Kleine Anfrage 3553
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Straftaten ohne PKS-Freigabe und deren Erfassung im Jahr 2023
In einer gutachterlichen Stellungnahme zur Umsetzung der Richtlinien des Bundeskriminalamtes für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) im Land Brandenburg hat Professor Dr. iur. Feltes M. A. unter anderem ausgeführt, dass die polizeiliche Aufklärungsquote als „Maßstab für Messung, Bewertung und Erfolg von Polizeiarbeit“ gilt. Es sei seit langem „bekannt und auch aus der polizeilichen Kriminalstatistik für Deutschland ablesbar, dass die Aufklärungsquote stark variiert und dass dabei vor allem zwei Faktoren eine große Rolle spielen:
Die Art der Straftat und die Charakteristika der Stadt, der Gemeinde oder des (Bundes-)Landes, für die dieser Wert angegeben wird. Wissenschaftlich gibt es darüber hinaus noch Hinweise darauf, dass soziale Faktoren (z.B. die Armutsquote) und möglicherweise die Anzahl der Straftaten, die der Polizei gemeldet werden, eine Rolle spielen.“1
Des Weiteren führt er in seinem Gutachten aus, dass nur ausländische Studien darauf hingewiesen haben, „dass Polizeibehörden ihre Unterlagen und ihre Erfassungen manipulieren, um die Aufklärungsquote künstlich zu erhöhen. Dazu gehören z.B. die Nichterfassung besonders schwieriger oder schwer aufklärbarer Fälle, die Verwendung einer breiten Definition von „Aufklärung“ und der Versuch, geständige Tatverdächtige dazu zu bewegen, mehr und auch weniger schwere Straftaten anzugeben, die dann als aufgeklärt in der Statistik erscheinen. Hinweise darauf, dass es solche Strategien auch in Deutschland gibt, liegen im Schrifttum m.W. nicht vor, auch wenn in der polizeilichen Praxis davon immer wieder berichtet wird.“2
Bei der Polizeilichen Kriminalstatistik handelt es sich um eine amtliche Statistik, die maßgeblich für die zahlenmäßige Erfassung von Straftaten, Tätern und Opfern ist. Dabei bildet sie sie allerdings nur die bekannt gewordenen Straftaten ab und diese auch nicht vollständig. Insofern hat der sächsische Landtagsabgeordnete Wippel diesen Sachverhalt in Form einer Kleinen Anfrage, Drucksache 7/15730 vom 2. Februar 2024 abgefragt.3
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Straftaten wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2023 erfasst und bearbeitet, die keine PKS-Freigabe erhalten haben, aber Delikte umfassen, die grundsätzlich in der PKS abgebildet werden? (Bitte nach Polizeidirektionen und Polizeirevieren sowie nach Deliktsgruppen.)
- Unter welchen Voraussetzungen erhalten polizeilich erfasste Straftaten, wie beispielsweise in Frage 1 abgefragt, keine PKS-Freigabe?
- Gemäß welcher Richtlinie erhalten polizeilich erfasste Straftaten, wie beispielsweise in Frage 1 abgefragt, keine PKS-Freigabe?
- Wer trifft die Entscheidung über eine PKS-Freigabe?
Markus Wagner
1 Vgl. https://www.cdu-fraktion-brandenburg.de/image/inhalte/file/140506_Gutachten_Feltes.pdf.
2 Ebenda.
3 Antwort des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 4. März 2024.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3553 mit Schreiben vom 2. Mai 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Wie viele Straftaten wurden in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2023 erfasst und bearbeitet, die keine PKS-Freigabe erhalten haben, aber Delikte umfassen, die grundsätzlich in der PKS abgebildet werden? (Bitte nach Polizeidirektionen und Polizeirevieren sowie nach Deliktsgruppen.)
