Ungeklärter Hauptwohnsitz des Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion im Städteregionstag Aachen

Kleine Anfrage
vom 07.04.2022

Kleine Anfrage 6549des Abgeordneten Andreas Keith vom 07.04.2022

 

Ungeklärter Hauptwohnsitz des Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion im Städteregionstag Aachen

Kommunale Mandatsträger müssen ihre Wohnanschrift bzw. ihren Hauptwohnsitz immer in der Kommune oder dem Kreis haben, in dem sie ihr Mandat ausüben.

Wählbar ist – gemäß § 12 Kommunalwahlgesetz NRW – „ jede wahlberechtigte Person, die am Wahltag das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Monaten in dem Wahlgebiet ihre Wohnung, bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebiets hat.“ Ähnliche Regelungen sind im Zusammenhang mit der Wahlberechtigung vorgesehen.

Beim Vorsitzenden des SPD-Unterbezirks der Städteregion Aachen, der zugleich Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Städteregionstag Aachen sowie Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Stolberg ist, ist im Ratsinformationssystem der Stadt Stolberg eine Adresse in Stolberg angegeben.1 Dort gibt es allerdings keinen entsprechenden Briefkasten der auf den Namen lautet sondern nur eine provisorische zusätzliche Klingel. Dieses Haus steht zudem aktuell zum Verkauf.2

Zur Ausübung des Mandats in Stolberg müsste nach hiesiger Auffassung der Lebensmittelpunkt in Stolberg, zur Ausübung des Mandats im Städteregionstag (Kreistag) müsste der Lebensmittelpunkt auf dem Gebiet der Städteregion Aachen liegen.

In einer Anzeige in der Zeitung Grenzecho vom 11.Juli 2019, also noch vor der Kommunalwahl am 13. September 2020, gab der Betroffene zusammen mit seiner Ehefrau allerdings eine Adresse in Raeren/Belgien an.3

Ein Abgleich dieser Adresse mit Bildern auf Google Street View und Instagram-(Freizeit) Bildern des Ratsmitglieds lassen auf einen Lebensmittelpunkt in Belgien schließen – und das bereits vor der Kommunalwahl.

Da in Belgien nur die Anmeldung eines Hauptwohnsitzes möglich ist, wären bei Vorliegen einer Wohnanschrift in Belgien die Voraussetzungen zur Ausübung eines Mandats in NRW nach diesseitiger Auffassung nicht erfüllt. In diesem Fall wäre der Kreiswahlleiter unter Umständen zumindest unrichtig oder unvollständig informiert, wenn nicht vorsätzlich getäuscht worden: Eine Kandidatur wäre in diesem Fall ausgeschlossen gewesen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Inwiefern stimmt die Landesregierung der Rechtsauffassung zu, dass die Ausübung eines kommunalen Mandats mit einem Hauptwohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt in Belgien unvereinbar ist?
  2. Inwiefern ist nach der Rechtsauffassung der Landesregierung eine Person, die ihren Hauptwohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt in Belgien hat, gemäß Kommunalwahlgesetz wahlberechtigt bzw. wählbar?
  3. Welche Rechtsfolgen würden sich aus einer unrichtigen Auskunft von Bewerbern für ein kommunales Mandat gegenüber dem örtlichen Kreiswahlleiter bzw. den Gremien, in die er gewählt wurde, ergeben?
  4. Müsste nach Ansicht der Landesregierung bei einer nachträglichen Feststellung, dass sich der Hauptwohnsitz bzw. der Lebensmittelpunkt in Belgien befindet, ein kommunales Mandat niedergelegt werden oder stünden dem jeweiligen Gremium Möglichkeiten der Entziehung des Mandates zu?
  5. Gibt es Erkenntnisse, wo konkret sich vor der Kommunalwahl 2020 der Hauptwohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt des Fraktionsvorsitzenden der SPD Fraktion im Städteregionstag Aachen sowie Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat Stolberg befand bzw. sich aktuell befindet? Falls ja, wird um entsprechende Mitteilung gebeten.

Andreas Keith

 

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1 Vgl. https://www.stolberg.de/city_info/webaccessibility/index.cfm?item_id=872494

2 Vgl. https://mapio.net/expose/2766894/

3 Vgl. https://www.grenzecho.net/sites/default/files/thum bnails/pdf/WO13908830.P DF


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 6549 mit Schreiben vom 5. Mai 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung beantwortet.

