Straftaten gegen Flüchtlinge in NRW im ersten Halbjahr 2024?

Kleine Anfrage
vom 10.09.2024

Kleine Anfrage 4402

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Straftaten gegen Flüchtlinge in NRW im ersten Halbjahr 2024?

Die Anfrage zum Themenkomplex „Flüchtlingsfeindliche Straftaten“ für das erste Berichtshalbjahr 2022 ergab, dass sich die Anzahl entsprechender Straftaten auf 44 Fälle verringert hat. Dabei konnten in 22 Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. Bei 22 Straftaten konnte kein Täter eruiert werden. Insgesamt wurden 38 flüchtlingsfeindliche Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet, wobei davon 18 Straftaten als ungeklärt gelten.1

Das Ziel dieser Anfrage ist es, eine differenziertere Aufschlüsselung der Straftaten für das erste Halbjahr 2024 zu erhalten.

So gilt es, die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren, der Anklagen, der Verurteilungen und der Einstellungen von Ermittlungen bzw. Verfahren darzulegen. Die Frage, ob im konkreten Fall Menschen direkt angegriffen wurden und zu Schaden kamen, konnte die Landesregierung bisher nicht ausreichend beantworten. Eine genaue Lagebeurteilung wird so zumindest erschwert.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2024 gegen Flüchtlinge bzw. Asylsuchende in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)
  2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten.)
  3. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?
  4. Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zuordnung? (Bitte einzeln auflisten.)
  5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2024 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Straftaten?

Markus Wagner

 

MMD18-10604

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 18/520.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4402 mit Schreiben vom 23. Oktober 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten,
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerk­male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsor­gane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder
  • gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Hal­tung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorur­teilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religi­onszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten kön­nen sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftli­chen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.

Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a, 234b oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das Jahr 2024 ist noch nicht abge­schlossen und die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen mit Stand 19. September 2024 sind als vorläufige Zahlen zu betrachten.

  1. Wie viele Straftaten wurden im ersten Halbjahr 2024 gegen Flüchtlinge bzw. Asyl­suchende in Nordrhein-Westfalen verzeichnet? (Bitte nach Anzahl der verletzten Personen, Ort und Datum aufschlüsseln.)

Im ersten Halbjahr 2024 wurden im KPMD-PMK in Nordrhein-Westfalen bislang 113 flücht­lingsfeindliche Straftaten im Sinne der Fragestellung erfasst. In fünf dieser Fälle wurden sechs Personen verletzt.

Weitergehende Angaben sind der Anlage zu entnehmen.

  1. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermit­telt bzw. festgenommen werden? (Bitte einzeln nach Straftatbestand, Nati­onalität, Alter und Geschlecht auflisten.)

Im ersten Halbjahr 2024 wurden in 72 zu den in der Antwort auf Frage 1 genannten Fällen 78

Tatverdächtige ermittelt. Es wurde keine Person festgenommen.

Weitergehende Angaben sind der Anlage zu entnehmen.

  1. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte?

Als geklärt sind die Fälle anzusehen, bei denen ein oder mehrere Tatverdächtige ermittelt werden konnten. Die Aufteilung auf die Phänomenbereiche ist der folgenden Tabelle zu ent­nehmen.

Tatverdächtige ermittelt Phänomenbereich
Ausländische Ideologie Links Rechts Religiöse Ideologie Sonstige Zuord­nung
Ja 3 0 65 3 1
Nein 4 0 35 0 2

 

  1. Auf welcher Erkenntnisgrundlage erfolgte im letzteren Fall die konkrete Zu­ordnung? (Bitte einzeln auflisten.)

Die Zuordnung einer Straftat in einen Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität erfolgt stets auf Grundlage und nach Betrachtung des Einzelfalls. So erfolgt eine Zuordnung, wenn nach Würdigung der Umstände der Tat Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person, wegen ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen Aufenthaltsstatus (Asylbewer-ber/Flüchtling) gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Die Darstellung der Begründung zur Einordnung jeder Straftat in einen bestimmten Phäno-menbereich erfordert eine manuelle Auswertung jedes einzelnen Vorganges und ist mit ver­tretbarem Verwaltungsaufwand in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

  1. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstel­lungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr 2024 im Zusammenhang mit flüchtlingsfeindlichen Strafta­ten?

Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Dem Ministerium der Justiz liegen die zur Beantwortung erforderlichen Zahlen nicht vor und können mit einem vertretbaren Aufwand nicht beschafft werden. Verfahren wegen „flüchtlings­feindlicher“ Straftaten werden in den Statistiken und Datenbanken der Justiz nicht gesondert erfasst. Eine Erhebung der Daten würde daher eine Einzelauswertung der Akten aller in Be­tracht kommenden Verfahren erfordern.

 

MMD18-11137

Beteiligte:
Markus Wagner