Für die einheitliche Erfassung der polizeilich bekannt gewordenen Straftaten durch die Polizeidienststellen des Landes Nordrhein-Westfalen gelten die bundesweiten „Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik“. Die Ermittlerinnen und Ermittler der Kriminalpolizei NRW erfassen die bearbeiteten Ermittlungsvorgänge richtlinienkonform. Geprüft wird diese richtlinienkonforme Erfassung durch die jeweiligen Vorgesetzten, in der Regel die Kommissa-riatsleitungen. Ferner führt das Landeskriminalamt NRW bei den Kreispolizeibehörden intensive Qualitätskontrollen durch und sensibilisiert diese hinsichtlich einer richtlinienkonformen Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik, sodass Manipulationen verhindert und Fehlerfassungen minimiert werden.
Nach den bundesweiten Richtlinien werden sowohl die von der Polizei bearbeiteten Vergehen und Verbrechen als auch die mit Strafe bedrohten Versuche und die von der Polizei ermittelten Tatverdächtigen erfasst. Für die Erfassung der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik ist die Direktion Kriminalität der jeweiligen Kreispolizeibehörde, die den Fall abschließend bearbeitet, zuständig.
Um den Erfassungsstatus eines Vorganges in der Polizeilichen Kriminalstatistik festzulegen, bietet das Polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei NRW die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Relevanzen auszuwählen. Hierbei ist zwischen den Relevanzen
- Ja,
- Nein sowie
- Leer
zu unterscheiden. Handelt es sich um eine reine Auslandsstraftat oder erfüllt die Straftat nicht alle Tatbestandsmerkmale und ist somit nicht hinreichend konkretisiert, wird der Vorgang mit der Relevanz „Nein“ erfasst. Die Relevanz „Leer“ berücksichtigt Vorgänge, die einen Systemfehler beinhalten. Diese Vorgänge befinden sich in einem abgeschlossenen Zustand, sind jedoch trotz durchgeführter Plausibilitätsprüfung des Programms keiner der beiden anderen Re-levanzen zuzuordnen.
Zur Beantwortung der Frage wurden alle abgeschlossenen Vorgänge des Jahres 2023 im Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen, die einen grundsätzlich relevanten Erfassungsgrund für die Polizeiliche Kriminalstatistik aufweisen, ausgewertet. Der nachfolgenden Tabelle bitte ich die Anzahl der insgesamt erfassten Fälle – aufgeschlüsselt nach der Relevanz „Ja“, „Nein“, „Leer“ – zu entnehmen:
Insgesamt | 1 098 907 Fälle |
Relevanz „Ja“ | 1 030 119 Fälle – 93,7 % |
Relevanz „Nein“ | 67 579 Fälle – 6,2 % |
Relevanz „Leer“ | 1 209 Fälle – 0,1 % |
Die in der Tabelle aufgeführte Anzahl der insgesamt erfassten Fälle ist nicht deckungsgleich mit den insgesamt erfassten Fallzahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2023. Nicht alle der abgebildeten Fallzahlen werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfahlen übernommen. Des Weiteren werden hier die Fallzahlen aus dem vorherigen Vorgangsbearbeitungssystem sowie aus anderen (Bundes-) Behörden und Ländern nicht ausgewiesen.
- Unter welchen Voraussetzungen erhalten polizeilich erfasste Straftaten, wie beispielsweise in Frage 1 abgefragt, keine PKS-Freigabe?
Es wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Frage 1 verwiesen.
- Gemäß welcher Richtlinie erhalten polizeilich erfasste Straftaten, wie beispielsweise in Frage 1 abgefragt, keine PKS-Freigabe?
Es wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Frage 1 verwiesen.
- Wer trifft die Entscheidung über eine PKS-Freigabe?
Die Datenqualität wird zunächst im Rahmen der Fachaufsicht durch die Kommissariats-leitungen der Kreispolizeibehörden überprüft und bestätigt oder zur Korrektur zurückgewiesen. Ergänzend werden durch das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen Kontrollmaßnahmen durchgeführt.