Steigende Gaspreise bringen die Gewächshäuser am Niederrhein in Gefahr – Was unternimmt die Landesregierung?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 107
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 07.07.2022

 

Steigende Gaspreise bringen die Gewächshäuser am Niederrhein in Gefahr Was unternimmt die Landesregierung?

Am 17. Juni 2022 hat der WDR in seinem Artikel „Gaskrise: Gewächshaus-Bauern am Niederrhein geraten in Not“ über die prekäre Lage der Gemüsezüchter am Niederrhein berichtet.1 Viele Gemüsebauer haben nach den Vorschlägen der Regierung gehandelt und sind von einer Öl- auf eine wartungsarme Gas-Beheizung für ihre Gewächshäuser gewechselt. Doch die steigenden Gaspreise bringen den Garten- und Gemüsebau in Not.

Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es: den Gashahn abdrehen und Energie sparen. Das ist jedoch ein Szenario, das für die Gewächsbauern keine Option darstellt. Das Gemüse braucht einen sehr hohen CO2-Gehalt, viel Sonne und eine spezifische Temperatur für optimale Wachstumsbedingungen. Diese Temperatur muss jedoch gehalten werden und bei Bedarf mit Gas erreicht werden. Es geht um Auberginen, Erdbeeren, Heidelbeeren, Tomaten und Paprika sowie Zierpflanzen aus nordrhein-westfälischer Produktion. Die Energiekosten für die Gartenbaubetriebe sind in diesem Jahr nicht nur durch die hohen Rohgaspreise gestiegen, sondern auch durch die CO2-Steuer, welche im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2033 auf 30 Euro pro Tonne gestiegen ist.

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Wie viele Gewächshäuser gibt es in NRW?
  2. Welchen finanziellen Mehrbelastungen sind die Betreiber der Gewächshäuser seit Anfang des Jahres ausgesetzt?
  3. Wie steht die Landesregierung zu einer Befreiung von bzw. einer Aussetzung der CO2-Besteuerung für die Betreiber der Gewächshäuser?
  4. Wie beabsichtigt die Landesregierung die Betreiber von Gewächshäusern finanziell zu entlasten?
  5. Welche Konsequenzen hat die Ausrufung der dritten Stufe nach dem Notfallplan Gas (Alarmstufe) für die Betreiber der Gewächshäuser?

Zacharias Schalley
Andreas Keith

 

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1 https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/gas-knappheit-gewaechshaeuser-100.html


Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 107 mit Schreiben vom 9. August 2022 im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie dem Minister der Finanzen namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele Gewächshäuser gibt es in NRW?

Die Anzahl der Gewächshäuser wird weder in Nordrhein-Westfalen noch in Deutschland statistisch erfasst. Erfasst werden die Flächen in Hektar unter hohen, begehbaren Schutzabdeckungen (einschließlich Gewächshäusern). Aktuell werden in Nordrhein-Westfalen auf rund 1.169 Hektar Obst (Strauch- und Beerenobst), Gemüse, Blumen und Zierpflanzen auf diesen Flächen im geschützten Anbau produziert.

  1. Welchen finanziellen Mehrbelastungen sind die Betreiber der Gewächshäuser seit Anfang des Jahres ausgesetzt?

Für die gesamte Gartenbaubranche sind die Preise für nahezu alle Betriebsmittel (Dünge-, Pflanzenschutzmittel, Kunststoffartikel wie Pflanztöpfe, Bindematerial, Strom, Heizmaterial etc.) im 1. Quartal 2022 gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres zwischen 15 und 40 % gestiegen. Für die Beheizung von Gewächshäusern mit Erdgas bestehen zwischen den Betreibern und den Energieversorgern (Stadtwerke, überregionale Energieversorgungsunternehmen) in der Regel Gaslieferverträge mit betriebsindividuellen Preisen, die sich an der Abnahmemenge, den Abnahmezeiten und der erforderlichen Energieleistung orientieren. Diese wurden seit Anfang dieses Jahres oft nicht mehr verlängert bzw. von Versorgerseite gekündigt und mit einem Preisaufschlag neu angeboten, der zwischen 30 und 40 % liegt. Das bedeutet bei einem Jahresheizenergieverbrauch von 750.000 kWh/Hektar (Durchschnittsverbrauch je ha Gewächshausfläche nach Gartenbauerhebung NRW 2016) und einem Durchschnittpreis von ca. 5Cent ./kWh in 2021 eine Kostensteigerung für Heizenergie von ca. 15.000 Euro je Hektar Gewächshausfläche. Aber auch für andere Energieträger (Heizöl, Holz) stiegen die Einkaufspreise seit Beginn des Jahres erheblich (ca. 20 – 30 % bei Holz, ca. 60% bei Heizöl EL = extra leicht). Der CO2-Preis nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz erhöhte sich gegenüber 2021 ab 1. Januar 2022 für Erdgas um 0,10 Cent/kWh (von 0,51 auf 0,61Cent/kWh) und für Heizöl um 0,13 Cent/kWh. Bei 750.000 kWh Jahresenergieverbrauch je Hektar Gewächshausfläche sind dies Mehrkosten von 750 bzw. 975 Euro je Hektar.

