Kleine Anfrage 3422der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 18.02.2020
Welche Erfahrungen hat die Landesregierung mit dem Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schüler*innen gegen Antisemitismus“ gemacht?
Am 4. Juli 2018 teilte das Landesintegrationsministerium (MKFFI) in einer Pressemitteilung mit, das Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schüler*innen gegen Antisemitismus“ der JuMu Deutschland gGmbH (Juden und Muslime) bis zum Ende des Jahres 2019 mit 160.000 Euro zu unterstützen.
„Das Projekt Vielfalt zum Anfassen richtet sich an Jugendliche, die von den bisherigen Maßnahmen gegen Antisemitismus nicht oder nur unzureichend erreicht werden. Dazu zählen vor allem Menschen, die nicht in Deutschland zur Schule gegangen sind und keinen Schulunterricht über den Holocaust hatten. Darüber hinaus werden mit dem Projekt Sozialräume in den Blick genommen, in denen es besonders starke Ausprägungen von Antisemitismus gibt. In rund 30 Workshops werden Jugendliche in ganz Nordrhein-Westfalen für das Thema sensibilisiert. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugendämtern, Schulen und Berufskollegs sollen sich Muslime und Juden persönlich kennenlernen, so dass das interkulturelle und interreligiöse Verständnis verbessert wird. In diesem Jahr finden die Workshops in Bielefeld, Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Hamm, Mönchengladbach, Leverkusen und Oberhausen statt. Für das zweite Jahr sind Workshops in Bonn, Bottrop, Gütersloh, Hagen, Münster, Rheine, Siegen und Wuppertal geplant“, kündigte das MKFFI in seiner Mitteilung zur konkreten Ausgestaltung des Projekts an.1
Da die Unterstützung bis zum Jahresende 2019 befristet war, müsste das Projekt inzwischen abgeschlossen worden sein.
In der ersten Fassung der Pressemitteilung wurde JuMu Deutschland als Teil des Zentralrats der Muslime beschrieben. Auch Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) wurde bei der Mitteilung über die Geldvergabe zitiert: „Die Landesregierung unterstützt den Zentralrat der Muslime und JuMu bei diesem zentralen Projekt. Es ist wichtig, dass sich Menschen beider Religionen gemeinsam diesem Anliegen widmen. Antisemitismus hat in unserem Land keinen Platz. Wir stellen uns entschieden gegen jene, die Menschen aufgrund ihrer Religion diskriminieren. Auch bei Straftaten greift die Landesregierung konsequent durch.“2
Diese Mitteilung löste jedoch im Internet Unverständnis und Irritationen aus. Hintergrund der Proteste war, dass dem Zentralrat der Muslime (ZMD) seit Jahren vorgeworfen wird, sich zwar nach außen hin dialogbereit darzustellen, tatsächlich aber die Errichtung einer islamischen Gesellschaft in Deutschland zum Ziel zu haben.3 Als Reaktion auf die Proteste wurde die Pressemitteilung des Ministeriums abgeändert. In der zweiten Fassung war nicht mehr vom Zentralrat der Muslime die Rede, sondern nur noch von der JuMu gGmbH als alleiniger Empfängerin der Fördermittel. Auch das Zitat von Serap Güler wurde nachträglich geändert und lautete nunmehr: „Die Landesregierung unterstützt JuMu bei diesem zentralen Projekt. Es ist wichtig, dass sich Menschen beider Religionen gemeinsam diesem Anliegen widmen. Antisemitismus hat in unserem Land keinen Platz. Wir stellen uns entschieden gegen jene, die Menschen aufgrund ihrer Religion diskriminieren. Auch bei Straftaten greift die Landesregierung konsequent durch.“ Auf der Internet-Seite des MKFFI wurde diese Umformulierung mit einem „redaktionellen Fehler“ begründet.
