Unterstützung statt Sanktionen – Deutsch-polnische Freundschaft erhalten und Europas Außengrenze schützen!

Antrag
vom 16.11.2021

Antragder AfD-Fraktion vom 16.11.2021

Unterstützung statt Sanktionen Deutsch-polnische Freundschaft erhalten und Europas Außengrenze schützen!

I. Ausgangslage

Polen und Nordrhein-Westfalen verbindet eine tiefe und enge Beziehung, die über eine wirtschaftliche Partnerschaft hinausgeht. Mehr als 221.000 Polen bilden die drittgrößte Ausländergruppe in unserem Bundesland. Deutsche mit polnischen Wurzeln eingerechnet, erhöht sich die Größe dieser Bevölkerungsgruppe sogar auf 650.000.

Die landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.Invest eröffnete im Jahre 2016 ein Auslandsbüro in Warschau. Diese Verbindung trägt Früchte: Rund 300 Unternehmen mit polnischer Kapitalbeteiligung haben sich in Nordrhein-Westfalen angesiedelt und bieten etwa 3.500 Menschen Arbeit.1 Auch zivilgesellschaftlich bestehen gute Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Polen. Das beweisen auch mehr als 100 Kreis- und Städtepartnerschaften, dazu kommen mehr als 260 Hochschul- und etwa 180 Schulpartnerschaften.2 Über 5.000 nordrhein-westfälische Schüler lernen Polnisch als Herkunftssprache.

Im Jahre 2020, anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Partnerschaft Nordrhein-Westfalens mit Schlesien, reiste Europaminister Dr. Holthoff-Pförtner nach Polen und traf sich unter anderem mit Jakub Chełstowski, dem Marschall der Woidwodschaft Schlesien. Bei diesem Treffen betonte Holthoff-Pförtner: „Unsere lebendige und aktive Beziehung lebt vom Engagement verschiedenster Akteure. Politischer Dialog allein macht noch keine Partnerschaft aus.“3

Demgegenüber stehen jüngere Aussagen des Ministers, die eine andere Sprache sprechen. Im Oktober dieses Jahres ließ er verlauten, dass er einen Stopp der EU-Fördergelder für Polen befürworte. Anlass der Sanktionsforderung war ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach welchem Teile des EU-Rechts nicht mit der Verfassung unseres osteuropäischen Nachbarstaats vereinbar seien. Polen wird vorgeworfen, damit einen fundamentalen Grundsatz der EU anzugreifen, nach dem Mitgliedsstaaten EU-Rechtsvorschriften den Vorrang vor ihren eigenen geben sollen, wenn jene im Widerspruch zu einer nationalen Rechtsvorschrift stehen.

In diesem Zusammenhang mahnte Holthoff-Pförtner vor wenigen Wochen, ausgerechnet im Jahr des 30. Jubiläums des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags:

„Wenn sich polnische Bürgerinnen und Bürger vor nationalen Gerichten nicht länger auf EU-Recht berufen können, ist das der Einstieg in den Ausstieg Polens aus der europäischen Rechts- und Wertegemeinschaft.“ 4

Diese Botschaft deckt sich mit einer Aussage, die der Minister am 28. Juni 2019 in der Thüringischen Landeszeitung getätigt haben soll:

„NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner hat deutliche Worte an Polen und Ungarn gerichtet: Länder, die Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit nicht akzeptieren, können nicht dauerhaft in der EU bleiben […].“5

Diese Gängelung seitens deutscher Politiker, aber auch das zunehmende Abhandenkommen nationaler Souveränität schlägt sich offenbar im Empfinden der Bevölkerung nieder. Eine Umfrage in Polen zur Wahrnehmung als Bürger der Europäischen Union im Frühjahr 2021 ergab, dass sich nur 30 Prozent der Menschen voll und ganz als Bürger der EU fühlen.6 Und das, obwohl Polen entscheidende Aufgaben in der EU übernimmt, mit dem gewissenhaften Schutz der Außengrenze einen wesentlichen Beitrag zur inneren sowie äußeren Sicherheit leistet und damit erfüllt, was im Schengen-Vertrag als Voraussetzung für die Reisefreiheit innerhalb der Staatengemeinschaft genannt wird.

So hat Polen seit Wochen und Monaten immer wieder mit großen Migrantenströmen an seiner Ostgrenze zu kämpfen. Tausende sogenannter „Flüchtlinge“ sammeln sich an Übergängen zwischen den Staaten und versuchen, über Polen hauptsächlich nach Deutschland zu gelangen. Der weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko holt gezielt arabische Zuwanderer in sein Land und bringt diese an die polnische Grenze, von wo aus sie versuchen, in die EU zu gelangen. Lukaschenko reagiert damit auf die Sanktionen der EU gegen sein Regime. Dabei leidet Nordrhein-Westfalen unter allen deutschen Bundesländern am meisten unter unkontrollierter Zuwanderung. Im Jahre 2021 wurden hier insgesamt 19.675 Asyl-Erstanträge gestellt, mehr als in jedem anderen Bundesland.7

