Kleine Anfrage 1608
des Abgeordneten Carlo Clemens vom 29.03.2023
Teilverkäufe von Immobilien in Nordrhein-Westfalen – Sachstand und Handlungsbedarf
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin warnt vor Teilverkauf-Modellen von Immobilien, die sich häufig an ältere Menschen richten. Laut BaFin werden Teilverkäufe als „schnell, unkompliziert und lebenslang sicher angepriesen, obwohl sie vieles nicht halten, was die Werbung verspricht.“1 Bei einem Teilverkauf verkaufen Eigentümer bis zu 50 Prozent ihrer Immobilie an ein Unternehmen. Sie bemächtigen das Unternehmen, die Immobilie später zu veräußern; spätestens im Todesfall. Bis zum Gesamtverkauf kann die Immobilie weiter bewohnt oder vermietet werden. Dafür wird ein Nießbrauch-Nutzungsrecht vereinbart. Für die Nutzung müssen die bisherigen Eigentümer ein monatliches Nutzungsentgelt zahlen. Die laufenden Kosten der Immobilie fallen weiter an. Das Nutzungsentgelt kann beispielsweise fünf Prozent des Teilkaufpreises pro Jahr betragen, sodass der eingenommene Teilkaufpreis in zwanzig Jahren aufgezehrt sein wird. Wer das monatliche Nutzungsentgelt nicht mehr zahlen kann, dem droht der Hausverkauf und letztlich auch der Auszug.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie viele Wohngebäude in Nordrhein-Westfalen wurden in den Jahren 2020, 2021 und 2022 teilverkauft (bitte aufschlüsseln nach Kreisen und kreisfreien Städten)?
- Inwieweit liegen der Landesregierung bei Teilverkäufen Erkenntnisse über Auffälligkeiten bzw. Schwerpunkte bei Zielgruppen o.ä. vor (bitte aufschlüsseln nach Kreisen und kreisfreien Städten)?
- Sind der Landesregierung in den Jahren 2020, 2021 und 2022 Fälle bekannt, bei denen Haus- und Wohnungseigentümer das monatlich anfallende Nutzungsentgelt nach Teilverkäufen nicht mehr zahlen konnten und deshalb die Immobilie vorzeitig verkaufen mussten?
- Inwiefern plant die Landesregierung bezogen auf Teilverkaufsmodelle Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen oder sonstige Initiativen für Bürger, insbesondere für Hausund Wohnungseigentümer in Nordrhein-Westfalen, um im Sinne des Verbraucherschutzes Aufklärung gegen unseriöse Geschäftsmodelle zu betreiben?
Carlo Clemens
1 https:// www .spiegel.de/wirtschaft/service/bafin-warnt-vor-teilverkauf-von-immobilien-a-ec79de90-be8c-445c-9d66-17f8563291a5.
Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1608 mit Schreiben vom 20. April 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie viele Wohngebäude in Nordrhein-Westfalen wurden in den Jahren 2020, 2021 und 2022 teilverkauft (bitte aufschlüsseln nach Kreisen und kreisfreien Städten)?
Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen oder Einzelstatistiken vor.
Im Rahmen der bundesweit abgestimmten Geschäftsübersichten der Amtsgerichte in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Geschäftsübersichten – GÜ) werden eingereichte Urkunden sowie Unrichtigkeitsnachweise betreffend die Begründung, Aufteilung und Veränderung von Wohnungs- und Teileigentum sowie Erbbaurechte unter einer gemeinsamen Ziffer (12 01 10) erfasst. Eine weitergehende Differenzierung nach Teilverkäufen von Wohngebäuden findet in der vorgenannten Statistik nicht statt, so dass eine Beantwortung der Frage 1 der Kleinen Anfrage 1608 anhand der der Landesregierung vorliegenden statistischen Daten nicht möglich ist.
Für die Beantwortung der Kleinen Anfrage wäre daher eine händische Auswertung aller in Betracht kommender Einzelvorgänge erforderlich. Dies ist in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit vertretbarem Aufwand möglich.
