneller ersetzt werden.
  8. Standardisierte Schallschutzwandbauteile können grenzüberschreitend eingesetzt wer­den. Somit erhöht sich die Stückzahl und senkt sich der Preis.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. im Interesse der Verkehrssicherheit und der Bürger betroffene Akteure zu einem Runden Tisch zu laden, um eine mögliche Standardisierung von Lärmschutzwänden und -wällen zu erörtern;
  2. im Anschluss an die erste Forderung die Konzeptionierung von einheitlichen Bauteilstandards für zukünftige Lärmschutzbauwerke in Auftrag zu geben;
  3. die Verwendung von standardisierten Anforderungen für Bauteile bei neuen Lärmschutzbauten entlang von Bundes- und Landesstraßen in Nordrhein-Westfalen zu forcieren;
  4. Auf Bundesebene auf den bundesweiten Einsatz einheitlicher Lärmschutzwände an Straßen und Schienenwegen hinzuwirken und
  5. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die DIN 1076 auf Grund Ihres Alters und ihrer nicht ausreichenden Spezifikation zu überarbeiten.

Nic Vogel
Andreas Keith
Markus Wagner

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-4369.pdf, Drucksache 17/4369

2 Vgl. http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-4222.pdf, abgerufen am 14.04.2021 um 12:38 Uhr.