Später nahm die Landesregierung in dieser Frage jedoch wieder eine andere Haltung ein. Am 18. September 2019 wurde im Plenum ein Antrag der Fraktion der AfD auf temporäre Einstellung der Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem ZMD erörtert.4 In dieser Debatte erklärte Landesinnenminister Herbert Reul als Vertreter der Landesregierung wörtlich:
„Die Zusammenarbeit mit den muslimischen Verbänden ist nicht nur integrationspolitisch notwendig, sie dient auch dem gemeinsamen Kampf gegen den Antisemitismus. Hier hat der ZMD sogar Initiativen entwickelt, die sich erfolgreich in jüdisch-muslimischer Trägerschaft für die Bekämpfung von Antisemitismus einsetzen. Beispielsweise gehört die Jüdische Gemeinde Mönchengladbach zu diesen Partnern.“5
Da JuMu auf seiner Internet-Präsenz die Jüdische Gemeinde Mönchengladbach als Partner angibt und es in Nordrhein-Westfalen derzeit keine anderen nennenswerten Projekte in jüdisch-muslimischer Trägerschaft gibt, die einen Bezug zum ZMD haben, kann der Minister bei seiner Umschreibung einer vom ZMD entwickelten Initiative damit nur JuMu gemeint haben.
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Wurden die im Juli 2018 angekündigten 30 Workshops alle durchgeführt? (Bitte mit konkreten Angaben, wann und an welchen Schulen oder in welchen anderen Einrichtungen diese Workshops durchgeführt wurden)
2. Woran macht die Landesregierung fest, dass sich diese Initiative erfolgreich für die Bekämpfung von Antisemitismus einsetzt?
3. Betrachtet die Landesregierung die JuMu Deutschland GmbH als Initiative des ZMD oder als Projekt ohne Bezüge zum ZMD?
4. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber oder Belege dafür, wie und wofür die vom Integrationsministerium bewilligten Fördermittel in Höhe von 160.000 Euro von der JuMu gGmbH ausgegeben wurden?
5. Ist es seitens der Landesregierung beabsichtigt, das Projekt JuMu wieder mit Fördermitteln zu unterstützen?
Gabriele Walger-Demolsky
1 Vgl. https://www.mkffi.nrw/pressemitteilung/landesregierung-unterstuetzt-jumu-im-kam pf-gegen-antisemitismus
2 Vgl. http://nrw-direkt.net/sollen-bezuege-zum-zmd-vertuscht-werden/
3 Vgl. http://www.efg-hohenstaufenstr.de/downloads/texte/selig_sind_die_belogenen.html
4 Vgl. Lt.-Drucksache 17/7359
5 Vgl. Lt.-Plenarprotokoll 17/65
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 24.03.2020
Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3422 mit Schreiben vom 24. März 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet.
1. Wurden die im Juli 2018 angekündigten 30 Workshops alle durchgeführt? (Bitte mit konkreten Angaben, wann und an welchen Schulen oder in welchen anderen Einrichtungen diese Workshops durchgeführt wurden)
Eine Übersicht über die im Projektzeitraum 2018 bis 2019 durchgeführten Workshops muss der Antragsteller im Rahmen des Verwendungsnachweises gemäß 6.1 der ANBest-P zu § 44 der LHO zum 1.7.2020 vorlegen.
Aus dem der Bewilligungsbehörde 2019 vorgelegten Zwischennachweis geht hervor, dass in 2018 – wie geplant – 14 Workshops durchgeführt wurden (siehe Liste in der Anlage).
2. Woran macht die Landesregierung fest, dass sich diese Initiative erfolgreich für die Bekämpfung von Antisemitismus einsetzt?
Das Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schülerinnen und Schüler gegen Antisemitismus“ ist eines der Projekte der JuMu Deutschland gGmbH im Themenbereich Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
Die Relevanz dieser gemeinsamen Initiative von Juden und Muslimen begründet sich in dem Ziel, den interreligiösen Dialog durch Information und Sensibilisierung zu fördern und damit dem Antisemitismus präventiv zu begegnen. Der Erfolg des Projektes lässt sich an der großen Nachfrage ablesen. So übertrafen die Anfragen von Schulen die Kapazitäten des Projektes um fast das Doppelte und die inhaltlichen Rückmeldungen aus den Klassen waren sehr positiv. Auch die Auszeichnung des Trägers durch den Bundespräsidenten am 03.09.2019 mit dem mit 20.000 Euro dotierten Förderpreis der Deutschen Nationalstiftung, zu dem die JuMu gGmbH unter anderem von der Union progressiver Juden eine Empfehlung erhalten hat, ist ein Indikator für den Erfolg des Projektes.
