Welche Erfolge kann die Wegweiser-Anlaufstelle in Bochum vorweisen?

Kleine Anfrage
vom 28.06.2018

Kleine Anfrage 1215der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 14.06.2018

 

Welche Erfolge kann die Wegweiser-Anlaufstelle in Bochum vorweisen?

Die Antwort auf die kleine Anfrage „Kosten und Nutzen des Präventionsprogramms gegen gewaltbereiten Salafismus – Wegweiser“ (Drucksache 17/1454) hat ergeben, dass die Wegweiser-Anlaufstelle in Bochum im Jahre 2017 (Stand 01.12.2017) mit 164.399 Euro gefördert wurde. Der prozentuale Anteil der Personalkosten betrug zu diesem Zeitpunkt 61 %. Seit 2014 gab es insgesamt in NRW 4.600 Beratungen und 1.600 Sensibilisierungsmaßnahmen.

Die Anzahl der erfolgreichen Beratungsfälle konnte von der Landesregierung nicht genannt werden. Ziel ist es, die Erfolge des Programms genauer zu durchleuchten – am Beispiel der Wegweiser-Anlaufstelle in Bochum.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie ist die Personalentwicklung der Wegweiser-Anlaufstelle in Bochum?

2. Wie viele Beratungsanfragen hatte die Anlaufstelle in Bochum seit ihrer Eröffnung? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln)

3. Wie viele Beratungsgespräche pro Fall finden im Durchschnitt statt? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Beratung, z.B. Elternberatung, Betroffenenberatung usw.)

4. Welche Maßnahmen zur Deradikalisierung bzw. zur Prävention werden angeboten?

5. Wie viele junge Menschen konnten aufgrund der Beratung von der Zuwendung zum Salafismus bzw. einer anderen Radikalisierung abgehalten oder zu einer Abwendung bewegt werden?

Gabriele Walger-Demolsky

 

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Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 01.08.2018

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1215 mit Schreiben vom 1. August 2018 na­mens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Präventionsprogramm „Wegweiser – Gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“ ist im Jahr 2014 mit drei Modellvorhaben gestartet und wird sukzessive ausgebaut.

Zum Zwecke der Steuerung des Wegweiser-Programms durch das Ministerium des Innern sind die Träger vertraglich verpflichtet, jedes Quartal Kennzahlen zum Anfrageaufkommen und zur Auslastung der Anlaufstellen an das Ministerium des Innern zu übermitteln (Quartalszah­len).

Die Träger aller Anlaufstellen sind zudem vertraglich verpflichtet, fortlaufend anonymisierte detaillierte Zahlen für eine umfangreiche Datenanalyse im Rahmen einer künftigen, extern zu vergebenden Evaluation zu erheben und vorzuhalten. Die durch die Träger erhobenen Daten werden zur Wahrung der Vertraulichkeit der Beratungsarbeit ausschließlich an den Auftrag­nehmer der Evaluation übermittelt. Die Beauftragung der Evaluation wird derzeit vorbereitet.

Folglich liegen die in dieser Kleinen Anfrage abgefragten Daten der Landesregierung nicht vollumfänglich vor. Insofern verweist die Landesregierung auf die Evaluationsergebnisse, wel­che nach ihrer Fertigstellung kommuniziert werden.

1. Wie ist die Personalentwicklung der Wegweiser-Anlaufstelle in Bochum?

Derzeit steht allen Wegweiser-Anlaufstellen ein Personalkontingent von zwei Haushaltsstellen (Vollzeit) zur Verfügung. Die Stellen können mit zwei oder – je nach Teilzeit – mehreren Bera-terinnen/Beratern besetzt werden. Die jeweiligen Träger und das Ministerium des Innern als finanzierende und koordinierende Stelle verfolgen das Ziel diese Stellen schnellstmöglich und dauerhaft zu besetzen. Die tatsächliche Stellenbesetzung hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem der aktuellen Bewerbungslage.

Am Wegweiser-Standort Bochum sind die Stellen aktuell zu 100% besetzt.

2. Wie viele Beratungsanfragen hatte die Anlaufstelle in Bochum seit ihrer Eröffnung? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln)

Entsprechend des breiten Ansatzes von Wegweiser (siehe hierzu Beantwortung von Frage 4), ergeben sich Anfragen aus unterschiedlichen Situationen und vor verschiedensten Hintergrün­den. Dabei handelt es sich um Gespräche mit Personen aus dem sozialen Umfeld der/des Betroffenen und allgemeinen Anfragen (zum Beispiel zum Thema Islamismus oder Salafismus und seinen Erscheinungsformen, Vortragsanfragen, Anfragen zu Veranstaltungen oder Pres­seanfragen). Sie erreichen die Beraterinnen und Berater auf unterschiedlichen Kommunikati­onswegen.

Das gesamte Wegweiser-Programm verzeichnete nach den dem Ministerium des Innern über­mittelten Quartalszahlen (siehe hierzu die Ausführungen in der Vorbemerkung) seit seinem Start über 12.000 solcher Anfragen.

Am Standort Bochum waren es zum Ende des ersten Quartals 2018 über 3.300 Beratungsan­fragen seit dem Start der Anlaufstelle am 01.04.2014.

3. Wie viele Beratungsgespräche pro Fall finden im Durchschnitt statt? (Bitte auf­schlüsseln nach Art der Beratung, z.B. Elternberatung, Betroffenenberatung usw.)

4. Welche Maßnahmen zur Deradikalisierung bzw. zur Prävention werden angeboten?

Die Fragen 3 und 4 werden wegen des engen Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.

Das Wegweiser-Programm bietet niedrigschwellige und den örtlichen Gegebenheiten ange­passte Beratungs- und Unterstützungsangebote. Diese umfassen die individuelle Beratung von Betroffenen und all derjenigen, die mit potentiell Betroffenen in Schule, Ausbildung, Beruf oder Freizeit zu tun haben, allgemeine Informationsvermittlung an mittelbar Betroffene sowie allgemeine Sensibilisierungsarbeit.

Das Ziel der Beratung ist es, Handlungssicherheit und Sensibilität im Umgang mit dem The­menspektrum auf- und auszubauen sowie konkrete Unterstützung, Beratung und Hilfestellung zu bieten.

Wie in der Vorbemerkung dargelegt liegen der Landesregierung keine Daten zur Anzahl von Beratungsgesprächen pro Fall und Anlaufstelle vor.

Durchschnittswerte haben in der Präventionsarbeit keine Aussagekraft, da diese die Arbeit an den jeweiligen Standorten nicht adäquat abbilden. Jeder Radikalisierungsprozess und eine darauf bezogene Beratung ist ein Einzelfall. Jedwede Beratung stellt einen Prozess dar, des­sen Dauer und Intensität individuell auf die Bedürfnisse entweder des Anfragenden oder des/der Betroffenen, seine Kenntnislage, seine Lebenswelt, sein soziales Umfeld und die vor­gefundenen Problemlagen ausgerichtet ist. Folglich sind die erforderliche Anzahl an Bera­tungsgesprächen, der Teilnehmerkreis dieser Gespräche und der Aufwand für die jeweiligen Gespräche von Fall zu Fall sehr unterschiedlich.

Ein Durchschnittwert vernachlässigt auch die Mehrwerte einzelner Gespräche für die Teilneh­mer. So können Gespräche mit dem sozialen Umfeld am Anfang einer Beratung nicht nur Einschätzungshilfen im konkreten Fall bieten, sondern darüber hinaus bei Multiplikatoren für die Zukunft Handlungssicherheit im Umgang mit Jugendlichen in vergleichbaren Situationen schaffen. Daher lassen Durchschnittswerte also keine Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit der Beratung zu.

5. Wie viele junge Menschen konnten aufgrund der Beratung von der Zuwendung zum Salafismus bzw. einer anderen Radikalisierung abgehalten oder zu einer Abwen­dung bewegt werden?

Da Prävention immer darauf abzielt künftige unerwünschte Entwicklungen zu verhindern, ist diese prozessorientiert zu betrachten.

In einer wissensbasierten Präventionsarbeit mit Betroffenen ist es bereits ein großer und po­sitiver Schritt, Jugendliche bzw. ihr soziales Umfeld frühestmöglich bezogen auf ihre Bedarfs­situationen zu erreichen und einen Unterstützungsprozess zu initiieren. Nach den derzeitigen Erkenntnissen aus der Wegweiser-Arbeit gelingt dieser positive Schritt in einer überwiegenden Anzahl der Beratungsfälle (80 – 90%). In diesen Fällen wurde das für eine Beratung und Zu­sammenarbeit notwendige Vertrauen geschaffen. Dies ist dann die Basis, um sich Schritt für Schritt verschiedenen Situationen und Problemlagen zu nähern, Zielvereinbarungen mit der/dem Jugendlichen zu treffen und diese konsequent umzusetzen. Dabei werden alternative tragfähige Lebenspläne entwickelt und gegebenenfalls zuständige örtliche Netzwerkpartner verantwortlich mit eingebunden.

Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit der/dem Jugendlichen auf Langfristigkeit angelegt, um nachhaltig wirken zu können. Sie geht über die aktuelle Beratungs- und Lebensphase hin­aus. Selbst wenn etwa keine weiteren Gespräche mehr terminiert werden, weil durch die Be­ratung ein konkretes Problem gelöst wurde oder die/der Jugendliche ihre/seine Lebenspläne ändert, wird der Kontakt der Beraterinnen und Beratern zu der/dem Jugendlichen so gehalten, dass die aktive Arbeit bei Bedarf wieder aufgenommen werden kann.

 

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