Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – welche Haltung nimmt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ein?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1151
des Abgeordneten Dr. Hartmut Beucker und Prof. Dr. Daniel Zerbin vom 25.01.2023

Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz welche Haltung nimmt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ein?

Preußen ist Geschichte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ordnete der Alliierte Kontrollrat am 16. Februar 1947 die Auflösung des Staates Preußen an. Preußen wurde als mitverantwortlich für den Nationalsozialismus angesehen, wobei in den Nachkriegsdebatten über die Schuldfrage kontrovers diskutiert wurde.1

Kunstsammlungen, Bibliotheks- und Archivbestände waren während des Krieges ausgelagert worden. Teile befanden sich nach Kriegsende auf dann polnischem Gebiet, Teile wurden in die Sowjetunion abtransportiert. An verschiedenen Collecting Points wurden die in den drei westlichen Besatzungszonen gelagerten preußischen Kulturgüter gesammelt.

Als Nachfolgestaaten Preußens übernahmen die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen treuhänderisch die sich auf dem jeweiligen Territorium befindenden preußischen Bestände.

Da die Zusammenführung des preußischen kulturellen Erbes als nationale Aufgabe begriffen wurde, verabschiedete der Bundestag am 25. Juli 1957 das „Gesetz über die Errichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung“.

Es entstand eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts, von Bund und Ländern gemeinsam getragen, der Eigentum und Verwaltung des preußischen Kulturbesitzes anvertraut wurde.

1958 gab die Sowjetunion Teile der abtransportierten Bestände an die DDR zurück und die in Westdeutschland befindlichen Bestände wurden größtenteils nach West-Berlin gebracht.

Nachdem zu Beginn nur die Bundesländer Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sowie Berlin bereit waren, die Stiftung zu finanzieren, kamen 1975 die anderen Bundesländer hinzu und am 1. Januar 1992 auch die fünf neuen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Im 1996 unterzeichneten „Abkommen über die gemeinsame Finanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ ist die Finanzierung der Stiftung geregelt. Der Bund übernimmt 75 Prozent des öffentlich getragenen Teils des Betriebshaushaltes, die Bundesländer 25 Prozent. Für die Betriebskosten ist ein Sockelbetrag von 120 Millionen Euro jährlich festgelegt. Diesen überschreitende Beträge trägt der Bund zu 75 Prozent, das Bundesland Berlin zu 25 Prozent. Den Bauhaushalt der Stiftung finanziert der Bund seit 2003 allein.

Im Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellen der Bund und die Bundesländer Berlin und Nordrhein-Westfalen satzungsgemäß je zwei Vertreter, alle anderen Bundesländer je einen.

Vorsitzende der Stiftung ist zur Zeit die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, Stellvertreter der Vorsitzenden sind Staatssekretär Steffen Saebisch vom Bundesministerium der Finanzen, die Brandenburgische Ministerin Manja Schüle und Abteilungsleiterin Dr. Hildegard Kaluza aus Nordrhein-Westfalen.2

Präsident der Stiftung ist seit 2008 Dr. Hermann Parzinger.

Die Stiftung beschäftigt mittlerweile etwa 1900 Mitarbeiter. Zur Stiftung gehören: die Staatlichen Museen zu Berlin mit 15 Sammlungen und sechs zentralen Einrichtungen an 19 Standorten, die Staatsbibliothek zu Berlin an zwei Standorten, das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, das Staatliche Institut für Musikforschung und das Ibero-Amerikanische Institut.

Der Wissenschaftsrat hatte in seinen „Strukturempfehlungen zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Berlin“ vom 10. Juli 2020 die Stiftung als „dysfunktional“ bezeichnet und eine Aufspaltung der Stiftung und die Abschaffung der Zentralverwaltung empfohlen.3

In seiner Sitzung am 5. Dezember 2022 hat der Stiftungsrat einstimmig Eckpunkte für die Reform der Stiftung beschlossen.45 Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll nicht zerschlagen werden, was vom Deutschen Kulturrat in einer Stellungnahme vom selben Tag begrüßt wurde. Ein „Kollegialer Vorstand“ aus bis zu sieben Mitgliedern, die die Einrichtungen vertreten, soll die Stiftung leiten.