3. Betrachtet die Landesregierung die JuMu Deutschland GmbH als Initiative des ZMD oder als Projekt ohne Bezüge zum ZMD?
Initiatoren der JuMu Deutschland gGmbH (eine gGmbH verfolgt gemeinnützige Ziele), die verschiedene Projekte durchführt, sind neben dem Zentralrat der Muslime weitere muslimische und jüdische Akteure. Gesellschafter sind zwei jüdische und zwei muslimische Organisationen: Jüdische Gemeinde für den Landkreis Barnim, Freier Verband der Muslime, RE-START association for economical and social integration and prevention, Diamant Sozialer Integrationsverein für Zuwanderer.
4. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber oder Belege dafür, wie und wofür die vom Integrationsministerium bewilligten Fördermittel in Höhe von 160.000 Euro von der JuMu gGmbH ausgegeben wurden?
Im Rahmen der Antragstellung auf Einzelprojektförderung muss jeder Antragstellende einen Finanzierungsplan vorlegen. Die tatsächlichen Ausgaben und die Belege, wofür diese Mittel im Rahmen des Projektes „Vielfalt zum Anfassen: Schülerinnen und Schüler gegen Antisemitismus“ konkret verwendet wurden, müssen im Rahmen des Verwendungsnachweisverfahrens vorgelegt werden. Im Falle des Projektes der JuMu gGmbH muss dies gemäß 6.1 der ANBest-P zu § 44 der LHO zum 1.7.2020 (siehe auch Antwort zu Frage 1) erfolgen.
5. Ist es seitens der Landesregierung beabsichtigt, das Projekt JuMu wieder mit Fördermitteln zu unterstützen?
Das Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schülerinnen und Schüler gegen Antisemitismus“ der JuMu gGmbH wird im Rahmen einer Einzelprojektförderung auch 2020-2021 gefördert.
Kleine Anfrage 3422 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolski der AfD; Welche Erfahrungen hat die Landesregierung mit dem Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schüler*innen gegen Antisemitismus“ gemacht?; Landtagsdrucksache 17/8711
Anlage zur Frage 1.
Wurden die im Juli 2018 angekündigten 30 Workshops alle durchgeführt? (Bitte mit konkreten Angaben, wann und an welchen Schulen oder in welchen anderen Einrichtungen diese Workshops durchgeführt wurden)
Liste der durchgeführten Veranstaltungen 2018
Lfd. Nr. | Datum | Schule/Ort |
1. | 26.09.2018 | Richard Schirmann Realschule Lüdenscheid |
2. | 08.10.2018 | Europa Schule Dortmund |
3. | 09.10.2018 | Anne Frank Gesamtschule Viersen |
4. | 10.10.2018 | Johann Gutenberg Realschule Dortmund |
5. | 11.10.2018 | Johann Gutenberg Realschule Dortmund |
6. | 12.10.2018 | Friedrich Rückert Gymnasium Düsseldorf |
7. | 30.10.2018 | Gesamtschule Essen Nord |
8. | 31.10.2018 | Gymnasium Rheindahlen Mönchengladbach |
9. | 08.11.2018 | Max Planck Gymnasium Duisburg |
0. | 15.11.2018 | Gesamtschule Essen Nord |
1. | 28.11.2018 | Else Lasker Schüler Gesamtschule Wuppertal |
2. | 29.11.2018 | Gustav Heinemann Realschule Dinslaken |
3. | 14.12.2018 | Bertha von Suttner Gymnasium Oberhausen |
4. | 17.12.2018 | Thomaeum Gymnasium Kempen |