Steigende Betriebskosten belasten Landwirte zusätzlich – Wie will die Landesregierung das Höfesterben stoppen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 217
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 27.07.2022

 

Steigende Betriebskosten belasten Landwirte zusätzlich Wie will die Landesregierung das Höfesterben stoppen?

Die Lage für landwirtschaftliche Betriebe in NRW spitzt sich in diesem Jahr enorm zu. Kostenanstiege in mannigfaltigen Bereichen bei gleichzeitig ausbleibenden Umsatzsteigerungen sorgen dafür, dass immer mehr Land- und Viehwirte den Betrieb einstellen müssen.

Verbraucherpreise für Dieselkraftstoff, welcher etwa für Traktoren gebraucht wird, sind binnen eines Jahres um knapp 45% angestiegen (1,38 € am 1. Juli 2021 im Vergleich zu 2,00 € am 1. Juli 2022).1 Die Eigenproduktion von „Kunstdünger“ wird aufgrund explodierender Gaspreise immer weiter reduziert,2 zudem fallen durch die Embargopolitik gegen Russland etwa 30% des mineralischen Düngers weg.3

Es ist absehbar, dass Bauern aufgrund der preislichen Umstände höhere Erzeugerpreise veranschlagen müssen, um die explodierenden Kosten zu decken. Supermarktketten und Discounter halten die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse (insb. Fleisch) jedoch weiterhin so gering wie möglich, sodass die Landwirte – bei steigenden Betriebskosten – weniger Einnahmen für ihre Erzeugnisse erhalten.4

Hinzu kommt, dass sowohl Verkaufs- als auch Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen nun Rekordwerte annehmen.5 Dadurch werden vor allen Dingen junge potentielle Landwirte von der Übernahme eines Hofes abgeschreckt. Während die wenigen landwirtschaftlichen Betriebe, die in NRW noch bleiben, um ihre Existenz kämpfen müssen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass neue Betriebe gegründet werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Wie hat sich nach Kenntnis der Landesregierung die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in NRW in den letzten 5 Jahren                      entwickelt?
  2. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung konkret, um Landwirte bei der Bewältigung der erhöhten finanziellen Last durch Kostenanstiege zu unterstützen?
  3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung konkret, um trotz des Rückgangs landwirtschaftlicher Betriebe in NRW die Erschwinglichkeit ihrer Erzeugnisse für Endverbraucher zu gewährleisten?
  4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung konkret, um den stetigen Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe aufzuhalten bzw. umzukehren?
  5. Welche Anreize schafft die Landesregierung, um einen beruflichen Einstieg im landwirtschaftlichen Bereich attraktiver zu machen?

Zacharias Schalley
Andreas Keith

 

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1 https://www.dashboard-deutschland.de/konjunktur_wirtschaft/preise, Stand 7. Juli 2022

2 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-16475.pdf

3 https://www.dw.com/de/fehlender-d%C3%BCnger-aus-russland-treibt-die-weltmarktpreise/a-61191751

4 https://rp-online.de/wirtschaft/unternehmen/aldi-landwirte-leiden-unter-niedrigeren-fleischpreisen_aid-72386349

5 https://rp-online.de/nrw/staedte/kleve/rekordpreise-fuer-ackerland-im-kreis-kleve_aid-68569297


Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 217 mit Schreiben vom 23. August 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie hat sich nach Kenntnis der Landesregierung die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in NRW in den letzten 5 Jahren entwickelt?

Die letzte Landwirtschaftszählung fand im Jahr 2020 statt. Dabei wurde ermittelt, dass es 33.611 landwirtschaftliche Betriebe in Nordrhein-Westfalen gibt. Im Jahr 2016 wurden im Rahmen der Agrarstrukturerhebung 33.688 landwirtschaftliche Betriebe in Nordrhein-Westfalen gezählt.

Somit hat sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen im oben genannten Zeitraum um 77 Betriebe (das entspricht 0,23 Prozent) reduziert.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung konkret, um Landwirte bei der Bewältigung der erhöhten finanziellen Last durch Kostenanstiege zu unterstützen?

Die EU-Kommission hat eine „Verordnung über eine außergewöhnliche Anpassungsbeihilfe für Erzeuger in den Agrarsektoren“ als Folge von Russlands Invasion in die Ukraine erlassen und Unterstützungsmittel in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro bereitgestellt. Auf Deutschland entfällt hiervon ein Betrag von 60 Millionen Euro. Der Bund hat entschieden, den EU-Beitrag mit nationalen Mitteln in Höhe von 120 Millionen Euro aufzustocken, so dass insgesamt 180 Millionen Euro als Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Der Bund erarbeitet derzeit eine „BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022“, um Landwirte in den besonders betroffenen Sektoren zu unterstützen.

Eine zusätzliche Landesregelung ist nicht vorgesehen.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung konkret, um trotz des Rückgangs landwirtschaftlicher Betriebe in NRW die Erschwinglichkeit ihrer Erzeugnisse für Endverbraucher zu gewährleisten?

Die Preise für die meisten landwirtschaftlichen Erzeugnisse bilden sich auf den europäischen oder globalen Märkten. Landesregierungen können die Erschwinglichkeit von Erzeugnissen für Endverbraucher nicht beeinflussen.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung konkret, um den stetigen Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe aufzuhalten bzw. umzukehren?

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist kein neues Phänomen. Er hat bereits Mitte des 19. Jahrhunderts stattgefunden als noch 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland von der Landwirtschaft lebten. Dabei ist der technische Fortschritt ein wesentlicher Bestimmungsfaktor des Strukturwandels.

In Nordrhein-Westfalen werden aufgebende Betriebe ohne Hofnachfolger in der Regel von landwirtschaftlichen Betrieben in der Nachbarschaft gepachtet und zum Betriebswachstum genutzt.

Die Landesregierung will die leistungs- und wettbewerbsfähige bäuerliche Landwirtschaft in den Händen der vielen Familienbetriebe erhalten und beabsichtigt ein bürokratiearmes Sofortprogramm zur Unterstützung der bäuerlichen Familienbetriebe aufzulegen.

  1. Welche Anreize schafft die Landesregierung, um einen beruflichen Einstieg im landwirtschaftlichen Bereich attraktiver zu machen?

Für Junglandwirtinnen und Junglandwirte ist es möglich, eine gesonderte Prämie im Rahmen der Direktzahlungen zu beantragen. Die sogenannte Junglandwirteprämie wird in der aktuellen Förderperiode für maximal 90 Hektar mit einem Wert von etwa 44 Euro je Hektar gewährt. Der Bezug dieser Prämie ist auf 5 Jahren ab Antragstellung auf Junglandwirteprämie begrenzt. Sie kann ab dem Zeitpunkt der Betriebsneugründung oder einer endgültigen Hofübernahme gewährt werden. Ab 2023 wird die Unterstützung der Junglandwirte verstärkt, indem sie für maximal 120 Hektar mit einem Wert von etwa 115 Euro je Hektar gewährt wird.

Im Rahmen des Agrarinvestitionsförderprogramms (AFP) ist es darüber hinaus für Junglandwirte in Nordrhein-Westfalen möglich, einen Junglandwirtezuschuss zu beantragen. Antragsteller, die höchstens 40 Jahre alt sind und die sich erstmals in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung niedergelassen haben, erhalten zusätzlich 10 Prozent Zuschuss, maximal jedoch 10.000 Euro.

 

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