Kleine Anfrage 4715
des Abgeordneten Markus Wagner AfD
Weist der Verfassungsschutzbericht in Nordrhein-Westfalen beim Personenpotenzial Mängel auf?
Der Umgang der Bundesregierung mit gewaltorientierten Personen, die dem Islamismus und ausländischen Extremismus zugeordnet werden, weist eine unverständlich fehlende Transparenz auf. Während der Verfassungsschutz regelmäßig Angaben zu gewaltbereiten Personen im Rechts- und Linksextremismus macht, fehlen vergleichbare Daten zu Islamisten und ausländischen Extremisten. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess kritisiert diese Lücke scharf und bemängelt, dass die Bundesregierung diese Informationen nur auf Anfrage bereitstellt. Er spricht von einer fahrlässigen Ignoranz der Regierung, da insbesondere der Islamismus und ausländischer Extremismus laut Hess die größten Sicherheitsgefahren für Deutschland darstellen. Hess betont, dass Deutschland zu einem Rückzugsort für ausländische Extremisten geworden sei, was der Regierung als Vorwand diene, um untätig zu bleiben.1
Die Bundesregierung rechtfertigt das Fehlen einer Übersicht damit, dass es bisher keine Notwendigkeit gab, die Berichte zu harmonisieren. Während Linksextremisten, Rechtsextremisten und ausländische Extremisten nach gewaltorientierten Kriterien eingestuft werden, wird bei Islamisten nur das sogenannte „islamistisch-terroristische Personenpotenzial“ (itP) erfasst. Diese Kategorie bezieht sich auf Gefährder und relevante Personen, die von den Polizeibehörden festgestellt werden. Hess fordert angesichts dieser Situation mehr Aufklärung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und dem Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang. Ohne eine genaue Kenntnis der Bedrohungslage sei keine effektive Sicherheitspolitik möglich und die Regierung trage eine Mitschuld an islamistischen Gewaltakten und Terroranschlägen. Die Zahlen der Generalbundesanwaltschaft belegen die Bedrohung durch Islamismus und ausländischen Extremismus. Im ersten Halbjahr 2024 wurden keine neuen Verfahren wegen Rechtsextremismus eröffnet, aber zahlreiche Verfahren gegen ausländischen Extremismus und Islamismus eingeleitet.2
Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2023 sind auf den Seiten 30 und 31 die Personenpotenziale des Rechts- und Linksextremismus, des Auslandsbezogenen Extremismus und des Islamismus angegeben. Allerdings weisen nur der Rechts- und Linksextremismus explizit Zahlen über die dazugehörigen gewaltorientierten Extremisten auf. In der Übersicht zum Auslandsbezogenen Extremismus mit insgesamt 6.105 Personen wie auch zum Islamismus mit insgesamt 4.000 Personen findet sich keine Aufschlüsselung darüber, wie viele dieser Personen als gewaltorientiert eingestuft werden. Zum Auslandsbezogenen Extremismus zählt unter anderem die Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front (DHKP-C), die „in Deutschland seit dem 1. Februar 2000 rechtskräftig verboten“ ist und zudem im Mai 2002 durch den „Rat der Europäischen Union […] auf die europäische Liste der Terrororganisationen gesetzt“ wurde.3 In der Rubrik Islamismus werden beispielsweise Vereinigungen wie die HAMAS oder die Organisation Hizb Allah (Partei Gottes) und schiitischer Islamismus aufgeführt, über die der Verfassungsschutz selbst ausführt, dass es sich „um eine international agierende terroristische Organisation“ handelt, „die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“.4 Es ist daher schwer nachvollziehbar, dass es weder im Auslandsbezogenen Extremismus noch im Islamismus gewaltorientierte Personen geben soll.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Warum weisen die Rubriken „Auslandsbezogener Extremismus“ und „Islamismus“ (außer bei Salafisten) keine explizite Aufstellung gewaltorientierter Personen auf?
