Kleine Anfrage 6501der Abgeordneten Markus Wagner und Andreas Keith vom 22.03.2022
Sturmtiefs Ylena, Zeynep und Antonia richten schwere Schäden an
Am 16. Februar 2022 gibt das Innenministerium bekannt, dass, auf Grund einer Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes, am Donnerstag 17. Februar 2022, die Schulen in NRW geschlossen bleiben.
In den folgenden Tagen fegen die Sturmtiefs Ylena, Zeynep und Antonia über NRW und ganz Deutschland hinweg. Dabei richten sie schwere Schäden an. Herabfallende Ziegel, umgestürzte Bäume und zeitweise regionale Stromausfälle waren zu verzeichnen. Laut Informationen kamen während der Sturmtiefs Ylena und Zeynep wenigstens zwei Menschen ums Leben, einer schwebe in Lebensgefahr und weitere mindestens fünf Schwerverletzte wurden gemeldet.
Der versicherte Sachschaden beträgt nach ersten Schätzung, nur für Ylena und Zeynep 1,4 Milliarden Euro.1,2
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Inwieweit kamen Frühwarnsysteme zum Einsatz, um eine ähnliche Katastrophe wie im Ahrtal zu verhindern? (Welche und wie gut haben diese funktioniert?)
- Wann wurde die Landesregierung über das bevorstehende Unwetterereignis informiert?
- Welche Regionen waren in NRW am stärksten betroffen? (Bitte Art, Ausmaß und Schadenshöhe benennen)
- Wie hoch beläuft sich der Gesamtschaden in NRW, der durch die Unwetter verursacht wurde? (Bitte versichertem und unversichertem Schaden benennen)
- Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen bzw. wird ergreifen, um die betroffene Bevölkerung zu unterstützen (finanziell o.ä.)?
Markus Wagner
Andreas Keith
1https://www.land.nrw/pressemitteilung/unwetterwarnung-fuer-den-17-februar-2022 2https://www1.wdr.de/nachrichten/ticker-wetter-sturm-orkan-orkantief-donnerstag-100.html
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 6501 mit Schreiben vom 26. April 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet.
- Inwieweit kamen Frühwarnsysteme zum Einsatz, um eine ähnliche Katastrophe wie im Ahrtal zu verhindern? (Welche und wie gut haben diese funktioniert?)
Frühwarnsysteme über die amtlichen Unwetterwarnungen hinaus existieren nicht. Amtliche Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sind wie üblich zur Beurteilung der Lage herangezogen worden. Diese haben mit den üblichen prognostischen Unsicherheiten informiert.
- Wann wurde die Landesregierung über das bevorstehende Unwetterereignis informiert?
Die Wetterlage wurde seit dem Wochenende 12./13.02.2022 durch die Rufbereitschaft und das Referat 33 des Ministeriums des Innern (IM) beobachtet.
Der DWD hatte am 15.02.2022 und im weiteren Verlauf am 16.02.2022 seine Meldungen konkretisiert und für weite Teile von Nordrhein-Westfalen (NRW) Unwetterwarnungen ausgesprochen – insbesondere für den Norden und Osten. Gewarnt wurde ab der kommenden Nacht auf den 17.02.2022 vor Sturm- und schweren Sturmböen zwischen 90 und 100 km/h (Bft 9-10), kurzzeitig auch vor orkanartige Böen im Tiefland mit bis zu 110 km/h (Bft 11 – Unwetter). Im höheren Bergland wurde vor Orkanböen um 120 km/h (Bft 12 – Unwetter) gewarnt. Das erste Windmaximum wurde in der zweiten Nachthälfte erwartet.
Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) wurde erstmals per Vorabmeldung am 14.02.2022 von der bevorstehenden Wetterlage in Deutschland informiert.
In Bezug auf die Hochwasser-Situation in dem angefragten Zeitraum wurden durch den Hydrologen vom Dienst im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) frühzeitig relevante Wasserstände in den Gewässern und prognostizierte Niederschläge ausgewertet und Hydrologische Lageberichte verschickt. Die erste hydrologische Einschätzung erreichte das MULNV bereits am 14.02.2022. Darin waren die ersten unspezifischen Vorwarnungen aufgeführt. In den nächsten Tagen wurde die wasserwirtschaftliche Lage mindestens einmal täglich neu bewertet und in den Hydrologischen Lageberichten zusammengefasst. Alle Berichte wurden über die Bezirksregierungen im eigenen Zuständigkeitsbereich an die Leitstellen der Kreise und kreisfreien Städte weitergeleitet. Im Laufe der Tage entspannte sich die Hochwasser-Situation, so dass am 24.02.2022 der 22. Hydrologische Lagebericht als Schlussbericht vom LANUV versendet wurde.
- Welche Regionen waren in NRW am stärksten betroffen? (Bitte Art, Ausmaß und Schadenshöhe benennen)
Die Sturmtiefs verursachten hauptsächlich umstürzende Bäume oder abbrechende Äste und das Herumfliegen von losen Teilen und Dachziegeln. Zeitweilig kam es zu Einschränkungen der Verkehrswege (Straße und Schiene) und Einstellungen des Bahnverkehrs.
