Verträge auf Kosten der Steuerzahler?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1720

der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Hartmut Beucker AfD

Verträge auf Kosten der Steuerzahler?

Die große Koalition hat 2021 mit dem sogenannten Klimaschutzgesetz beschlossen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll. Dieses mehr als ambitionierte Ziel stellt insbesondere Unternehmen aus der sogenannten Grundstoffindustrie vor mehr als schwierige Herausforderungen. Denn das Vorhaben, in einigen Jahren auf eine klimaneutrale Produktion umzustellen, gefährdet exorbitant die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Unternehmen in unserem Land. Hersteller von Stahl und Zement sowie Teile der chemischen Industrie sind davon akut betroffen. Damit diese Wettbewerbslücke geschlossen werden soll, will die Bundesregierung klimaneutrale Produktionsprozesse in der Grundstoffindustrie massiv subventionieren und hat zwei neue Instrumente geplant: Grüne Leitmärkte und sogenannte Klimaschutzverträge.1

Der Bund der Steuerzahler stellt dazu fest:

„‚Klimaschutzverträge‘ sind Verträge zwischen dem Staat und Unternehmen. Der Staat verpflichtet sich darin für 15 Jahre, dem Unternehmen jene Mehrkosten auszugleichen, die durch eine klimaneutrale Produktion im Vergleich zu einer herkömmlichen Produktion entstehen. Gleichzeitig sichert er das Unternehmen gegen Risiken wie schwankende CO2-Preise ab. Die ersten ‚Klimaschutzverträge‘ sollen dieses Jahr unterzeichnet werden, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf Anfrage des Bundes der Steuerzahler erklärt.“2

Der Versuch, deutsche Unternehmen auch weiterhin wettbewerbsfähig zu halten, soll mit enormen Steuermitteln ermöglicht werden. Hierzu führt der Bund der Steuerzahler Folgendes aus:

„Für den Steuerzahler kann das teuer werden. Im Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“ sind in diesem Jahr rund 2,2 Mrd. Euro für die Dekarbonisierung der Industrie vorgesehen – davon rund 442 Mio. Euro für die sogenannten Klimaschutzverträge. Bis 2040 sind aktuell bis zu insgesamt 68 Mrd. Euro Subventionen für die Dekarbonisierung der Industrie vorgesehen, worunter auch die „Klimaschutzverträge“ fallen.

Das Wirtschafts- und Klimaministerium verteidigt die geplante Subvention und betont, dass sie effizient sei und eine Überkompensation der Unternehmen vermeide. Im entsprechenden Referentenentwurf vom November 2022 heißt es dazu: „Sofern im Laufe der Vertragslaufzeit der effektive CO2-Preis den im Klimaschutzvertrag festgelegten Vertragspreis übersteigt, endet die staatliche Förderung nicht nur, sie kehrt sich um in eine Zahlungspflicht der Unternehmen an den Staat.“ Dass es dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls der Wissenschaftliche Beirat beim BMWK. Der Vorsitzende des Gremiums betonte nämlich, dass eine teilweise Rückzahlung der Förderung zwar theoretisch möglich, ‚praktisch aber kaum zu erwarten‘ sei. Er befürchtete eher eine „Überförderung“. Auch sonst raten die Experten davon ab und warnen, dass Klimaschutzverträge sehr teuer werden können. Sie empfehlen den Einsatz nur in „eng begrenztem Umfang“ für den Einstieg in die klimaneutrale Produktion.

Für geeigneter halten die Experten das Instrument der grünen Leitmärkte, da sie „mehr Wettbewerb ermöglichen und mit weit geringeren Informationsanforderungen an den Staat verbunden sind“. Zudem seien sie technologieoffen und offen für den Markteintritt neuer Unternehmen. Und nicht zuletzt setzten sie „starke Anreize für die Weiterentwicklung klimafreundlicher Technologien“.

Die Bundesregierung sollte die Warnungen ihrer Experten ernst nehmen und neue Subventionen in Form von sogenannten Klimaschutzverträgen – wenn überhaupt – nur für Pilotprojekte einsetzen. Eine breit angelegte Förderung mit langen und umfassenden Zahlungsverpflichtungen für die Steuerzahler sollte unbedingt vermieden werden. Schließlich gibt es geeignetere Instrumente, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Hier besteht erhebliches Einsparpotenzial für den Bundeshaushalt.“3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Werden auch in Nordrhein-Westfalen sogenannte „Klimaschutzverträge“ zwischen dem Staat und Unternehmen angeboten, oder soll dies in Zukunft geschehen?
  2. Welche Maßnahmen plant die nordrhein-westfälische Landesregierung, um vor allem Unternehmen aus der Grundstoffindustrie wettbewerbsfähig zu halten?
  3. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass vor allem sogenannte Grundstoffindustrien durch Steuermittel wie „Grüne Leitmärkte und Klimaschutzverträge“ massiv gefördert werden sollen?

Markus Wagner

Dr. Hartmut Beucker

 

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1 Vgl. https:// steuerzahler .de/service/publikationen/bdst-sparbuch/vertraege-auf-kosten-der-steuerzahler/.

2 Ebenda.

3 Ebenda.


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine An­frage 1720 mit Schreiben vom 22. Mai 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet.

