Therapieansätze zwecks Behandlung von pädophilen Neigungen in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage
vom 02.02.2024

Kleine Anfrage 3300

des Abgeordneten Professor Dr. Daniel Zerbin AfD

Therapieansätze zwecks Behandlung von pädophilen Neigungen in Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen sind laut Polizeilicher Kriminalstatistik im Jahre 2022 insgesamt 4.133 Fälle des Missbrauchs von Kindern gemäß §§ 176–176e StGB bekannt geworden, von denen 686 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176c StGB darstellten. Der Missbrauch von Jugendlichen gemäß § 182 StGB betrug im gleichen Zeitraum 355 Fälle, der Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 StGB 120 Fälle. Aber auch der Straftatbestand der Kinderpornografie nach § 184b StGB betrug im Jahre 2022 insgesamt 11.183 Fälle, Jugendpornografie nach § 184c StGB insgesamt 1.839 Fälle.1

Einen präventiven Ansatz, um Straftaten aufgrund von pädophilen Neigungen erst gar nicht aufkommen zu lassen, betreibt die Internetseite des Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“, die hierfür von den gesetzlichen Krankenkassen sowie vom Bundesministerium der Justiz gefördert wird. Auf dieser Seite können sich Männer und Frauen mit pädophilen Neigungen Informationen über Beratungsangebote einholen, um therapeutische Hilfe erhalten zu können.2

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Welche Therapieansätze werden in nordrhein-westfälischen Beratungsinstitutionen verfolgt, um Menschen mit pädophilen Neigungen zu behandeln? (Bitte unter Angabe der wissenschaftlichen Basis auflisten.)
  2. Wie häufig werden diese unter Punkt 1. bezeichneten Angebote in Nordrhein-Westfalen genutzt? (Bitte aufschlüsseln nach den letzten 10 Jahren und Örtlichkeiten sowie den zur Verfügung stehenden Einrichtungen und Institutionen.)
  3. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Lockerung für die Haft oder den Maßregelvollzug bei Inhaftierten mit pädophilen Neigungen positiv zu bescheiden?
  4. Wie häufig werden die unter Punkt 1. benannten Angebote vor Beendigung der Therapie abgebrochen? (Bitte aufschlüsseln nach den letzten 10 Jahren sowie dem Therapiezeitraum vor dem Abbruch der Therapie)
  5. Wie häufig werden Personen, die sich aktiv in Behandlung begeben haben, rückfällig? (Bitte aufschlüsseln nach den letzten 10 Jahren, dem Therapiezeitraum vor dem Rückfall, nach Freiwilligen in der Therapie, Inhaftierten nach Strafhaft und Maßregelvollzug sowie danach, ob eine Lockerung der Haft vorlag)

Prof. Dr. Daniel Zerbin

 

MMD18-7991

 

1 https://beauftragte-missbrauch.de/mediathek/publikationen/zahlen-und-fakten (abgerufen am 19.01.2024).

2 https://www.kein-taeter-werden.de/ (abgerufen am 19.01.2024).


Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 3300 mit Schreiben vom 5. März 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit Minister der Justiz beantwortet.

  1. Welche Therapieansätze werden in nordrhein-westfälischen Beratungsinstitutio­nen verfolgt, um Menschen mit pädophilen Neigungen zu behandeln? (Bitte unter Angabe der wissenschaftlichen Basis auflisten.)
  2. Wie häufig werden diese unter Punkt 1. bezeichneten Angebote in Nordrhein-Westfalen genutzt? (Bitte aufschlüsseln nach den letzten 10 Jahren und Örtlich­keiten sowie den zur Verfügung stehenden Einrichtungen und Institutionen.)

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Den Betroffenen stehen unter anderem die Angebote der ambulanten und stationären psychi­atrischen und psychotherapeutischen Hilfesysteme zur Verfügung. Konkrete Daten bzgl. mög­licher Therapieansätze und Beratungsinstitutionen zur Behandlung von Betroffenen mit pädo­philen Neigungen sowie deren Inanspruchnahme sind der Landesregierung Nordrhein-West­falen nicht bekannt.

Eine etablierte Beratungsstruktur in Nordrhein-Westfalen wird am Universitätsklinikum Düssel­dorf vorgehalten. Als ein Standort des in der Kleinen Anfrage genannten Präventionsprojekts „Kein Täter werden“ bietet das Universitätsklinikum Betroffenen vor Ort Unterstützung an.