„Festzuhalten bleibt, dass auf der Pressekonferenz vieles im Vagen gehalten wurde und wohl erst mit der Zeit – nach einem notwendigen Gesetzgebungsverfahren – Entscheidungen über einen neuen Namen der Stiftung oder das Budget für die einzelnen Institutionen fallen werden. Die nachfolgenden Arbeiten übernehmen jetzt Stiftung und Träger in den bestehenden Abstimmungsgremien (Stiftungsrat, Referentenkommission, ad-hoc-AG der Länder mit Bundesbeteiligung und SPK).“6

Die Beauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Roth, hat sich für eine Namensänderung und Aufspaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ausgesprochen.7

„Roth will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) umbenennen, will das Wort Preußen tilgen. Nicht zeitgemäß, nicht cool, passt nicht, findet sie.“8

Der aktuelle Name „bringt nicht die Weltläufigkeit der Kulturgüter zum Ausdruck.“9 Und: „Was haben Andy Warhol und Joseph Beuys mit Preußen zu tun?“10 Man benötige „einen attraktiven, zukunftsgewandten Namen“.11

„Wir sollten herauskommen aus dieser Berliner Republik. Es geht doch jetzt um die Gestaltung einer modernen und vielfältigen Bundesrepublik Deutschland.“12

Es sei hier darauf hingewiesen, dass Exponate von Warhol und Beuys fast ausschließlich im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart – ausgestellt sind.

Präsident Dr. Parzinger befürwortet dies im Gegensatz zu früheren Äußerungen nunmehr auch: „Wir sind ein großer internationaler Player, aber wenn man in internationalen Gremien Preußischer Kulturbesitz ins Französische, Englische oder Spanische übersetzt, muss man immer erklären, worum es sich handelt.“13 Und: „Wenn ich SPK sage, muss ich fast immer erklären, welche Institution ich vertrete.“14

Diese Äußerung stieß nicht überall auf Gegenliebe: „Vielleicht versucht er es einmal mit Stiftung Preußischer Kulturbesitz und nicht mit der Abkürzung.“15

Nachdem Parzinger noch im Oktober erklärte, dass er „inzwischen schon an dem Namen hänge“, und hinzufügte: „Man sollte die Geschichte nicht wegreformieren, sondern sich zu ihr bekennen“16, sieht er Preußen jetzt als Belastung: „Deshalb wäre ein Name gut, der nicht nur unsere zweifellos wichtigen Wurzeln betont, sondern auch eine Perspektive für die Zukunft eröffnet.“17

Parzingers variierende Äußerungen werden in der FAZ auf einen Nenner gebracht:

„Gemeinsam ist Parzingers öffentlichen Einlassungen zur Namensfrage, dass sie sich in nächster Nähe zur erklärten oder erschlossenen Meinung der jeweiligen Kulturstaatsministerin bewegen, der Brotherrin der Stiftung.“18

Über das Vorhaben der Staatsministerin ist eine heftige Debatte entbrannt.

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht einen „neuen deutschen Sonderweg“, einen „Versuch, sich von geschichtlichen Lasten zu befreien.“ Die Grünen wollten „mit moralischem Furor Geschichtsreinigung betreiben“.19

Der Kulturstaatsministerin wird Unkenntnis vorgeworfen: So „weiß Claudia Roth auch nichts über die große preußische Tradition der Aufklärung. Namen wie Immanuel Kant, Gotthold Ephraim Lessing, wie Friedrich Nicolai oder Moses Mendelssohn, wie Anna Louisa Karsch, Carl Philipp Emmanuel Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, aber auch die der großartigen Berliner Salonieren wie Rahel Varnhagen von Ense und Henriette Herz, Amalie Beer, der Mutter des Komponisten Giacomo Meyerbeer, dürften ihr fremd sein. Diese ganze Tradition würde Claudia Roth mit dem Namen Preußen zugleich auslöschen.“20

Die Einschätzung Preußens ist zwiespältig, so wie auch bei dem in einem riesigen braunen Sarkophag in Paris liegenden Napoleon Bonaparte zwischen dem Imperialisten und Kriegstreiber und dem Einführer des Code Civil, des Code de procedure und des Code de commerce unterschieden wird.

„Preußen war nach Meinung vieler der Grund, warum Deutschland in den Abgrund von zwei Weltkriegen geraten war. Militarismus, Staatsvergottung, Gehorsams-Fixierung und Intoleranz. Nach dieser Lesart hatte das protestantische Preußen auch dem neu gegründeten Deutschen Reich von 1871 seinen Stempel aufgedrückt und die liberalere, katholisch geprägte Kultur Süddeutschlands und Österreichs beiseitegeschoben.“21

„Aber der Name steht auch für die effektive Verwaltung und unbestechliche Beamtenschaft, die Bildungsfreundlichkeit und Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten.“22

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche Haltung nimmt die Landesregierung zur Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein?
  2. Welche Schwerpunkte wird die Landesregierung – nach dem einstimmigen Beschluss des Stiftungsrats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vom 5. Dezember 2022 – im weiteren Gesetzgebungsverfahren setzen?
  3. Wie wird sich das Land Nordrhein-Westfalen im Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Vorschlägen zur Umbenennung der Stiftung verhalten?

