Kleine Anfrage 781
des Abgeordneten Klaus Esser vom 16.11.2022
Veräußerung von Verkehrsinfrastruktur an ausländische Investoren
Ausländische Investitionen kurbeln häufig genug die Wirtschaft an. Die Kontrolle über zentrale Infrastruktur, wie die Energieversorgung oder Verkehrswege, sollte jedoch umfassend gewahrt bleiben. Laut Medienberichten tritt das Bundeskanzleramt derzeit für den Verkauf von Teilen des Hamburger Hafens an einen chinesischen Staatskonzern ein.1 Immer wieder wird vor der Übernahme europäischer Spitzenunternehmen durch Nicht-EU-Investoren gewarnt, die auch schon in beträchtlichem Umfang in kritische Infrastruktur investiert sind. Dies betrifft nicht allein chinesische Investoren oder Staatskonzerne, wie den Staatsfonds CIC, der bereits an Flughä-fen2 und Hafenanlagen3 beteiligt ist. Der größte griechische Hafen Piräus ist in den Händen des chinesischen Konzerns Cosco.4 Aber auch US-Beteiligungsgesellschaften sind umfassend in europäische und deutsche Werte investiert. Der Vermögensverwalter Blackrock zeigt wachsendes Interesse an Investments in Autobahnen, Brücken, Tunnel, Flughäfen und Pipelines.
Mit der Änderung der deutschen Außenwirtschaftsverordnung (AWV) gelten veränderte Vorschriften zur Investitionsprüfung beim Erwerb deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren in sensiblen Bereichen. Sicherheits- und verteidigungsrelevante Infrastrukturen und Unternehmen sollen so besonders geschützt werden. Hier gilt eine Prüfschwelle beim Erwerb von 10 Prozent der Stimmrechte, und auf diese Weise soll die „kritische Infrastruktur“ vor EU-fremden Investitionen besser und frühzeitig geschützt werden. Zur kritischen Infrastruktur gehören Unternehmen aus den Sektoren Energie, Wasser, Ernährung, IT und Telekommunikation, Finanz- und Versicherungswesen sowie Transport und Verkehr.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Investitionen ausländischer Investoren, ausländischer Staatsfonds oder internationaler Beteiligungsgesellschaften gab es in den letzten 10 Jahren in die Verkehrsinfrastruktur in NRW? (Bitte aufschlüsseln nach Infrastrukturbereich unter Angabe des Investors sowie Volumen/Umfang der Investition und ob zur kritischen Verkehrsinfrastruktur gehörig)
- Aus welchem Herkunftsland stammen die Investoren, die Investitionen in Unternehmen der Verkehrsinfrastruktur in NRW in den letzten 10 Jahren getätigt haben? (Bitte nach Land, Name des Investors, Umfang der Beteiligung sowie hinsichtlich eines Erwerbs von kritischer Verkehrsinfrastruktur auflisten)
- Wie bewertet die Landesregierung in NRW bereits erfolgte bzw. anstehende Übernahmen und Anteilskäufe von Verkehrsinfrastruktur durch ausländische Akteure?
- Wie sollen ausländische Investoren Milliarden Euro in deutsche Unternehmungen investieren, wenn sie seit 2022 gleichzeitig von plötzlicher Enteignung in Deutschland (siehe Gazprom Germania oder Rosneft im Falle der PCK Raffinerie) bedroht sind?
- Welche ausländischen Interessenten an der Beteiligung oder am Erwerb von Verkehrsinfrastruktur in NRW gibt es derzeit?
Klaus Esser
1 H tt p s : / / ww w .w e lt .de /politik/deutschland/article241686375/Hamburg-Kanzleramt-will-chinesische-Hafen-Beteiligung -o f f e n bar-durchsetzen.html
2 H t t ps : // ww w . su e d de u ts c h e .d e/wirtschaft/beteiligung-am-flughafen-heathrow-chinesischer-staatsfonds-kauft-sich-in-lon d on e r – ai r po rt-ein-1.1511698
3 ht t p s: / /w ww .g lo b a lc o ns t ru cti onrevie w . c o m /chinese-fun7d-ta7kes-20-73bn-melbo7urne/
4 H t t ps : // ww w . bl i c k. ch / w i rt s ch a ft / i m -v i si er-des-reichs-der-mitte-chinesen-kaufen-die-welt-id4641067.html
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 781 mit Schreiben vom 28. Dezember 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und dem Minister der Finanzen beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Landesregierung beobachtet, soweit sie Kenntnis erhält, ausländische Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur aufmerksam. Sie setzt sich dafür ein, insbesondere Verkehrsinfrastruktur in sensiblen Bereichen zu schützen und so die Nutzbarkeit für die Menschen in Nordrhein-Westfalen langfristig zu sichern.