  1. Werden auch in Nordrhein-Westfalen sogenannte „Klimaschutzverträge“ zwi­schen dem Staat und Unternehmen angeboten, oder soll dies in Zukunft gesche­hen?

Es ist nicht geplant, dass das Bundesland Nordrhein-Westfalen zukünftig eigene Klimaschutz-verträge mit Unternehmen schließt. Den Unternehmen in Nordrhein-Westfalen steht es jedoch, ebenso wie den Unternehmen anderer Bundesländer, selbstverständlich frei, sich um die Kli-maschutzverträge der Bundesregierung zu bewerben.

  1. Welche Maßnahmen plant die nordrhein-westfälische Landesregierung, um vor al­lem Unternehmen aus der Grundstoffindustrie wettbewerbsfähig zu halten?

Um Unternehmen aus der energieintensiven Grundstoffindustrie wettbewerbsfähig zu halten, sind – abgesehen von einer gezielten Förderung, die übermäßige unternehmerische Risiken abmildert – insbesondere eine gesicherte, wirtschaftlich tragfähige Versorgung mit Erneuerbaren Energien und klimaneutralem Wasserstoff erforderlich. Die Landesregierung setzt sich daher erfolgreich für den Ausbau der Wind- und Photovoltaik-Leistung sowie der Etablierung resilienter, europaweiter Importbeziehungen für grünen Wasserstoff und den Auf­bau der entsprechenden Infrastrukturen ein. Des Weiteren unterstützt die Landesregierung u.a. über die Förderrichtlinie progres.innovation Unternehmen der Grundstoffindustrie dabei, klimaneutrale Prozesse umzusetzen sowie die Unternehmen aus den sogenannten „hard to abate“ Sektoren – dabei, einen nachhaltigen, klimaneutralen Umgang mit Kohlenstoff und Koh-lenstoffdioxid zu erreichen. Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung mit ihrer Gesell­schaft NRW.Energy4Climate sowohl die Grundstoffindustrie im Format IN4climate.NRW als auch die weiterverarbeitenden Branchen und mittelständische Unternehmen mit dem Indust­riepakt für Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit bei der Überwindung diverser Heraus­forderungen im Zuge der Transformation zur Klimaneutralität.

  1. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass vor allem sogenannte Grundstoffindustrien durch Steuermittel wie „Grüne Leitmärkte und Klimaschutz-verträge“ massiv gefördert werden sollen?

Die Grundstoffindustrien, aber auch das weiterverarbeitende produzierende Gewerbe in Deutschland, sind elementar für eine gesicherte Versorgung unserer gesamten Gesellschaft mit wesentlichen Grundprodukten, wie Medikamenten, Lebensmitteln und Baustoffen. Der Er­halt der Industrie ist somit auch im Zuge der klimaneutralen Transformation von erheblicher Bedeutung für Deutschland und mehr noch für das Industrieland Nordrhein-Westfalen. Grund­sätzlich sind grüne Leitmärkte das nachhaltigere und zielführendere Instrument. Der Aufbau dieser muss zudem nicht zwangsläufig mit (hohen) Subventionen einhergehen, auch andere Anreizmodelle sind denkbar. Der Aufbau grüner Leitmärkte wird jedoch Zeit in Anspruch neh­men. Entscheidende Reinvestitionen stehen aber in vielen Branchen bereits in den kommen­den Jahren an. Diese müssen unter allen Umständen in die richtige Richtung, d.h. in klima­neutrale Technologien, gelenkt werden, um die Klimaschutzziele nicht zu verfehlen. Um im internationalen Wettbewerb am Standort Nordrhein-Westfalen klimaneutral zu produzieren und weiterhin kompetitiv zu sein, benötigen Unternehmen des produzierenden Gewerbes für den Übergangszeitraum, in dem klimaneutrale Energien und Technologien, die dem internati­onalen Preisdruck noch nicht Stand halten können, daher Subventionen, um die Wirtschaft­lichkeitslücke zu schließen. Das gilt nicht ausschließlich für energieintensive Grundstoffindustrien, sondern auch für weiterverarbeitende Branchen. Klimaschutzverträge werden hier als sinnvolles und unverzichtbares Instrument erachtet, um den Wohlstand und die Versorgungs­sicherheit in Deutschland nicht zu gefährden. Die dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen vorliegende Entwurfsfassung der Richtlinie Klimaschutzverträge, die im Dezember 2022 in einem breiten Konsultationsprozess fachöffentlich gemacht wurde, enthält klare Eingrenzungen in Bezug auf die Anwendungsfälle und Antragsberechtigten und zielt durch das avisierte Ausschreibungsverfahren auf eine ma­ximale Fördereffizienz ab. Zudem berücksichtigen die Berechnungen der Vertragspreise dy­namische Marktparameter, wie den CO2-Preis und erzielte Mehrerlöse durch „grüne“ Pro­dukte. Durch die beschleunigte Abschmelzung der freien Zuteilungen im EU-ETS ist anzuneh­men, dass der CO2-Preis in den kommenden 5-10 Jahren erheblich steigen wird, sodass eine Umkehrung der Zahlungsverpflichtung als durchaus realistisch einzuschätzen ist.

 

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