Hintergrund des Projekts ist eine Beauftragung des GKV-Spitzenverbands (GKV-SV) in § 65d SGB V, Modellvorhaben zur Prävention und anonymen Behandlung bei pädophiler Sexualstö­rung zu fördern. Die Standorte des Netzwerks „Kein Täter werden“ orientieren sich in der Regel am Therapiemanual der Berliner Dissexualitätstherapie (BEDIT), einem multimodalen, verfah­rensübergreifenden Therapieansatz, der vor allem auf den Techniken der kognitiven-behavio-ralen Verhaltenstherapie aufbaut. Die Förderung nach § 65d SGB V umfasst ausschließlich die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Dunkelfeld und dient primär der Prävention von Straftaten, weshalb Einflüsse auf Haft oder Maßregelvollzug bei der Therapie im Rahmen der Förderung durch den GKV-SV keine Rolle spielen können.

Weiter wurde der GKV-SV mit dem § 65d Absatz 2 SGB V beauftragt, eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation zur Erreichung der Ziele der Modellvorhaben zu veranlassen. Die Evaluation, die noch bis zum 2. Quartal 2026 laufen wird, erfolgt durch die Professur für Klini­sche Psychologie und Psychotherapie der TU Chemnitz.

  1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Lockerung für die Haft oder den Maßregelvollzug bei Inhaftierten mit pädophilen Neigungen positiv zu bescheiden?

Die Therapeutische Leitung der jeweiligen Einrichtung bestimmt für jede untergebrachte Per­son individuell Art und Maß der Freiheitseingriffe in Graden nach Maßgabe der derzeit gelten­den Rechtslage.

Das Maß der Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht bei der Durchführung von strafrechtsbezo­genen Unterbringungen in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten in Nordrhein-Westfalen richtet sich gemäß § 4 StrUG NRW nach der von der untergebrachten Person ausgehenden prognostizierten Gefahr. Art und Weise sowie Intensität der Freiheits­eingriffe und -einschränkungen richten sich nach der Behandlungsnotwendigkeit und den Si­cherheitserfordernissen, die durch die Krankheit der jeweils untergebrachten Person und de­ren Auswirkungen bedingt sind und sind somit auf die zu erwartenden erheblichen rechtswid­rigen Taten zu beziehen und konkret an ihnen auszurichten. Die Festsetzungen von Art und Dauer der Eingriffe sind fortlaufend zu überprüfen.

Bei der Risikoeinschätzung zur Festsetzung von Art und Maß der Freiheitseinschränkungen sind in Nordrhein-Westfalen neben der Anwendung zumindest eines wissenschaftlich aner­kannten und standardisierten Prognoseinstruments ebenfalls folgende Aspekte zwingend zu berücksichtigen: deliktrelevante Vorgeschichte, Persönlichkeitsquerschnitt und aktuelle Krank-heitssymptomatik, Behandlungsverlauf, soziale Perspektive sowie protektive Faktoren.

Bei untergebrachten Personen, bei denen hinsichtlich ihrer Anlasstat, insbesondere bei Tö-tungs-, schweren Gewalt- und Sexualdelikten, ihrer Störung oder ihres Behandlungsverlaufs eine besondere Komplexität bei der Beurteilung der von ihnen ausgehenden Gefahr vorliegt, ist vor ersten Rücknahmen von Freiheitsbeschränkungen, bei denen eine Aufsicht durch Be­schäftigte der Einrichtung nicht gewährleistet ist, grundsätzlich das Benehmen mit der Voll­streckungsbehörde herzustellen.

Nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen können vollzugsöff­nende Maßnahmen (Lockerungen) gewährt werden, wenn verantwortet werden kann zu er­proben, dass sich weder die Gefangenen dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen noch die vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Begehung von Straftaten missbraucht werden. Ob eine vollzugsöffnende Maßnahme verantwortet werden kann, wird für jeden Gefangenen einge­hend geprüft.

  1. Wie häufig werden die unter Punkt 1. benannten Angebote vor Beendigung der Therapie abgebrochen? (Bitte aufschlüsseln nach den letzten 10 Jahren sowie dem Therapiezeitraum vor dem Abbruch der Therapie)

Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor.

  1. Wie häufig werden Personen, die sich aktiv in Behandlung begeben haben, rück­fällig? (Bitte aufschlüsseln nach den letzten 10 Jahren, dem Therapiezeitraum vor dem Rückfall, nach Freiwilligen in der Therapie, Inhaftierten nach Strafhaft und Maßregelvollzug sowie danach, ob eine Lockerung der Haft vorlag)

Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor.

 

MMD18-8380