Auch wenn Polen viel dafür tut, die europäische Außengrenze vor illegalen Einwanderern zu schützen, hat sich die Zahl der Migranten in den letzten Monaten vervielfacht. Über die Weißrussland-Route betreten pro Tag durchschnittlich mehr als 100 Migranten illegal die Bundesrepublik. Allein in diesem Monat wurden nach Angaben der Bundespolizei bis einschließlich den 14. November 1.708 unerlaubte Einreisen entlang der deutsch-polnischen Grenze registriert. Für 2021 ist vor diesem Hintergrund von insgesamt 9.549 Neuankömmlingen die Rede.8

Vor wenigen Wochen reagierte Polen auf die seit Monaten andauernden Migrantenströme. Das polnische Parlament stimmte einer Grenzanlage zur Zurückweisung illegaler Einwanderer zu.9 Bereits im August begann Polen mit der Errichtung eines provisorischen Grenzzauns und folgte damit den Beispielen Litauens und Lettlands, die zuvor zu ähnlichen Maßnahmen gegriffen haben.

Die geplante Barriere zum Schutz der EU-Außengrenze soll fünf Meter hoch und bis zu 300 Kilometer lang werden. Technisch möchte Innenminister Mariusz Kaminski die Mauer mit Überwachungssystemen und Bewegungsmeldern ausstatten. Die Kosten für den Zaun sollen sich auf 350 Millionen Euro belaufen.10 Nach Angaben polnischer Behörden halten sich aktuell ungefähr 10.000 bis 15.000 Einwanderer in Weißrussland auf, die planen die EU-Grenze zu überqueren, um nach Deutschland zu gelangen.11

Erste deutsche Politiker befürworten diese Initiative und kündigten sogar an, Polen beim Bau einer Grenzanlage unterstützen zu wollen. So äußerte unter anderem Bundesinnenminister und Unions-Politiker Horst Seehofer Verständnis: „Es ist legitim, dass wir die Außengrenze so schützen, dass unerkannte Grenzübertritte an der grünen Grenze verhindert werden.“12 Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, sprach sich dafür aus, die geplanten Grenzverstärkungen „mit Personal und Geld für ihre Grenzkontrolle“ zu unterstützen. 13

II. Der Landtag stellt fest:

  • Die Europäische Union darf nur Gemeinschaft der Vaterländer sein und hat die nationale Souveränität ihrer Mitgliedsstaaten zu respektieren und zu akzeptieren.
  • Polen leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherung der EU-Außengrenzen, besonders im Hinblick auf die Beschränkung illegaler Zuwanderung.
  • Von einer Befestigung an Polens Ostgrenze profitiert vor allem auch Nordrhein-Westfalen.
  • Polen ist auf wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene ein unverzichtbarer Partner und Verbündeter.
  • Sanktionsforderungen und Einmischungen entfremden Nordrhein-Westfalen vom Staat Polen und seinen hier lebenden Landsleuten.

III. Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • Solidarität zu zeigen! Polen darf bei dem Bau einer Grenzanlage finanziell und personell nicht allein gelassen werden;
  • von jedweden Einmischungen in die internen Angelegenheiten der Republik Polen Abstand zu nehmen;
  • sich auf EU- und Bundesebene für eine Übernahme der Bau- und Unterhaltungskosten der befestigten EU-Außengrenze auf polnischem Boden einzusetzen;
  • auf EU-Ebene eine Prüfung anzustrengen, an welchen Außengrenzen weitere Befestigungen Sinn ergeben.

Sven W. Tritschler
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

Antrag als PDF

 

1 https://www.land.nrw/de/pressem itteilung/ministerpraesident-armin-laschet-reist-zu-den-gedenkfeierlichkeiten-zum-jahrestag

2 https://www.mbei.nrw/de/polen

3 https://www.land.nrw/de/pressem itteilung/europaminister-holthoff-pfoertner-reist-nach-polen-wuerdigung-der-partnerschaft-m it

4 https://www.waz.de/politik/landespolitik/nrw-europaminister-eu-foerdergelder-fuer-polen-stoppen-id233541153.html

5 https://www.pressreader.com/germany/thuringische-landeszeitung-eisenach/20190628/281702616255677

6 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/987125/umfrage/eurobarometer-umfrage-in-polen-zur-wahrnehm ung-als-eu-buerger/

7 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/451902/umfrage/asylantraege-in-deutschland-nach-bundeslaendern/

8 https://www.bundespolizei.de/Web/DE/04Aktuelles/01Meldungen/2021/10/staendige_aktualisierung_migrationslage.html

9 https://jungefreiheit.de/politik/ausland/2021/polen-grenzanlage-migranten/

10 https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_91056878/an-grenze-zu-belarus-polens-parlament-stimmt-bau-von-grenzanlage-zu.html

11 https://www.rnd.de/politik/fluechtlinge-in-belarus-woher-kommen-die-migranten-und-warum-wollen-sie-nach-deutschland-QNIZSV2Z7VA3ZIUQ2ZTKYTZBF4.html

12 https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/seehofer-csu-zeigt-verstaendnis-fuer-polnischen-grenzzaun-10657674

13 https://www.stern.de/news/csu-europapolitiker-weber-fordert-eu-finanzhilfen-fuer-polens-grenzanlage-30871542.html