- Inwieweit liegen der Landesregierung bei Teilverkäufen Erkenntnisse über Auffälligkeiten bzw. Schwerpunkte bei Zielgruppen o.ä. vor (bitte aufschlüsseln nach Kreisen und kreisfreien Städten)?
Die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) stellte bei ihren Beratungen im Rahmen der 18. Sitzung der VSMK im Jahr 2022 fest, dass Immobilien-Teilverkaufsangebote hauptsächlich auf Seniorinnen und Senioren ausgerichtet sind. Weitere Informationen oder Einzelstatistiken liegen der Landesregierung nicht vor.
Auch die Verbraucherzentrale NRW konnte im Rahmen einer stichprobenartigen Untersuchung feststellen, dass die Anbieter ihr Angebot insbesondere auf Rentnerinnen und Rentner bzw. Ruheständler ausrichten. Weitere Daten und Erkenntnisse liegen der Verbraucherzentrale NRW ebenfalls nicht vor.
- Sind der Landesregierung in den Jahren 2020, 2021 und 2022 Fälle bekannt, bei denen Haus- und Wohnungseigentümer das monatlich anfallende Nutzungsentgelt nach Teilverkäufen nicht mehr zahlen konnten und deshalb die Immobilie vorzeitig verkaufen mussten?
Die Landesregierung erhebt keine entsprechenden Daten. Ihr sind daher keine Fälle bekannt.
- Inwiefern plant die Landesregierung bezogen auf Teilverkaufsmodelle Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen oder sonstige Initiativen für Bürger, insbesondere für Haus- und Wohnungseigentümer in Nordrhein-Westfalen, um im Sinne des Verbraucherschutzes Aufklärung gegen unseriöse Geschäftsmodelle zu betreiben?
Die Landesregierung fördert die Verbraucherzentrale NRW und damit auch deren Informations-, Aufklärungs- und Beratungsarbeit. Die Verbraucherzentrale NRW informiert Verbraucherinnen und Verbraucher auch über Risiken von speziellen Geschäftsmodellen.
Auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW finden Verbraucherinnen und Verbraucher auch Informationen zum Immobilien-Teilverkauf sowie zu ähnlichen Produkten. Die Verbraucherzentrale NRW weist Verbraucherinnen und Verbraucher hier insbesondere auch auf die Risiken dieser Geschäftsmodelle hin und verweist ergänzend auf die Checklisten und Informationen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Immobilien-Teilverkauf.
Die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) hat auf der 18. Sitzung einen Beschluss gefasst und darauf hingewiesen, dass es aus Sicht der VSMK dringend geboten ist, den Markt des Immobilien-Teilverkaufs stärker zu regulieren. Die VSMK hat mit Unterstützung des Landes NRW den Bund daher dazu aufgefordert, die Einführung rechtlicher Rahmenbedingungen, die mehr Transparenz beim Immobilien-Teilverkauf schaffen und Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, die Folgen eines Immobilien-Teilverkaufs besser abschätzen zu können, zu prüfen und ggf. umzusetzen. Die VSMK hat dem Bund konkrete Vorschläge zu der Einführung weiterer Informations- und Hinweispflichten bei einem Immobilien-Teilverkauf gemacht.
Für den Bereich des geförderten Wohnungsbaus sieht das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung keine Notwendigkeit von besonderen Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen. Der geförderte Wohnungsbau – mit seinem Unterfall der Eigentumsförderung – legt die Nutzung, die Verkäufe und die Einhaltung der mietvertraglichen Regelungen nach BGB über das WFNG NRW fest. Verkäufe von Teilen einer einzelnen Immobilie sind weder nach dem WFNG NRW noch nach den dazugehörigen Richtlinien vorgesehen und zulässig. Abverkäufe der gesamten geförderten Wohnungen, von Gebäuden oder Häusern sind der NRW.BANK vorab mitzuteilen. Insoweit besteht keine inhaltliche oder rechtliche Notwendigkeit, die Thematik „Teilverkäufe“ und ihre Rechtsfolgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Rahmen der öffentlichen Wohnraumförderung in den Blick zu nehmen.