Kleine Anfrage 4720
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Über 100 verurteilte Mörder und Totschläger in Berlin auf freiem Fuß – Wie ist die Lage in Nordrhein-Westfalen?
Die Berliner Senatsinnenverwaltung legte schockierende Zahlen über die Anzahl offener Haftbefehle offen. Demnach sind in Berlin 59 verurteilte Mörder und 66 verurteilte Straftäter wegen Totschlags auf freiem Fuß, weil die Haftbefehle bis heute nicht vollzogen wurden. Hinzu kommen Haftbefehle gegen weitere 57 verdächtige Mörder und 6 Verdächtige wegen Totschlag.1
Neben Dutzenden Mördern und Totschlägern kamen weitere Hunderte verurteilte Straftäter ungestraft davon, unter anderem wegen Wohnungseinbruch (62 Täter), schwerem Raub (163 Täter) und gefährlicher Körperverletzung (162 Täter). Die Anzahl an offenen Haftbefehlen beläuft sich mit Stand vom 1. Juli 2024 insgesamt auf 8.581. Das sind fast 1000 mehr als im Vorjahr (7.653). Darunter befinden sich 1.358 Haftbefehle zur Untersuchungshaft, die bis heute nicht vollstreckt wurden. Außerdem sind 5.773 Haftbefehle seit mehr als sechs Monaten offen. Aus Sicht eines Linken-Abgeordneten sei die hohe Anzahl der offenen Haftbefehle nicht nachvollziehbar: „Es ist alarmierend, dass sich die Zahl der offenen Haftbefehle weiter erhöht hat“. Er kritisiert insbesondere die hohe Anzahl an Mördern und Totschlägern, die in Berlin auf freiem Fuß sind: „Ich frage mich, wie Justizsenatorin Badenberg und Innensenatorin Spranger nachts ruhig schlafen können, während aktuell 125 Mörder und Totschläger, 159 Räuber und 2.860 Diebe frei herumlaufen, obwohl sie verurteilt wurden.“ Die Justizverwaltung beschwichtigte die hohen Zahlen und erklärte, dass die Statistik auch Straftäter beinhaltet, die bereits nach Absetzen einer Freiheitsstrafe gegen Bewährungsauflagen verstoßen hätten, weswegen die Polizei erneut nach ihnen fahnden würde. Den genauen Anteil solcher Fälle gab die Justizverwaltung nicht an. Bislang wurden von öffentlichen Stellen zwar keine weiteren Ursachen für die hohe Anzahl an offenen Haftbefehlen angegeben. Die Berliner Polizei hat aber bekanntlich in den letzten Jahren immer wieder mit Überlastungen zu kämpfen – insbesondere durch die Vielzahl an Ermittlungsverfahren. Diese haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend gehäuft.2
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele verurteilte Mörder respektive Totschläger befinden sich derzeit in Nordrhein-Westfalen auf freiem Fuß?
- Wie viele sonstige verurteilte Gewalttäter befinden sich derzeit in Nordrhein-Westfalen auf freiem Fuß?
- Welche Maßnahmen wurden respektive werden ergriffen, um die Überwachung der in 1 und 2 abgefragten Personen zu gewährleisten?
- Inwiefern plant die Landesregierung, die Zusammenarbeit zwischen Strafvollzugsanstalten und der Polizei zu verstärken, um sicherzustellen, dass verurteilte Straftäter, die auf Bewährung entlassen werden, angemessen überwacht werden?
- Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit über die potenziellen Gefahren durch auf freiem Fuß befindliche Schwerverbrecher informiert wird und gleichzeitig deren Rechte geschützt werden?
Markus Wagner
1 Vgl. https://apollo-news.net/ber-100-verurteilte-mrder-und-totschlger-in-berlin-auf-freiem-fu/.
2 Ebenda.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4720 mit Schreiben vom 16. Januar 2025 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Kleine Anfrage beruht augenscheinlich auf den Annahmen, dass offenen, d. h. nicht vollstreckten Haftbefehlen, stets rechtskräftige Verurteilungen zugrunde liegen und ihre Anzahl ein Vollzugsdefizit belegen könnte. Beides ist nicht der Fall. Gleiches gilt für die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage wiedergegebene Schlussfolgerung, dass der Anzahl offener Haftbefehle ein Personenkreis entspräche, der sich unter den Augen öffentlicher Stellen auf freiem Fuße befindet. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die LT-Vorlagen 18/2899 und 18/3173 Bezug genommen.
- Wie viele verurteilte Mörder respektive Totschläger befinden sich derzeit in Nordrhein-Westfalen auf freiem Fuß?
Statistiken im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor.
- Wie viele sonstige verurteilte Gewalttäter befinden sich derzeit in Nordrhein-Westfalen auf freiem Fuß?
Statistiken im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor.
- Welche Maßnahmen wurden respektive werden ergriffen, um die Überwachung der in 1 und 2 abgefragten Personen zu gewährleisten?
Soweit sich verurteilte Personen im Sinne der Fragen 1 und 2 berechtigterweise auf freiem Fuß befinden, werden diese grundsätzlich nicht überwacht. Im Sinne der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage 4720 ist ergänzend festzustellen, dass Haftbefehle nicht auf eine Überwachung flüchtiger Personen – nach denen polizeilich gefahndet wird – abzielen, sondern auf eine damit unvereinbare Verhaftung.
- Inwiefern plant die Landesregierung, die Zusammenarbeit zwischen Strafvollzugsanstalten und der Polizei zu verstärken, um sicherzustellen, dass verurteilte Straftäter, die auf Bewährung entlassen werden, angemessen überwacht werden?
Justizvollzug, Maßregelvollzug, Vollstreckungsbehörde, Bewährungsaufsicht, Führungsaufsicht und Polizei arbeiten in Nordrhein-Westfalen eng zusammen. Zur Verringerung des Rück-fallrisikos von nach ihrer Entlassung unter Führungsaufsicht stehenden Sexualstraftätern wurde die Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in Nordrhein-Westfalen (kurz: „KURS NRW“) entwickelt. Das Konzept sieht vor, dass potenziell gefährliche Straftäter nach ihrer Haftentlassung nicht in die Anonymität abtauchen können, sondern gezielt in den Blick genommen werden. Ein zentrales Instrument von „KURS NRW“ bilden gemeinsame Fallkonferenzen zwischen Justizvollzug, Polizei und der Führungsaufsichtsstelle des Ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz. Diese finden bereits während der Inhaftierung statt, um die Entlassung vorzubereiten und durch wirksame Maßnahmen eine angemessene Kontrolle nach der Haft sicherzustellen. Ähnliche Fallkonferenzen finden im Einzelfall auch bei anderen potenziell gefährlichen Personen statt, wenn ein Kooperationspartner dies für erforderlich hält.
- Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit über die potenziellen Gefahren durch auf freiem Fuß befindliche Schwerverbrecher informiert wird und gleichzeitig deren Rechte geschützt werden?
Die gesetzlichen Bestimmungen zur polizeilichen Gefahrenabwehr sehen Befugnisse für eine generelle Information der Öffentlichkeit über eine etwaige Gefährlichkeit von verurteilten und beispielsweise aus der Haft entlassenen Straftäterinnen und Straftätern nicht vor. Gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr in konkreten Einzelfällen richten sich nach dem Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen.