Kleine Anfrage 5603der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 11.06.2021
Weitere Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem KDDM
Zum Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) äußerte sich die Landesregierung zuletzt am 16. März 2021 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Markus Wagner (AfD).1. Darin heißt es in der Antwort auf Frage 1:
„Der Landesregierung liegt lediglich eine im Jahr 2018 auf der Internetseite des KDDM veröffentlichte Mitgliederliste vor. Seitdem veröffentlicht der KDDM zum Schutz seiner Mitglieder keine Mitgliederlisten mehr. Er stellt diese aber lokalen Partnern auf Wunsch zur Verfügung.“
Die Antwort auf Frage 3 lautet:
„Zu insgesamt acht Vereinen, die zumindest im Jahr 2018 als Mitglieder des KDDM bezeichnet wurden, sind extremistische Bezüge bekannt. Keiner der Vereine ist jedoch festgestellt extremistisch. In einigen Fällen war eine niedrigschwellige extremistische Einflussnahme auf einen Verein feststellbar, in anderen Fällen fungierte eine Moschee lediglich als Anlaufstelle für Personen aus dem islamistischen Spektrum, ohne dass durch den Verein eine erkennbare Unterstützung von extremistischen Bestrebungen erfolgte
Eine offizielle oder inoffizielle Reaktion des KDDM auf die Antworten der Landesregierung war zunächst nicht zu verzeichnen. Dass der KDDM diese Darstellungen dennoch beachtet hat, ergibt sich indirekt aus einem am 21. April 2021 auf seiner Internet-Seite veröffentlichten „Faktencheck“. Mit dieser Veröffentlichung reagierte der KDDM auf einen Online-Vortrag einer Islamismus-Expertin beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA) am 15. April 2021.
In der Aussage 1 dieses „Faktenchecks“ teilt der KDDM mit, derzeit 33 Mitglieder zu haben, „die primär als eingetragene Vereine konstituiert sind“. Den Vorwurf der Intransparenz weist der KDDM unter anderem mit folgender Aussage zurück:
„Mitgliederlisten des KDDM werden bei Bedarf allen Kooperationspartnern vollständig mitgeteilt, so wie zuletzt den Mitgliedern des in Düsseldorf in Gründung befindlichen Rats der Religionen, der Verwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf, dem Ordnungsamt und dem Gesundheitsamt Düsseldorf im Zusammenhang mit Covid-19-Maßnahmen.“2
Dass seine Mitgliederliste nicht veröffentlicht wird, begründet der KDDM mit dem „Hintergrund islamfeindlicher Straftaten und der allgemeinen Bedrohungslange“. Warum der KDDM weder der Landesregierung noch dem Verfassungsschutz eine aktuelle Mitgliederliste zur Verfügung stellt, wird nicht erläutert3, obwohl es sich hier doch um Ansprechpartner handelt, welche die Macht und die Möglichkeiten haben, genau einer solchen Bedrohungslage entgegenzuwirken.
Zu der Feststellung der Landesregierung, bei insgesamt acht KDDM-Mitgliedern seien extremistische Bezüge bekannt, äußert sich der KDDM erstmals in Aussage 4. Dort heißt es zunächst:
„Bzgl. ,extremistischer Bezüge‘ der gegenständlichen Mitglieder merkt das Innenministerium selbst an, dass es in einigen Fällen eine niedrigschwellige extremistische Einflussnahme auf einen (Mitglieds-) Verein gegeben habe. Der KDDM nahm sich dem Sachverhalt unmittelbar nach Kenntnis an. Es wurden konkrete Maßnahmen zur Einstellung dieses Bezugs gefordert und bereits umgesetzt.“4
Davon, dass sich der KDDM extremistischer Bezüge einzelner Mitglieder angenommen habe, war öffentlich bislang nichts bekannt. Es stellt sich zudem die Frage, warum er dieses Vorgehen nicht im Sinne einer vertrauensbildenden Maßnahme öffentlich kommuniziert hat.
Am Ende des vierten Punktes heißt es dann:
„Die genannten ,Bezüge‘ beinhalten primär unsensible Verhaltensweisen aus Unwissen bei z.B. Socialmedia-Accounts, von denen sich betroffene Vereine bereits klar distanziert haben.“5
Auch an dieser Stelle ist anzumerken, dass solche Distanzierungen, zumindest öffentlich, vor der Veröffentlichung des Faktenchecks nicht bekannt waren. Nach der Antwort der Landesregierung vom 16. März 2021 war etwa auf der Facebook- oder der Internet-Seite des KDDM keine solche Distanzierung zu erkennen. Die Darstellung der angeblichen Distanzierungen erfolgte erst, nachdem sich eine Islamismus-Expertin in ihrem Online-Vortrag auf die Antwort der Landesregierung bezogen hatte.
Unter Punkt 5 des sogenannten Faktenchecks heißt es dann wörtlich:
„Außerdem ist zu ergänzen, dass die Landesregierung NRW nicht mit extremistischen Organisationen kooperiert oder diese auch nicht fördert. Der KDDM bzw. sein Projekt ,Düsseldorfer Freitagsgespräche‘ wurde 2019 vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW (MKFFI) finanziell und öffentlich gefördert. Ferner hat das MKFFI noch am 22. März 2021 den Kontakt zum KDDM erneut aufgenommen, um weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu besprechen. KDDM ist zudem erfolgreich juristisch gegen eine Bloggerin vorgegangen, die versuchte den KDDM mit legalistisch-islamistischen Extremisten zu markieren. Vor diesem Hintergrund und der klaren Aussage der Landesregierung NRW ist weder der KDDM noch einzelne Mitglieder oder Vorstände des KDDM als extremistisch oder legalistisch-islamistisch einzuordnen.“6
Diese Aussage kann in diesem Kontext so verstanden werden, dass der KDDM die Förderung eines KDDM-Projekts durch das MKFFI sowie dessen Bereitschaft zu weiterer Zusammenarbeit als Beweis dafür anführt, dass KDDM-Mitglieder pauschal nicht als extremistisch oder als legalistisch-islamistisch einzuordnen sind.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Ist die Darstellung des KDDM vom 21. April 2021 zutreffend, das MKFFI habe dem KDDM am 22. März 2021 weitere Zusammenarbeit angeboten, also nur sechs Tage, nachdem Minister Herbert Reul für die Landesregierung auf acht KDDM-Mitglieder mit extremistischen Bezügen hinwies?
- Wie rechtfertigt die Landesregierung, dass sie auch weiterhin mit einem Verband zusammenarbeiten will, der nach ihrer eigenen Einschätzung Mitglieder mit extremistischen Bezügen hat?
- Welche Projekte sind im Rahmen der zukünftigen Zusammenarbeit der Landesregierung und des KDDM aktuell geplant?
- Den Ausführungen des KDDM folgend, hat man der Verwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf, dem Ordnungsamt sowie dem Gesundheitsamt Düsseldorf im Zusammenhang mit Covid-19-Maßnahmen eine aktuelle Mitgliederliste zukommen lassen. Liegt diese aktuelle Mitgliederliste auch der Landesregierung vor? (wenn ja: Bitte die aktuelle Mitgliederliste als Anlage beifügen)
- Ist die Darstellung des KDDM, die extremistischen Bezüge einzelner seiner Mitglieder „beinhalten primär unsensible Verhaltensweisen aus Unwissen bei z.B. Socialmedia-Accounts, von denen sich betroffene Vereine bereits klar distanziert haben“, nach den Erkenntnissen der Landesregierung bzw. des Landesamts für Verfassungsschutz als glaubwürdig bzw. zutreffend zu bewerten?
Gabriele Walger-Demolsky
1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/13093
2 Vgl. https://kddm-online.de/wordpress/wp-content/uploads/2021/04/Faktencheck-Aufklaerung-fuer-den-Aufklaerungsdienst.pdf S.2 Aussage 1
4 Ebenda; Grammatik im Original
5 Ebenda
6 Ebenda
Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 5603 mit Schreiben vom 19. Juli 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.
- Ist die Darstellung des KDDM vom 21. April 2021 zutreffend, das MKFFI habe dem KDDM am 22. März 2021 weitere Zusammenarbeit angeboten, also nur sechs Tage, nachdem Minister Herbert Reul für die Landesregierung auf acht KDDM-Mitglieder mit extremistischen Bezügen hinwies?
Die im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration angesiedelte Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement in NRW (KRM NRW) führt seit März 2021 im Rahmen eines niedrigschwelligen Dialog-Formats Austauschgespräche mit interessierten muslimisch und alevitisch geprägten Zusammenschlüssen. Über dieses Angebot wurde der KDDM informiert.
- Wie rechtfertigt die Landesregierung, dass sie auch weiterhin mit einem Verband zusammenarbeiten will, der nach ihrer eigenen Einschätzung Mitglieder mit extremistischen Bezügen hat?
Auf die Antworten zu den Fragen 2, 3 und 5 der Kleinen Anfrage 5016 vom 16.03.2021, Landtagsdrucksache 17/13093, wird verwiesen.
- Welche Projekte sind im Rahmen der zukünftigen Zusammenarbeit der Landesregierung und des KDDM aktuell geplant?
Keine.
- Den Ausführungen des KDDM folgend, hat man der Verwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf, dem Ordnungsamt sowie dem Gesundheitsamt Düsseldorf im Zusammenhang mit Covid-19-Maßnahmen eine aktuelle Mitgliederliste zukommen lassen. Liegt diese aktuelle Mitgliederliste auch der Landesregierung vor? (wenn ja: Bitte die aktuelle Mitgliederliste als Anlage beifügen)
Der Landesregierung liegt diese Liste nicht vor.
- Ist die Darstellung des KDDM, die extremistischen Bezüge einzelner seiner Mitglieder „beinhalten primär unsensible Verhaltensweisen aus Unwissen bei z.B. Socialmedia-Accounts, von denen sich betroffene Vereine bereits klar distanziert haben“, nach den Erkenntnissen der Landesregierung bzw. des Landesamts für Verfassungsschutz als glaubwürdig bzw. zutreffend zu bewerten?
Der Landesregierung ist nicht bekannt, auf welche Fälle die genannte Erklärung konkret Bezug nimmt. Für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz sind „unsensible Verhaltensweisen aus Unwissenheit bei Socialmedia-Accounts“ eventuell ein Hinweis, aber für sich genommen kein hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkt für den Verdacht und die Bewertung, dass es sich um eine extremistische Bestrebung oder eine solche mit Bezügen ins extremistische Spektrum handele. Wenn der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz von Bezügen in ein extremistisches Spektrum berichtet, liegen dem nicht nur Hinweise, sondern tatsächliche Anhaltspunkte zugrunde.