Unser Saatgut ist unser Kulturgut – Maßnahmen zum Schutz alter und seltener Kultur-sorten in NRW jetzt ergreifen!

Antrag

Antrag

der Fraktion der AfD

Unser Saatgut ist unser Kulturgut Maßnahmen zum Schutz alter und seltener Kultur­sorten in NRW jetzt ergreifen!

I. Problembeschreibung

Über Jahrhunderte hat die deutsche Landwirtschaft zur Landschafts- und Artenvielfalt beige­tragen, die Ernährungssicherheit gewährleistet und eine unverwechselbare Kulturlandschaft geschaffen. Dabei wurden Kulturpflanzen gezielt vom Menschen gezüchtet und über viele Ge­nerationen weiterentwickelt. Diese alten Kulturpflanzen existieren noch heute und erfreuen sich bei Verbrauchern großer Beliebtheit, weil sie als besonders nährstoffreich und ge­schmacklich reichhaltig wahrgenommen werden.

Alte Kulturpflanzen sind äußerst vielfältig und ein schützenswertes Kulturgut mit wirtschaftli­chem Potenzial. Weil sie an ganz bestimmte Klima- und Bodenbedingungen angepasst sind, verfügen sie oft über einzigartige genetische Merkmale. Die Agrobiodiversität spielt eine be­deutende Rolle bei der Förderung der Bodenfruchtbarkeit, da unterschiedliche Pflanzenarten dazu beitragen können, Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen und wieder abzugeben. Der Verlust der Agrobiodiversität kann somit zur Verschlechterung des Bodenzustands und zu Bo­denerosion führen. Darüber hinaus verfügt die Agrobiodiversität über bemerkenswerte Wider­standsfähigkeiten gegenüber verschiedenen Krankheiten und Schädlingen und ist daher ein wesentlicher Bestandteil für eine nachhaltige Ernährungssicherheit.

Des Weiteren leistet die Agrobiodiversität einen wichtigen Beitrag zur Bestäubung von Pflan­zen durch Bienen und andere Insekten. Ein Rückgang der Agrobiodiversität kann somit zu einer verringerten Bestäubung führen, was sich wiederum auf die Erträge auswirken kann.

Neben den ökologischen Auswirkungen kann der Verlust der Agrobiodiversität auch kulturelle Verluste bedeuten. Die Agrobiodiversität umfasst eine Vielzahl von traditionellen und lokalen Wissen und Praktiken, die für die kulturelle Identität und Traditionen von Bedeutung sind. Ein Rückgang der Agrobiodiversität kann daher zu einem Verlust dieser kulturellen Vielfalt führen.

Doch die alten Kultursorten werden immer stärker vom Markt verdrängt. In den letzten Jahr­zehnten hat die Agrobiodiversität rapide abgenommen. Von den 30.000 bekannten essbaren Kultursorten landen lediglich 200 Sorten auf dem Teller. Die Welternährungsorganisation (FAO) kommt zu dem bitteren Ergebnis, dass in den letzten 100 Jahren ca. 75 Prozent aller Kulturpflanzen verloren gegangen sind – in der Europäischen Union sogar bis zu 90 Prozent aller Kulturpflanzen.1

Dabei wird die Entwicklung von landwirtschaftlichen Monokulturen als wesentlicher Treiber für den Sortenschwund gesehen. So haben beispielsweise die Subventionen für Biogasanlagen zu einem sprunghaften Anstieg beim Anbau von Energiepflanzen geführt. Mittlerweile ist diese ehemalige Nischenkultur Mais zur zweitwichtigsten Kultur mit einer Anbaufläche von mehr als 2,56 Mio. Hektar in ganz Deutschland aufgestiegen (2021).2 Dagegen wurde Weizen auf einer Fläche von 2,86 Mio. Hektar angebaut.

Für zahlreiche Bauern und Züchter führt kein Weg mehr an Hybridsaatgut vorbei, da es höhere Erträge und schnelle Zuchtzyklen verspricht. Diese Entwicklung hat jedoch gravierende Kon­sequenzen für die Agrobiodiversität und für die langfristige Nachhaltigkeit der Landwirtschaft. Dieses patentierte Saatgut enthält meist eine sog. Terminator-Technologie, das heißt, dass das Saatgut nur einmal keimt und eine Pflanze mit unfruchtbaren Samen ausbildet. Diese ste­rilen Samen verhindern, dass sie erneut zum Anbau verwendet werden können. Damit zwin­gen die Saatguthersteller die Landwirte in eine saisonale Abhängigkeit. Das Terminator-Saat-gut stellt eine zunehmende Gefahr für den Menschen, die globale Nahrungssicherheit und die Vielfalt in der Landwirtschaft dar.

Demgegenüber stehen samenfeste alte Sorten mit ihrer genetischen Vielfalt, die sich auf än­dernde Umweltbedingungen und Stress einstellen und anpassen können. Vielfaltssorten wer­den durch traditionelle Kreuzung und Auslese ohne technische Eingriffe in Zelle oder Gene gezüchtet.