Der Landesregierung liegt kein vollständiger Überblick über die Eigentumspositionen der gesamten Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen und möglicher Investitionen vor, da hierzu seitens der Betreiber bzw. Eigentümer keine Verpflichtung besteht. Die vorliegende Kleine Anfrage wird daher so aufgefasst, als dass für ihre Beantwortung die Eigentümerstellung des Landes Nordrhein-Westfalen maßgeblich ist. Mögliche Investitionen in kommunale oder private Verkehrsinfrastruktur sind daher nicht erfasst.
- Welche Investitionen ausländischer Investoren, ausländischer Staatsfonds oder internationaler Beteiligungsgesellschaften gab es in den letzten 10 Jahren in die Verkehrsinfrastruktur in NRW? (Bitte aufschlüsseln nach Infrastrukturbereich unter Angabe des Investors sowie der Investition und ob zur kritischen Verkehrsinfrastruktur gehörig)
- Aus welchem Herkunftsland stammen die Investoren, die Investitionen in Unternehmen der Verkehrsinfrastruktur in NRW in den letzten 10 Jahren getätigt haben? (Bitte nach Land, Name des Investors, Umfang der Beteiligung sowie hinsichtlich eines Erwerbs von kritischer Verkehrsinfrastruktur auflisten)
Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Der Landesregierung ist die folgende Investition ausländischer Investoren, ausländischer Staatsfonds oder internationaler Beteiligungsgesellschaften in die Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen, an der das Land ganz oder teilweise beteiligt ist, in den letzten 10 Jahren bekannt:
– Infrastruktur: Hafen (hier: Duisburg Gateway Terminal GmbH)
– Angabe des Investors & Umfang der Beteiligung:
–
Gesellschafter der Duisburg Gateway Terminal GmbH (DGT) als Betreiberin eines Terminals und sowie Eigentümerin der Krananlagen und Suprastruktur (zzt. im Bau befindlich) sind:
– Duisburger Hafen AG (Deutschland) – 60 % der Gesellschaftsanteile
– Hupac AG (Schweiz) – 20 % der Gesellschaftsanteile
– HTS Intermodaal BV (Niederlande) – 20 % der Gesellschaftsanteile
Von 2019 bis Juni 2022 war Cosco Logistics GmbH (China) zu 30% an der DGT beteiligt. In dieser Zeit hielt die Duisburg Hafen AG 30% der Gesellschaftsanteile.
– Die Investitionshöhe kann zzt. noch nicht belastbar benannt werden. Bei Inbetriebnahme voraussichtlich im Jahr 2024 fällt das Terminal aufgrund der anzunehmenden Umschlagsmenge in der Anlaufphase zunächst nicht in den Anwendungsbereich der kritischen Infrastruktur.
- Wie bewertet die Landesregierung in NRW bereits erfolgte bzw. anstehende Übernahmen und Anteilskäufe von Verkehrsinfrastruktur durch ausländische Akteure?
Die Landesregierung hat keine Kenntnis über gegenwärtig anstehende Übernahmen oder An-teilskäufe.
Bei der zu den Fragen 1 und 2 dargestellten erfolgten Investition handelt es sich nicht um einen Anteilskauf, sondern um die Neugründung einer Projektgesellschaft. Die Landesregierung begrüßt im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Duisburger Hafen das Projekt „DGT“.
- Wie sollen ausländische Investoren Milliarden Euro in deutsche Unternehmungen investieren, wenn sie seit 2022 gleichzeitig von plötzlicher Enteignung in Deutschland (siehe Gazprom Germania oder Rosneft im Falle der PCK Raffinerie) bedroht sind?
Die Zuständigkeit für die in der Frage angesprochenen Fälle liegt beim Bund.
Die rechtlichen Grundlagen für Enteignung und Treuhandverwaltung finden sich in Bundesgesetzen und setzen u.a. voraus, dass die konkrete Gefahr besteht, dass ein Unternehmen seine Aufgaben nicht erfüllen wird und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht.
- Welche ausländischen Interessenten an der Beteiligung oder am Erwerb von Verkehrsinfrastruktur in NRW gibt es derzeit?
Der Landesregierung sind gegenwärtig keine ausländischen Interessenten an der Beteiligung oder am Erwerb von Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen bekannt.