- Auf wie hoch schätzt der Verfassungsschutz das Personenpotenzial gewaltorientierter Personen in der Rubrik „Auslandsbezogener Extremismus“ ein?
- Auf wie hoch schätzt der Verfassungsschutz das Personenpotenzial gewaltorientierter Personen in der Rubrik „Islamismus“ jenseits des Salafismus ein?
- Über welche Staatsangehörigkeiten verfügen die in den Fragen 2 und 3 abgefragten Personen? (Bitte Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem Deutschen nennen.)
- Welche Personenmerkmale weisen die in den Fragen 2 und 3 abgefragten Personen auf? (Bitte nach Alter und Geschlecht aufschlüsseln.)
Markus Wagner
2 Ebenda.
3 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2023, S. 201.
4 Ebenda, S. 238 – 246.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4715 mit Schreiben vom 2. Dezember 2024 namens der Landesregierung beantwortet.
- Warum weisen die Rubriken „Auslandsbezogener Extremismus“ und „Islamismus“ (außer bei Salafisten) keine explizite Aufstellung gewaltorientierter Personen auf?
- Auf wie hoch schätzt der Verfassungsschutz das Personenpotenzial gewaltorientierter Personen in der Rubrik „Auslandsbezogener Extremismus“ ein?
- Auf wie hoch schätzt der Verfassungsschutz das Personenpotenzial gewaltorientierter Personen in der Rubrik „Islamismus“ jenseits des Salafismus ein?
- Über welche Staatsangehörigkeiten verfügen die in den Fragen 2 und 3 abgefragten Personen? (Bitte Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem Deutschen nennen.)
- Welche Personenmerkmale weisen die in den Fragen 2 und 3 abgefragten Personen auf? (Bitte nach Alter und Geschlecht aufschlüsseln.)
Die Fragen 1 bis 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Es besteht, vor dem Hintergrund unterschiedlicher phänomenologischer Erfordernisse, kein Bedarf, die jeweils gewählte Darstellung der Phänomenbereiche zu gewaltorientierten Personen im Rahmen des jährlichen Verfassungsschutzberichtes des Landes Nordrhein-Westfalen übergreifend zu harmonisieren.
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht über das Jahr 2023 weist im Bereich des Islamismus sowie des Auslandsbezogenen Extremismus mehrere nicht-salafistische terroristische Organisationen aus. Dazu zählen im Islamismus die sunnitisch-terroristische HAMAS sowie die schiitische Hizb Allah. Im Berichtsteil zum nicht islamistischen Auslandsbezogenen Extremismus werden die Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-Front DHKP-C, die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie die Volksfront für die Befreiung Palästinas(PFLP) als terroristische Organisationen genannt.
Der Oberbegriff „gewaltorientiert“ wird grundsätzlich dann verwendet, wenn Extremisten als gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbefürwortend eingeordnet werden können.
Die benannten Organisationen wenden in ihren Heimatländern Gewalt an oder propagieren den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele jedenfalls als legitimes Mittel. Daher liegt bei Anhängern dieser Organisationen gemäß der obig gegebenen Definition grundsätzlich auch eine Gewaltorientierung vor.
Deutschland wird von diesen Organisationen jedoch grundsätzlich als Rückzugsraum betrachtet und gewaltsame Handlungen werden seitens ihrer Anhänger vor allem aus strategischen Erwägungen zumeist vermieden.
Im Gegensatz dazu schließt das als gewaltbereit dargestellte Personenpotenzial im Salafis-mus die Anwendung von Gewalt in Deutschland bzw. Nordrhein-Westfalen gerade nicht aus oder verfolgt diese sogar zur Erreichung ihrer Ziele.
Eine Darstellung des Zahlenpotenzials gewaltorientierter Personen im Auslandsbezogenen Extremismus und im nicht-salafistischen Islamismus wäre vor diesem Hintergrund in Bezug auf die durch das Personenpotenzial entstehende Gefahrenlage nicht aussagekräftig und könnte zu Fehlinterpretationen in Bezug auf die Sicherheitslage in Deutschland führen.