Antrag
der Fraktion der AfD
Volle Windel – leeres Portemonnaie; Bei Kindern gilt es nicht zu sparen: Willkommens-paket für frischgebackene Eltern und Senkung der Umsatzsteuer auf Babyartikel
I. Ausgangslage
Kinder sind das größte Glück. Getreu dem Motto können es viele Paare kaum erwarten, eine eigene Familie zu gründen. Jedoch plagen viele Familien auch finanzielle Sorgen. Denn mit der Entscheidung, eine Familie zu gründen, gehen erhebliche finanzielle Verpflichtungen einher. Angefangen beim Erwerb der notwendigen Babyausstattung über Kinderbetreuung bis hin zu Bildungskosten können die Ausgaben rasant ansteigen.
So investieren Eltern im Durchschnitt etwa 148.000 Euro pro Kind bis zum 18. Lebensjahr. Insbesondere in den ersten Monaten werden erhebliche finanzielle Mittel für Babyartikel wie Bett, Kinderwagen und Wickelkommode benötigt, wofür Eltern im Schnitt 2.976 Euro ausgeben. Neben der Grundausstattung entstehen Kosten für Windeln, Nahrung, Kleidung und Spielzeug.1 Laut Statistischem Bundesamt gaben Paare mit einem Kind im Jahr 2018 monatlich durchschnittlich 763 Euro für dessen Versorgung aus.2 Diese finanzielle Herausforderung kann für zahlreiche Paare ein Hemmnis bei der Familienplanung oder dem Wunsch nach Nachwuchs darstellen.
Neben den ohnehin anfallenden Kosten sind zusätzlich in den letzten Jahren die Preise von Kinderpflegeprodukten in die Höhe gestiegen. Die erhebliche Inflation und die ansteigenden Energiekosten führten zu einer rapiden Preiserhöhung in Drogeriemärkten. Besonders deutlich wurde dies bei den Windelkosten. Eltern müssen mittlerweile für das preisgünstigste Produkt tief in die Tasche greifen. Einige Produkte verzeichneten sogar Preisanstiege von bis zu 40 Prozent.3
Vor allem Neugeborene brauchen jedoch im Durchschnitt sechs bis acht Windeln am Tag. In der gesamten Wickelphase kommt man so schnell auf bis zu 5000 Windeln pro Kind.4
Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich mittlerweile landesweit Hilfsprojekte gründen, um vor allem Familien mit geringem Einkommen zu unterstützen. So beispielsweise die bereits seit mehreren Jahren bestehenden Kinderhilfsprojekte „Mama Bärchen hilft“ und „Krötenstark ins Leben“ aus Paderborn. Dank ihrer Hilfe konnten bisher knapp 5000 Familien mit einem geringen Einkommen Unterstützung in Form von Windeln, Kleidung und Pflegeprodukten erhalten. Die Initiatoren der Projekte betonen, dass zahlreiche Familien in erster Linie versuchen, bei Windeln zu sparen. Daher kommt es nicht selten vor, dass die Windel nur einmal am Tag gewechselt wird. Dieses unzureichende Wickeln kann jedoch zu verschiedenen körperlichen und psychischen Problemen führen, beispielsweise Wunden, Unruhe und Schmerzen. Viele Eltern würden mehr Windeln kaufen, wenn diese kostengünstiger zu erwerben wären. Darüber hinaus bieten die Hilfsprojekte ein kleines Geschäft an, in dem Eltern nach vorheriger Registrierung einmal pro Woche preisgünstig Windeln, Nahrung, Pflegeprodukte und Ähnliches für ihre Kinder einkaufen können.5
Dass dies schon längst kein Randphänomen mehr ist, bestätigen die aktuellen Zahlen zur Armut von Familien und Kindern. Die Gründung einer Familie muss in Deutschland mittlerweile als ernstzunehmendes Armutsrisiko betrachtet werden. Besonders in den ersten Monaten und Jahren, wenn die Eltern sich in Elternzeit befinden, kann die Situation für viele Familien existenzbedrohlich werden. So lebten im Jahr 2022 über drei Millionen Kinder in Deutschland in Armut, was einem Anteil von jedem fünften Kind entspricht. Im Vergleich zum Vorjahr 2021 stieg die Zahl der betroffenen Minderjährigen um 146.000, zum Jahr 2020 sogar um 302.000. Diese besorgniserregenden Zahlen, die aus einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes von 2023 stammen, verdeutlichen erneut den sozialen Abwärtstrend in Deutschland. Die Hauptursachen dafür liegen vor allem in den steigenden Lebenshaltungskosten, bedingt durch die hohe Inflationsrate, sowie den gestiegenen Energiekosten.
Besonders gefährdet von Armut sind Kinder und Familien in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Die Armutsgefährdungsquote bewegt sich hier sogar bereits in Richtung 30 Prozent.6
Das besonders Fatale: Mit abnehmendem Familieneinkommen wird die finanzielle Belastung durch jedes zusätzliche Haushaltsmitglied spürbar schwerwiegender. Gleichzeitig fallen bei geringeren Einkommen die speziellen Ausgaben, die für Kinder notwendig sind – beispielsweise für Windeln, Pflegeprodukte und Nahrung – besonders stark ins Gewicht, sodass bei diesen als erstes gespart wird. Eine vergleichbare Situation zeigt sich bei kinderreichen Familien.7
Aus diesem Grund gilt es als Land den Familien mit kleinen Kindern unter die Arme zu greifen. Die Einführung eines Willkommenspakets für Neugeborene in Form von Windeln, Informationen und weiteren Baby-Artikeln, wie es bereits zahlreiche Kommunen8 und das Land Finnland9 praktizieren, wäre nicht nur eine reale Entlastung und Orientierung für Familien – insbesondere in den ersten Monaten – sondern kann zusätzlich als eine Form der Anerkennung und Wertschätzung für Familien und ihren Beitrag zur Gesellschaft betrachtet werden.