Erst vor einem halben Jahr im November 2022 hat der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzen-vielfalt e.V. dem Bundesjustizministerium in Berlin eine Petition mit über 240.000 Unterschrif­ten überreicht, die sich gegen die Gen-Patentierung von Pflanzen aus konventioneller Zucht ausgesprochen hat. Besonders kritisch ist, dass immer mehr große Agrarkonzerne Patente auf tausende natürlicherweise vorkommende Genvarianten anmelden und beanspruchen. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Gefahr der Monopolisierung der traditionellen Pflanzenzucht. Dazu sagte der Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): „Es geht um die Grundlagen unserer Ernährung: Haben diese Patente Bestand, können große Konzerne den Zugang zur biologischen Vielfalt kontrollieren, behin­dern oder auch blockieren.“3

II. Lösungswege

Das Bewahren des kulturellen Erbes ist wichtig, da es uns hilft, unsere Identität und Geschichte zu verstehen und zu schätzen. Sobald unser Kulturgut einmal verloren gegangen ist, kann es nicht mehr zurückgebracht werden. Die Überlieferung von materiellen wie immateriellen Gü­tern ist ein wesentlicher Bestandteil unserer kulturellen Identität und unseres kollektiven Ge­dächtnisses als Gesellschaft und damit höchst schützenswert.

Die Bewahrung der Nutzpflanzenvielfalt beinhaltet neben der Konservierung alter Getreide-und Gemüsesorten auch den Schutz von Streuobstwiesen und seltenen Obstbaumbeständen, aber auch die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten zum Erhalt dieses kulturellen Erbes, wie der Ausbildung von zertifizierten Obstbaumwärtern, welche das Wissen auch in die Praxis umsetzen.

Ein starkes Zentrum für Obstvielfalt kann dazu beitragen, alte Kultursorten zu schützen. Der Obstmuttergarten Rheinland kann mit finanzieller Unterstützung und dem Ausbau der Betriebsfläche zu einem solchen Zentrum werden. Es bietet eine große Sammlung von alten Obstsorten und kann diese in einer genetischen Bank konservieren. Dies stellt sicher, dass diese Sorten nicht aussterben und für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Das Zentrum kann somit z. B. zu einem wichtigen Partner für Forschungsaktivitäten des Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung werden. Durch die Bereitstellung von Saatgut und Unterstützung bei der Vermehrung kann das Zentrum dazu beitragen, dass diese Sorten wieder in den lokalen Anbau integriert werden und somit ihre Erhaltung gesichert wird.

III. Der Landtag stellt fest,

  • dass unser altes Saatgut zu unserem Kulturgut gehört und damit schützenswert ist;
  • dass der Verlust der Nutzpflanzenvielfalt in der Europäischen Union schon weit fortge­schritten ist;
  • dass die Subventionen von EU, Bund und Land, dazu geführt haben, dass vermehrt Monokultur angebaut werden;
  • dass die Verbraucher ein großes Interesse an der Vielfalt von Kultursorten zeigen;
  • dass alte Kultursorten besondere Eigenschaften (Resilienzen, Verträglichkeit, etc.) zei­gen, welche unverzichtbar für eine nachhaltige Ernährungssicherheit sind;
  • dass die geplante EU-Saatgutverordnung von vielen Erhalterorganisationen immer noch scharf kritisiert wird;
  • dass Terminator-Saatgut und auch Patente auf natürliche Genvarianten eine Gefahr für den Menschen und die globale Nahrungssicherheit darstellen.

IV. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:

  1. Maßnahmen zur flächendeckenden Erfassung alter Kultursorten von Obst, Getreide und Gemüse in Nordrhein-Westfalen zu ergreifen;
  2. in Abstimmung mit Erhalterorganisationen, Landwirten, staatlichen Stellen und der Wis­senschaft die Samenfestigkeit und Sortenreinheit alter Kultursorten zu fördern;
  3. die Finanzmittel für die Landesinitiative „Pflanzengenetische Ressourcen in NRW“ bei der Landwirtschaftskammer zu verdoppeln, um z.B. die Vorteile von alten Kartoffelsorten noch stärker in die Öffentlichkeit zu tragen;
  4. ein großes NRW-Programm „Open-Source-Saatgut“ mit Hilfe des Koordinierungsaus­schusses „Obstwiesenschutz in NRW“ aufzustellen, um damit die Verbreitung von ver­nachlässigtem Saatgut unter freier Lizenz zu fördern;
  5. die Sommertagung „Erhaltung und Verwertung alter Getreidesorten“ zu einer großen Fachtagung für alle Kultursorten auszubauen und parallel dazu eine Pflanzenbörse zu veranstalten, um Tagung damit zu einem starken Netzwerktreffen weiterzuentwickeln;
  6. die Fördermittel für den „Obstmuttergarten Rheinland“ zu erhöhen und damit den Rei-serschnittgarten zu einem großen „Zentrum für Obstvielfalt in NRW“ mit größerer Be­triebsfläche und als starken Partner der „Deutschen Genbank Obst“, auszubauen;
  7. die Biogasförderung kritisch zu prüfen und alle Maßnahmen zurückzufahren, mit denen der Anbau von Energiepflanzen gefördert wird;
  8. die neue geplante EU-Saatgutverordnung kritisch zu begleiten und sich bei den höheren Instanzen für den Erhalt und die leichtere Verfügbarkeit alter Kultursorten und für die Einschränkung der Auswüchse bei der Patentierung einzusetzen;

Zacharias Schalley
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 Htt ps://d g v n . d e / eldung/in-gefahr-der-ursprung-aller-nahrungsmittel, abgerufen am 15.03.2023 Datum des Originals: 21.03.2023/Ausgegeben: 21.03.2023

2 Htt ps:// w w w . l a n d w i r t s c h a f t . d e / d iskussion-und-dialog/umwelt/gibt-es-in-deutschland-eine-vermaisung-der-landschaft, abgerufen am 15.03.2023

3 Htt ps:// w w w . n u t z p f l a n z e n v i e l f a l t . d e / 2 40000-unterschriften-gegen-patente-auf-saatgut, abgerufen am 15.03.2023