Dr. Hartmut Beucker
Prof. Dr. Daniel Zerbin

 

Anfrage als PDF

 

1 Barbro Eberan, Luther? Friedrich „der Grosse“? Wagner? Nietzsche? … ? … ? Wer war an Hitler schuld? Die Debatte um die Schuldfrage 1945 – 1949, München 1983

2 preussischer-kulturbesitz.de/ueber-uns/organe

3 Wissenschaftsrat, Strukturempfehlungen zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Berlin 10.7.2020

4 Beschluss des Stiftungsrats der SPK vom 4. Dezember 2022, preussischer-
kulturbesitz.de/meldung/artikel/2022

5 Die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, art-in-berlin, Berlin 9.12.2022

6 Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird nicht zerschlagen. Deutscher Kulturrat zur heutigen Entscheidung zur Strukturreform Preußischer Kulturbesitz, kulturrat.de/presse/pressemitteilung, 5.12.2022

7 Preußischer Kulturbesitz. Roth: Preußen aus Stiftungsnamen streichen, zdf.de/nachrichten/panorama, 25.12.2022; Claus Seidl, Reaktion auf Roths Vorschlag. Was wird aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz?, faz.net, aktualisiert 27.12.2022

8 Dirk Kurbjuweit und Christoph Schult, Kulturkampf um Preußen. Das Auswärtige Amt hat sein „Bismarck-Zimmer“ umbenannt, Kulturstaatsministerin Claudia Roth will den Namen Preußen aus einer Stiftung tilgen. Deutschland ringt mal wieder mit seiner Vergangenheit. Und damit auch um seine heutige Identität, DER SPIEGEL 23.12.2022

9 Ebenda

10 Ebenda

11 Ebenda

12 Ebenda

13 Patrick Bahners, Kulturpolitik. Preußen soll bleiben, faz.net, aktualisiert 1.1.2023

14 Klaus-Rüdiger Mai, „Kulturzerstörungsstaatsministerin“. In der grünen Republik hat Kultur keinen Platz mehr, tichyseinblick 28.12.2022

15 Ebenda

16 Patrick Bahners, Kulturpolitik. Preußen soll bleiben, faz.net, aktualisiert 1.1.2023

17 Claus Seidl, Reaktionen auf Roths Vorschlag. Was wird aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz?, faz.net, aktualisiert 27.12.2022

18 Patrick Bahners, Kulturpolitik. Preußen soll bleiben, faz.net, aktualisiert 1.1.2023

19 Claudia Roths Forderung. Ein neuer Name für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz?, faz.net, aktualisiert 25.12.2022

20 Klaus-Rüdiger Mai, „Kulturzerstörungsstaatsministerin“. In der grünen Republik hat Kultur keinen Platz mehr, tichyseinblick 28.12.2022

21 Claudia Roths Forderung. Ein neuer Name für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz?, faz.net, aktualisiert 25.12.2022

22 Ebenda


Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 1151 mit Schreiben vom 28. Februar 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Welche Haltung nimmt die Landesregierung zur Umbenennung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein?
  1. Wie wird sich das Land Nordrhein-Westfalen im Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Vorschlägen zur Umbenennung der Stiftung verhalten?

Die Fragen 1 und 3 werden wegen des Zusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Vorschläge zur Umbenennung der Stiftung wurden im Stiftungsrat noch nicht diskutiert. Diese Frage wird zu gegebener Zeit im Rahmen des Regierungshandelns erörtert.

2. Welche Schwerpunkte wird die Landesregierung nach dem einstimmigen Be­schluss des Stiftungsrats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vom 5. Dezember 2022 im weiteren Gesetzgebungsverfahren setzen?

Der genannte Beschluss des Stiftungsbeirats bezieht sich auf eine Reform der Strukturen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Umbenennung ist nicht Gegenstand des Beschlusses, auch gibt es kein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren. Die Landesregierung geht davon aus, dass mögliche Schwerpunkte zunächst zwischen Bund und Ländern im Stiftungsrat be­sprochen werden. Auf die Beantwortung der Fragen 1 und 3 wird ergänzend verwiesen.

 

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