Antrag
der Fraktion der AfD
Tatort 4.0: Ein virtueller Tatort für die moderne digitale Forensik in Nordrhein-Westfalen
I. Ausgangslage
Die Polizei in Bund und Ländern widmete sich in den letzten Jahren verstärkt der Digitalisierung ihrer Arbeit. So geht auch in Nordrhein-Westfalen die Digitalisierungsoffensive unter Innenminister Herbert Reul voran. Nach der schleppenden und mit Problemen behafteten Einführung des digitalen Polizeifunks im Jahr 2007 wurden 2019 – nach langjährigen Forderungen durch die GdP NRW – die ersten modernen Smartphones für Polizisten im operativen Dienst angeschafft. Innenminister Herbert Reul sah damit die Polizei in NRW als „die im Bereich der mobilen Kommunikation am besten ausgestattete Polizei Deutschlands“.1
Auch bei weiteren Möglichkeiten digitaler Polizeiarbeit möchte Innenminister Reul innovative Wege gehen. So wurde im Februar 2022 erstmals ein sogenannter Roboter zur Brandermittlung eingesetzt. Dabei handelt es sich um den Roboterhund „Spot“ der US-amerikanischen Firma Boston Dynamics. Ein zweiter „Robo-Dog“, diesmal mit einem Greifarm, ist seit 2023 im Einsatz.
Ebenfalls seit 2022 setzt das LKA Nordrhein-Westfalen die bereits 2019 beauftragte Daten-analysesoftware Gotham der US-Firma Palantir ein. Des Weiteren arbeitet die Polizei in NRW nach einer langjährigen Testphase seit 2021 in allen Kreispolizeibehörden mit der Einbruchs-Vorhersagesoftware „Skala“.
Jüngste digitale Innovation in der Polizeiarbeit ist die Ausschreibung für Systeme, die Polizeikräfte mit Einsatz von virtueller Realität bei der Ausbildung und Training unterstützen. In den USA ist dieses „VR-Training“ bereits weit verbreitet. Das dafür zuständige Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP) möchte, dass nach einer langen Testphase am europaweiten VR-Projekt „Shotpros“ „die Aus- und Weiterbildung in der Polizei „mit Hilfe von modernen Technologien effektiver und realistischer gestaltet werden kann““2. Der Einsatz dieser VR-Systeme ist für Dezember 2023 geplant.
Der Einsatz von 3D-Technik hat bei der Arbeit der Polizei in Nordrhein-Westfalen eine lange Tradition. Bereits 2003 waren beim Landeskriminalamt NRW deutschlandweit die ersten sogenannten 3D-Scanner im Einsatz. Diese konnten per Lasertechnik Tatorte detaillierter und schneller erfassen, als es bisher durch den Einsatz herkömmlicher Technik möglich war. Bis heute wird diese 3D-Technik in NRW verwendet, um der Polizei mit Hilfe der daraus kreierten 360-Grad-Panoramen erweiterte Möglichkeiten der Tatrekonstruktion zu geben.3
Andere Bundesländer, etwa Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg, haben den Einsatz der Laser-Scanner ausgebaut, um daraus detailgetreue und virtuell begehbare 3D-Modelle des Tatorts zu erstellen, die auch vor Gericht zum Einsatz kommen können. So erstellen die Ingenieure des LKA Bayerns schon seit 2014 virtuelle Umgebungen, die bereits mehrfach bei Gerichtsprozessen für erweiterte Informationen sorgten.
Mit Hilfe dieser sogenannten digitalen Zwillinge eines Tatorts können Tathergänge mit allen Details gerichtsfest nachgestellt werden, um so Zeugen- und Täteraussagen zu verifizieren. Der Vorteil an einer solchen virtuellen Tatortbegehung ist, dass sämtliche Details der Spurensicherung in die Umgebung einfließen können, wo vorher Ermittler, Staatsanwaltschaft und Gerichte voneinander getrennt präsentierte Informationen zu Tatort, Tathergang und Asser-vate/Beweisgegenstände und sogar den zum Tatzeitpunkt aktuellen Wetter- und Verkehrsbericht kombinieren mussten. In Zukunft soll sogar die forensische Auswertung von Blutspritzern, Fingerabdruckanalysen und DNA-Funden in das 3D-Modell einfließen. Nach langjährigen Entwicklungszeiten stellten das LKA Bayern und der bayerische Innenminister Herrmann den seit langen von den Entwicklern ersehnte Tatort-Virtual-Reality-Raum, auch Holodeck genannt, der Öffentlichkeit vor. Die Entwickler stellten bei der Präsentation des Projektes in Aussicht, dass „auch bei ganz alten Fällen der Virtual-Reality-Tatortraum für die Beweisfindung künftig zum Einsatz kommen könnte“.4
Angesichts dieser vielfältigen Erfolge anderer Bundesländer bei der Digitalisierung der Polizeiarbeit dürfen Nordrhein-Westfalen und der Innenminister sich nicht auf ihren bisherigen Projekten ausruhen, sondern müssen in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern neue innovative Projekte zügig auch in NRW umsetzen. Kritik aus den Reihen der Polizeigewerkschaften zur ungenügenden Digitalisierungsdynamik5 des Innenressorts sollte dabei ernstgenommen und mit weiteren Investitionen begegnet werden.
II. Der Landtag stellt fest
- Sogenannte digitale Zwillinge von realen Abläufen sind nicht nur wichtig bei der digitalen Wandlung der Wirtschaft zur Industrie 4.0, sondern können auch bei der Arbeit der Polizei für schnellere und detailliertere Erkenntnisse sorgen.
- Mit Hilfe der aktuellen Digitalisierungsprojekte der Polizei, insbesondere beim KTI des LKA, dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) und dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD), wird der digitale Rückstand aus den vergangenen Jahren ausgeglichen.
- Technischer Stillstand bei der Polizei bedeutet Rückschritt.
- Die Erfolge in anderen Bundesländern bei der innovativen Anwendung der Technik der Virtualisierung von Tatorten zeigen das Potential von virtueller Polizeiarbeit, welches auch in Nordrhein-Westfalen genutzt werden muss.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- intensiv und im Austausch mit anderen, auf dem Gebiet der Virtualisierung von Tatorten, führenden Bundesländern zu prüfen, inwieweit deren 3D Systeme übernommen werden können.
- zu prüfen, inwieweit Synergien aus der bisherigen digitalen Tatortvermessung (3D-La-serscan/HDR-360-Grad-Fotografie) und des sich bereits im Auftrag befindlichen Virtual-Reality-Projekt Shotpros vorhanden sind und für den Aufbau eines Virtual-Reality-Sys-tems zur Ermittlungsarbeit und deren gerichtlichen Präsentation genutzt werden können.
- finanzielle und personelle Voraussetzung zu schaffen, damit die Ermittlungsbehörden Nordrhein-Westfalens frühestmöglich für den Einsatz der neuen Virtualisierungssysteme vorbereitet sind.
Sven W. Tritschler
Markus Wagner
Prof. Dr. Daniel Zerbin
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www.im.nrw/smartphone-loesung-fuer-die-nrw-polizei
3 https://lka.polizei.nrw/artikel/hdr-360-grad-fotodokumentation
5 https://www1.wdr.de/nachrichten/polizei-nrw-vr-training-virtual-reality-100.html