Anhand der Informationen über die Einsatzlage war aus Sicht der Gefahrenabwehr bei den Sturmtiefs „Xandra“ und „Ylenia“ das Münsterland am stärksten betroffen.
Besonderheiten:
- Im Kreis Borken verursachte ein umgestürzter Baum einen Stromausfall (ca. 5 Std.) mit den betroffenen Gemeinden Borken, Velen, Heiden, Raesfeld und Rhede. Insgesamt waren 95.000 Einwohner von dem Stromausfall betroffen.
- Im Kreis Recklinghausen kam es für ca. zwei Stunden unwetterbedingt zum Ausfall des Einsatzleitsystems.
Beim Sturmtief „Zeynep“ und „Antonia“ waren die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln am stärksten betroffen.
Besonderheiten:
- Im Rhein-Sieg-Kreis war in den Kommunen Hennef, Eitorf und Windeck in Teilen der Strom ausgefallen.
- In Krefeld wurden 90 Personen aus einen Zug evakuiert, der aufgrund umgefallener Bäume nicht weiterfahren konnte.
- Im Kreis Mettmann war in großen Teilen der Stadt Wülfrath der Strom ausgefallen. Zudem drohte in Wülfrath an einem Altenheim ein Baugerüst umzufallen. Höhenretter der Feuerwehr Essen waren zur überörtlichen Hilfe angefordert. Das Baugerüst wurde durch die Feuerwehr gesichert.
- Im Kreis Soest war in der Gemeinde Welver in den Ortsteilen Welver und Illingen der Strom ausgefallen.
- Im Kreis Steinfurt war auf der B54 bei Altenberge (Kreis Steinfurt) ein PKW von einem Baum begraben worden.
- In Duisburg drohten aufgrund der Sturmlage Teile des am Vorplatz des Duisburger Hauptbahnhofes aufgestellten Impfzeltes unkontrolliert auf innerstädtische Straßen und die Autobahn zu wehen.
- Im Kreis Viersen wurde das Impfzentrum aufgrund des Sturmes beschädigt und blieb am Samstag, 19.02.2022, geschlossen.
- Am Flughafen Düsseldorf blieb der Sky Train mit 17 Personen und einem Hund aufgrund eines Stromausfalls auf dem Flughafengelände stehen. Alle Personen und der Hund wurden befreit.
- Aufgrund des starken Windes wurde die A44 zwischen Dreieck Jackerath und Dreieck Holz in beiden Fahrtrichtungen gesperrt.
- Die Rheinbrücke der B220 in Emmerich am Rhein wurde aufgrund eines umgekippten Baugerüstes voll gesperrt.
Die Schadenshöhe wird im Rahmen der Gefahrenabwehr nicht erfasst. Angaben zur Schadenshöhe können daher nicht benannt werden.
Dem MULNV liegen Informationen zu den Schäden am Wald durch die benannten Unwetterereignisse vor. Diese belaufen sich auf eine Schadholzmenge von ca. 664.000 Kubikmetern, die sich aus einer Schadholzmenge von 525.000 Kubikmetern im Nadelholz und 139.000 Kubikmetern im Laubholz ergeben. Die durch flächigen Windwurf betroffene Waldfläche wird auf 480 Hektar geschätzt. Regionale Schwerpunkte der Sturmschäden bilden in Bezug auf die Schäden in Nadelholzbeständen die Wälder in den Regionalforstämtern Kurkölnisches Sauerland, Oberes Sauerland und Siegen-Wittgenstein. Die Schäden im Laubholz betreffen besonders die Regionen Hochstift und Ostwestfalen-Lippe. Die Schadenshöhe im Wald wird auf ca. 2,4 Millionen Euro geschätzt.
- Wie hoch beläuft sich der Gesamtschaden in NRW, der durch die Unwetter verursacht wurde? (Bitte versichertem und unversichertem Schaden benennen)
Der Landesregierung liegen keine Informationen zum Gesamtschaden im Land vor.
- Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen bzw. wird ergreifen, um die betroffene Bevölkerung zu unterstützen (finanziell o.ä.)?
Durch die genannten Sturmtiefs war keine Unwetterkatastrophe gegeben, die – über die übliche Gefahrenabwehr hinaus – besondere Unterstützungsmaßnahmen für die Bevölkerung erforderte bzw. erfordert. Die Bürgerinnen und Bürger sind im Rahmen ihrer privaten Vorsorge gehalten, sich rechtzeitig und ausreichend gegen Sturm- und Unwetterschäden zu versichern, um so die finanziellen Folgen abzudecken.
Die Landesregierung unterstützt den privaten und kommunalen Waldbesitz bei der Bewältigung der Waldschäden und der Wiederbewaldung durch fachliche Beratung und umfangreiche finanzielle Förderangebote im Rahmen der Förderrichtlinie Extremwetterfolgen.