  1. Wie steht die Landesregierung zu einer Befreiung von bzw. einer Aussetzung der CO2-Besteuerung für die Betreiber der Gewächshäuser?

Die auf Grundlage von § 11 Abs. 3 Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) erlassene BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung (BECV) ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen, besonders belasteten Branchen zur Vermeidung von Carbon Leakage und zum Erhalt ihrer grenzüberschreitenden Wettbewerbsfähigkeit eine Kompensation der durch das BEHG verursachten Belastungen. Nach hiesigen Informationen ist verbandsseitig die entsprechende Begünstigung für die in Rede stehende Branche bei der Deutschen Emissionshandelsstelle beantragt worden. Einer darüberhinausgehenden, speziellen branchenspezifischen Sonderregelung bedarf es nicht.

  1. Wie beabsichtigt die Landesregierung die Betreiber von Gewächshäusern finanziell zu entlasten?

Die Landesregierung begrüßt, dass der Bund erste Maßnahmen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen („Schutzschild der Bundesregierung für vom Krieg betroffene Unternehmen“) angesichts der insbesondere auch bei der Energie massiv gestiegenen Kosten beschlossenen hat. Weitere, zielgerichtete Entlastungen werden bedarfsgerecht entwickelt. Ziel muss es aber sein, bundeseinheitlich vorzugehen und einen unübersichtlichen Flickenteppich mit unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen zu vermeiden.

  1. Welche Konsequenzen hat die Ausrufung der dritten Stufe nach dem Notfallplan Gas (Alarmstufe) für die Betreiber der Gewächshäuser?

Als zuständige Behörde für die Sicherheit der Gasversorgung erklärte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 23. Juni 2022 auf der Grundlage von Art 11 (1) b. Verordnung (EU) 2017/ 1938 (europäischen SoS-Verordnung) die Alarmstufe gemäß „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“. Dabei handelt es sich um die zweite von insgesamt drei Eskalationsstufen. Die Ausrufung der ersten Eskalationsstufe (Frühwarnstufe) erfolgte bereits am 30. März 2022. Grund für die Ausrufung der Alarmstufe war die seit dem 14. Juni 2022 bestehende Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und das weiterhin hohe Preiseniveau am Gasmarkt. Die Ausrufung der Alarmstufe ist vorsorglich geschehen und soll den Ernst der Lage verdeutlichen. Zum einen wird in dieser Stufe die Beobachtung der Energieversorgungssituation intensiviert, zum anderen wird auf diese Weise ein Signal an alle Verbraucher gesetzt – sowohl in der Industrie, in öffentlichen Einrichtungen als auch in privaten Haushalten –, den Gasverbrauch deutlicher zu reduzieren. Derzeit besteht kein Anlass für eine Ausrufung der Notfallstufe, bei der die Bundesnetzagentur die Rolle des Bundeslastverteilers übernehmen würde (Stand 22. Juli 2022). Entscheidungen im Rahmen der Lastverteilung würden sich am lebenswichtigen Bedarf an Energie orientieren, der grundsätzlich in einer Vielzahl an Kundengruppen vorzufinden ist, und basieren somit auf einem differenzierten Lagebild und der Abwägung individueller und volkswirtschaftlicher Folgen von Maßnahmen.

 

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