Um Familien auch langfristig zu entlasten, sollten zudem die generellen Kosten für Kinderpfle-geprodukte deutlich gesenkt werden. Zurzeit gilt für diese Produkte weiterhin der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 Prozent. Im Gegensatz dazu wurde im Jahr 2020 der Umsatzsteuersatz für Damenhygieneartikel von 19 auf 7 Prozent gesenkt. In der vorangegangenen erfolgreichen Petition wurde argumentiert, dass Frauen ihre Periode nicht kontrollieren können und Hygieneartikel daher nicht als Luxus, sondern als lebensnotwendige Güter betrachtet werden sollten. Pflegeprodukte für Säuglinge und Kinder unterliegen jedoch weiterhin dem vollen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent. Analog zu Damenhygieneartikeln sind auch Kinderpflegeprodukte keine Luxusgüter, sondern unerlässliche Bedarfsartikel. Insbesondere der Umsatzsteuersatz von 19 Prozent für Babynahrung erscheint deshalb nicht nachvollziehbar. Dieses Missverhältnis nehmen auch zahlreiche Eltern wahr, weshalb dazu bereits mehrere Petitionen initiiert wur-den.10
Nordrhein-Westfalen sollte diesbezüglich auf Bundesebene darauf hinwirken, den reduzierten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent auch auf Kinderpflegeprodukte anzuwenden. Eine Anpassung der Steuerlast wäre ein weiteres bedeutendes Instrument zur Förderung und Entlastung von Familien. Die Senkung der Umsatzsteuer käme ganz gezielt den Kindern zu Gute, da finanzielle Aufschläge, Mehrzuwendungen und Erhöhungen in nicht wenigen Familien zum Stopfen anderer Finanzlöcher genutzt werden, sodass kein zusätzliches Geld für das Kind oder die Kinder da ist.
Kinder stellen die Zukunft unserer Gesellschaft dar. Es liegt in unserer Verantwortung, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, Kindern einen positiven Start ins Leben zu ermöglichen und Familien kontinuierlich zu unterstützen. Die Einführung eines Willkommenspakets für Neugeborene auf Landesebene und die Senkung der Umsatzsteuer auf Kinderpflegeprodukte, wäre ein weiterer Schritt in die richtige Richtung und eine reale Entlastung für zahlreiche Eltern in Nordrhein-Westfalen.
II. Der Landtag stellt fest:
- Familien leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Gesellschaft, der gebührend gewürdigt werden muss.
- Die Kinder- und Familienarmut bleibt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – sich ihrer anzunehmen muss im Zentrum politischen Handelns stehen.
- Kinder stellen immer noch ein Armutsrisiko dar.
- Die finanzielle Belastung vor allem in den ersten Monaten und Jahren des Kindes kann für viele Eltern eine erhebliche Hürde darstellen.
- Hohe Ausgaben für Kinderpflegeprodukte sollten Paaren jedoch nicht davon abhalten, ihren Kinderwunsch zu erfüllen.
- Familien müssen in ihrem Kinderwunsch unterstützt und finanziell entlastet werden.
- In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits zahlreiche Hilfsprojekte, die Familien mit geringerem Einkommen beim Erwerb von Kinderpflegeprodukten unterstützen.
- Die Einführung eines Willkommenspakets für Neugeborene stellt ein geeignetes Mittel dar, um Familien in Nordrhein-Westfalen wertzuschätzen und in den ersten Lebensmonaten zu unterstützen.
- Kinderpflegeprodukte sind essenzielle Güter des täglichen Bedarfs, daher sollte die Umsatzsteuer für diese Produkte von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt werden.
III. Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:
- ein Willkommenspaket für Neugeborene einzuführen, welches Eltern nach der Geburt ihres Kindes kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen;
- auf Bundesebene darauf hinzuwirken, den Umsatzsteuersatz für Kinderpflegeprodukte des täglichen Bedarfs auf 7 Prozent zu reduzieren.
Zacharias Schalley
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www.merkur.de/leben/geld/kinderbetreuung-erziehung-ausgaben-sparen-kosten-kind-eltern-baby-zr-92256432.html (abgerufen am 22.11.2023)
2 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2021/PD21_26_p002.html (abgerufen am 22.11.2023)
3 https://www.focus.de/finanzen/news/bekannte-marken-preise-steigen-bei-dm-und-rossmann-kraeftig-fuer-diese-produkte-zahlen-sie-mehr_id_107938029.html (abgerufen am 23.11.2023)
4 https://www.bmuv.de/meldung/mai-2019-umweltfreundliche-und-gesunde-windeln (abgerufen am 23.11.2023)
5 https://jakobusschwestern.de/kroetenstark/Mama-Baerchen (abgerufen am 24.11.2023)
6 https://www.waz.de/politik/armut-kinder-jugendliche-gefaehrdet-rekord-id238625701.html (abgerufen am 23.11.2023)
7 https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2018/februar/viele-familien-aer-mer-als-bislang-gedacht (abgerufen am 23.11.2023)
8 https://rp-online.de/leben/gesundheit/schwangerschaft/diese-baby-begruessungspakete-gibt-es-im-kreis-kleve_aid-66063139 (abgerufen am 05.12.2023)
9 https://www.sueddeutsche.de/leben/familie-partnerschaft-junge-schachtel-1.2603885 (abgerufen am 05.12.2023)
10 https://www.openpetition.de/petition/online/mehrwertsteuersenkung-auf-windeln-von-19-auf-7?lan-guage=en_GB.utf8 (abgerufen am 23.11.2023)