  1. Inwiefern stimmt die Landesregierung der Rechtsauffassung zu, dass die Aus­übung eines kommunalen Mandats mit einem Hauptwohnsitz bzw. Lebensmittel­punkt in Belgien unvereinbar ist?
  2. Inwiefern ist nach der Rechtsauffassung der Landesregierung eine Person, die ih­ren Hauptwohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt in Belgien hat, gemäß Kommunal­wahlgesetz wahlberechtigt bzw. wählbar?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Ausübung eines Mandats in einer kommunalen Vertretung setzt nach § 37 Nummer 2 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahlgesetz) das Fortbestehen der Wählbarkeit während der Wahlperiode voraus. Nach § 12 Kommunal­wahlgesetz ist jede wahlberechtigte Person, die am Wahltag das achtzehnte Lebensjahr voll­endet hat und seit mindestens drei Monaten in dem Wahlgebiet ihre Wohnung, bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebiets hat, wählbar, es sei denn, dass sie am Wahltag infolge Richter­spruchs in der Bundesrepublik Deutschland die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt.

Schon weil sich das Kommunalwahlgesetz seinem Namen nach ausschließlich auf das Land Nordrhein-Westfalen bezieht, kann sich das für Wohnsitz und Aufenthalt maßgebliche Wahl­gebiet nur innerhalb der Landesgrenzen befinden. Daraus folgt, dass eine (Haupt-)Wohnung oder ein gewöhnlicher Aufenthalt in Belgien für die Wählbarkeit in eine kommunale Vertretung in Nordrhein-Westfalen nicht ausreichen würde.

Wahlberechtigt für die Wahl in einem Wahlgebiet ist nach § 7 Kommunalwahlgesetz, wer am Wahltag Deutscher im Sinne von Artikel 116 Abs. 1 Grundgesetz ist oder die Staatsangehö­rigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzt, das 16. Lebensjahr voll­endet und mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl in dem Wahlgebiet seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung hat oder sich sonst gewöhnlich aufhält und keine Wohnung außerhalb des Wahlgebiets hat. Für Wohnsitz und Aufenthalt im Wahlgebiet gelten die oberen Ausführungen sinngemäß, so dass auch für die Wahlberechtigung eine (Haupt-)Wohnung oder ein gewöhnlicher Aufenthalt ab dem 16. Tag vor der Wahl in Belgien bei einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen nicht ausreichen würde.

  1. Welche Rechtsfolgen würden sich aus einer unrichtigen Auskunft von Bewerbern für ein kommunales Mandat gegenüber dem örtlichen Kreiswahlleiter bzw. den Gremien, in die er gewählt wurde, ergeben?

Nach § 37 Nummer 2 Kommunalwahlgesetz verliert das Mitglied einer kommunalen Vertretung seinen Sitz durch nachträglichen Verlust der Wählbarkeit. Dies dürfte entsprechend gelten, wenn sich der Verlust der Wählbarkeit erst nachträglich herausstellt.

  1. Müsste nach Ansicht der Landesregierung bei einer nachträglichen Feststellung, dass sich der Hauptwohnsitz bzw. der Lebensmittelpunkt in Belgien befindet, ein kommunales Mandat niedergelegt werden oder stünden dem jeweiligen Gremium Möglichkeiten der Entziehung des Mandates zu?

Nach § 37 Nummer 1 Kommunalwahlgesetz kann das Mitglied einer kommunalen Vertretung auf seinen Sitz verzichten. Abgesehen davon entscheidet die Vertretung nach § 44 Absatz 1 Kommunalwahlgesetz darüber, ob ein Vertreter seinen Sitz verloren hat, weil die Vorausset­zungen seiner Wählbarkeit nach der Wahl weggefallen sind.

  1. Gibt es Erkenntnisse, wo konkret sich vor der Kommunalwahl 2020 der Haupt­wohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt des Fraktionsvorsitzenden der SPD Fraktion im Städteregionstag Aachen sowie Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat Stolberg be­fand bzw. sich aktuell befindet? Falls ja, wird um entsprechende Mitteilung gebe­ten.

Das Ministerium des Innern verfügt diesbezüglich über keine eigenen Erkenntnisse. Auf Nach­frage hat die Städteregion Aachen Ablichtungen von Dokumenten vorgelegt, die als Wohnort der genannten Person vor und nach der Kommunalwahl 2020 die Stadt Stolberg in der Städ­teregion Aachen angeben. Da die Durchführung von Kommunalwahlen und die Tätigkeit kom­munaler Vertretungen dem kommunalen Selbstverwaltungsbereich zuzuordnen sind, müssen etwaige weitere diesbezügliche Feststellungen den auf kommunaler Ebene zuständigen Stel­len vorbehalten bleiben.

 

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Beteiligte:
Andreas Keith