Kleine Anfrage 2490
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Straftaten gegen Flüchtlinge in NRW im ersten Halbjahr 2023
Eine Anfrage zum Themenkomplex „Flüchtlingsfeindliche Straftaten“ für das Berichtsjahr 2022 hat ergeben, dass keine Straftaten gegen geplante oder im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte erfasst wurden. Insgesamt wurden 125 Straftaten gegen Flüchtlinge oder Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft oder Wohnung erfasst. Dabei konnte in 75 Fällen mindestens ein Tatverdächtiger ermittelt werden. Allerdings wurde kein Tatverdächtiger festgenommen. Insgesamt wurden 97 flüchtlingsfeindliche Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet, 21 dem Phänomenbereich „Ausländische Ideologie“ und eine Straftat „Religiöse Ideologie“. 6 Straftaten konnten nicht zugeordnet werden.1
Ziel dieser Anfrage für das erste Halbjahr 2023 ist es, eine differenziertere Aufschlüsselung der Straftaten zu erhalten.
So gilt es, die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren, der Anklagen, der Verurteilungen und der Einstellungen von Ermittlungen bzw. Verfahren darzulegen. Die Frage, ob im konkreten Fall Menschen direkt angegriffen wurden und zu Schaden kamen oder ob beispielsweise die Straftat gegen eine im Bau befindliche Unterkunftseinrichtung gerichtet war, konnte die Landesregierung bisher nicht ausreichend beantworten. Eine genaue Lagebeurteilung wird so zumindest erschwert.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2023 gegen geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte jeweils nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)
- Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2023 gegen Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft bzw. Wohnung in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte jeweils nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)
- Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten.)
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?
- Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten.)
Markus Wagner
1 Antwort der Landesregierung vom 15.02.2023, Drs. 18/3051.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2490 mit Schreiben vom 6. Oktober 2023 namens der Landesregierung beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten.
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
- gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebene oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Ob-jekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.
Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).
Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das Jahr 2023 ist noch nicht abgeschlossen und die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen mit Stand 15. September 2023 als vorläufige Zahlen zu betrachten.
- Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2023 gegen geplante bzw. im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte jeweils nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)
Eine Differenzierung zwischen geplanten bzw. im Bau befindlichen und fertiggestellten Flüchtlingsunterkünften erfolgt im KPMD-PMK nicht. Das Ergebnis einer Einzelfallauswertung bitte ich der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Straftaten gegen im Bau befindliche/geplante Flüchtlingsunterkünfte | ||||
Ort | Datum | Anzahl verletzte Personen | Phänomenbereich | Straftatbestand |
Vreden | 06.02.2023 | 0 | PMK-Rechts | § 306 StGB |
Versmold | 07.05.2023 | 0 | PMK-Rechts | § 86a StGB |
- Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2023 gegen Flüchtlinge bzw. Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft bzw. Wohnung in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte jeweils nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)
Im ersten Halbjahr 2023 wurden im KPMD-PMK in Nordrhein-Westfalen bislang 83 Straftaten gegen Flüchtlinge oder Asylsuchende außerhalb ihrer Unterkunft oder Wohnung erfasst. Es wurden keine Personen im Sachzusammenhang verletzt.
Weitergehende Angaben bitte ich der Anlage zu entnehmen.
- Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten.)
In keinem der in der Antwort auf Frage 1 genannten Fälle konnte ein Tatverdächtiger ermittelt werden.
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?
Ich verweise auf die Antwort zu Frage 1.
- Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten.)
Die Zuordnung einer Straftat in einen Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität erfolgt stets auf Grundlage und nach Betrachtung des Einzelfalls. So erfolgt eine Zuordnung, wenn nach Würdigung der Umstände der Tat Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person, wegen ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen Aufenthaltsstatus (Asylbewer-ber/Flüchtling) gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.