Verzögerungen bei Verkehrsinfrastrukturprojekten: Wie häufig werden Sanierungen in Nordrhein-Westfalen durch komplexe Planfeststellungsverfahren und Umweltverträg-lichkeitsprüfungen verlangsamt?

Kleine Anfrage
vom 09.08.2023

Kleine Anfrage 2283

der Abgeordneten Klaus Esser und Zacharias Schalley AfD

Verzögerungen bei Verkehrsinfrastrukturprojekten: Wie häufig werden Sanierungen in Nordrhein-Westfalen durch komplexe Planfeststellungsverfahren und Umweltverträg­lichkeitsprüfungen verlangsamt?

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Bereits im Mai 2023 hatte der BUND per Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht Münster erste Vorarbeiten an der Talbrücke Büschergrund gestoppt. Seitdem herrscht dort Stillstand. Ziel war ursprünglich, bis 2028 mit der Ersatzbrücke der A 45 fertig zu sein. Die Fertigstellung wird sich jetzt wohl um fünf Jahre verzögern. Nun muss zunächst eine Umweltverträglichkeits­prüfung durchgeführt werden. Vor 2027 kann die Brücke daher nicht gesprengt werden. Der anschließende Neubau wird weitere Jahre in Anspruch nehmen. Die Behörden hatten diese aufwändige Prüfung verhindern wollen und dazu ein beschleunigtes Verfahren beantragt.1 Die Talbrücke Büschergrund führt aber durch ein Naturschutzgebiet. Für eine Sprengung müssen Bäume gefällt und auch ein Bach umgeleitet werden. Damit nicht genug, leben dort im Bach auch „seltene Mikroorganismen“. Umweltschützer befürchten, dass die Wasserqualität des Baches und damit die „seltenen Mikroorganismen“ leiden könnten. Das alles reicht, um Ver-kehrsinfrastrukturprojekte um viele Jahre zu verzögern. Diese Verkehrswege aber sind essen­tiell für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand. Grund genug, sich die Verzögerungen durch Umweltverträglichkeitsprüfungen und langwierige Planfeststellungsverfahren, die auch im Einflussbereich von Straßen.NRW auftreten, genauer in Augenschein zu nehmen.

Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 2283 mit Schrei­ben vom 12. September 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Antworten zu 1. bis 3. beziehen sich auf sämtliche abgeschlossene und laufende Planfest-stellungs-/genehmigungsverfahren seit dem 01.01.2013, bei denen Straßen.NRW bzw. die DEGES im Auftrag des Landes NRW, wenn auch nur zeitweise bedingt durch den Übergang der Bundesautobahnen auf die Autobahn GmbH des Bundes zum 01.01.2021, Vorhabenträ-ger waren bzw. sind.

  1. Planfeststellungsverfahren sind Genehmigungsverfahren für größere Infrastruk-turvorhaben, wie den Neu- oder Ausbau von Landes- und Kreisstraßen. Wie viele Plan­feststellungsverfahren gab es in den letzten 10 Jahren im Geltungsbereich von Straßen.NRW? (Bitte Zeitpunkt, Ort sowie nähere Umstände benennen)

Es wurden/werden seit dem 01.01.2013 145 Verfahren durchgeführt. 112 Verfahren für Bun­desfernstraßen, davon 62 abgeschlossen und 50 laufend. 33 Verfahren für Landesstraßen, davon 21 abgeschlossen und 12 laufend.

2. Wie viele Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden in den letzten 10 Jahren im Geltungsbereich von Straßen.NRW durchgeführt? (Bitte Zeitpunkt, Ort und nähere Umstände benennen)

Grundsätzlich wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung formal über das Planfeststellungsver­fahren durchgeführt. Insoweit wird für die Zahl der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprü­fungen auf die Frage 1 verwiesen. Für 15 Verfahren wurden allerdings keine eigenen Umwelt­verträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Hierbei handelt es sich um Planergänzungs- bzw. Än­derungsverfahren sowie Vorhaben mit nachweislich geringen Umweltauswirkungen (nach durchgeführter UVP-Vorprüfung).

3. Straßen.NRW setzt im Durchschnitt etwa drei Jahre für die Bewältigung eines Planfeststellungsverfahrens an. In wie vielen Fällen wurde in den letzten 10 Jahren im Anschluss an ein Planfeststellungsverfahren von Straßen.NRW geklagt? (Bitte absolute Zahlen oder Prozentwert angeben)

Es wurden/werden seit dem 01.01.2013 insgesamt 49 Klageverfahren gegen 26 Vorhaben durchgeführt.

4. Sind Planfeststellungsverfahren angesichts der Klagefreude von ökologischen Nichtregierungsorganisationen heute überhaupt noch zeitgemäß, wenn diese Ver­fahren ohnehin nicht respektiert werden?

Planfeststellungsbeschlüsse können einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden. Die­ses Recht dient dem Schutze von Betroffenen und ist daher allein aus rechtsstaatlicher Sicht nicht in Abrede zu stellen.

Im Übrigen ist festzustellen, dass lediglich vier der 49 Klageverfahren (siehe Beantwortung von Frage 3) durch Umweltverbände angestrengt wurden.

  1. Wie steht die Landesregierung zu den unterhalb der Talbrücke Büschergrund an­getroffenen „seltenen Mikroorganismen“, die nun für eine mehrjährige Umweltver­träglichkeitsprüfung herhalten müssen bzw. die Erneuerung einer wichtigen Ver­kehrsverbindung massiv verzögern?

Es ist bereits aus Respekt vor der Unabhängigkeit des Gerichts nicht Aufgabe der Landesre­gierung, sich zu Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zu posi­tionieren.

 

Antwort als PDF

 

1 https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/a-fuenfundvierzig-talbruecke-bueschergrund-100.html