Kleine Anfrage 3465der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 12.03.2020
Welche Informationen liegen der Landesregierung zum Islamischen Kulturverein (IKV) in Bochum vor?
Im März 2019 berichteten Medien darüber, dass die Khaled-Moschee des Islamischen Kulturvereins Bochum (IKV) durch den Landesverfassungsschutz beobachtet wird.1 Dabei bezogen sich die Medien auf einen schriftlichen Bericht des Landesinnenministers Herbert Reul (CDU) zu dem von der AfD-Fraktion beantragten Tagesordnungspunkt „Schulungen durch Muslimbrüder in Bochumer Moschee?“ in der Sitzung des Innenausschusses vom 14. März 2019.
In der Antwort des Landesinnenministers heißt es: „Der Islamische Kulturverein Bochum (IKV Bochum) sowie die durch diesen betriebene Khaled-Moschee sind der Verfassungsschutzbehörde Nordrhein-Westfalen bekannt. Personelle und strukturelle Verbindungen des Vereins in den Extremismus werden im Rahmen des gesetzlichen Auftrags des Verfassungsschutzes untersucht. So wird der Verein auch als Anlaufstelle für Personen mit Bezügen zu beobachteten islamistischen Bestrebungen bewertet. Hierzu gehören neben salafistischen Bestrebungen vor allem Aktivitäten aus dem Spektrum der Muslimbruderschaft, zum Beispiel durch Auftritte von Referenten aus deren Umfeld, welche bereits mehrfach in der Khaled-Moschee des IKV festgestellt wurden“2.
Die Medien nahmen ebenfalls Bezug auf eine Antwort des Landesinnenministers auf eine Kleine Anfrage, in der danach gefragt wurde, wie die Landesregierung eine weitere Ausbreitung der Muslimbruderschaft in Nordrhein-Westfalen verhindern wolle.3 In dieser Antwort war unter anderem die Rede davon, dass die Landesregierung „vor allem durch die Aufklärung der Öffentlichkeit und Politik über die Ziele der Muslimbruderschaft ihrer weiteren Etablierung in der Gesellschaft entgegen“ wirke.
„Die Muslimbruderschaft wird durch den Verfassungsschutz als extremistischer Personenzusammenschluss beobachtet. Durch die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht und durch weitere Aufklärungsangebote des Verfassungsschutzes werden staatliche Stellen und Zivilgesellschaft über die Muslimbruderschaft aufgeklärt, um deren Handlungsspielraum zu reduzieren“, hieß es in der Antwort weiter.4
Hintergrund der Nachfragen der AfD-Landtagsfraktion waren mehrfache Auftritte von Referenten, die dem Netzwerk der Muslimbruderschaft zugeordnet werden, in der Khaled-Moschee.5 Nachdem öffentlich bekannt wurde, dass der Landesverfassungsschutz davon Kenntnis hatte und diese Aktivitäten beobachtete, gab sich Ahmad A., Sprecher des IKV sowie Dialogbeauftragter des Zentralrats der Muslime (ZMD), gegenüber der studentischen Monatszeitung „akduell“ einsichtig: „Wenn diese Personen beim Verfassungsschutz so umstritten sind, dann laden wir sie einfach nicht mehr ein.“ Auch habe „Innenminister Reul seine ursprüngliche Position, die Moschee gelte als Anlaufstelle für Personen mit islamistischen Aktivitäten, rückwirkend deutlich abgeschwächt“, behauptete er. Wann und in welchem Zusammenhang Herbert Reul diese abschwächende Aussage jedoch getroffen haben soll, wurde von Ahmad A. nicht erklärt.6
Am 11. Juli 2019 stimmte der Bochumer Stadtrat über die „Errichtung einer temporären Gebetsstätte an der Castroper Straße“ ab. Der Berichterstattung der WAZ im Vorfeld konnte entnommen werden, dass es dabei um eine Vorfinanzierung gehen sollte, damit der Moschee-Betrieb des IKV in ein Gewerbegebiet an der Castroper Straße verlegt werden kann. „Die Stadt will die Erschließung vorfinanzieren, ein Viertel der etwa 650.000 Euro über eine monatliche Zahlung umlegen und die restliche Summe schließlich in den Kaufpreis einrechnen“, berichtete die WAZ am 27. Juni 2019.7
Nach den Schlagzeilen um die Verfassungsschutz-Beobachtung des IKV wurde dieser Tagesordnungspunkt jedoch in den nicht-öffentlichen Teil der Ratssitzung verlegt.8 Nach der Ratssitzung wurde auf Nachfrage der Islamismus-Expertin Sigrid H.-M. lediglich mitgeteilt, dass der Tagesordnungspunkt mehrheitlich angenommen wurde.9 Irgendeine Form medialer Berichterstattung gab es zu diesem Komplex jedoch nicht. Damit ist der Eindruck entstanden, dass der Bochumer Stadtrat den IKV trotz dessen Einordnung durch den Landesverfassungsschutz auch weiterhin unterstützt, diese Unterstützung oder Zusammenarbeit aber nicht mehr öffentlich wahrgenommen werden soll.
Neue Recherchen von Sigrid H.-M. brachten nunmehr hervor, dass die Bezüge des IKV zum Spektrum der Muslimbruderschaft offenbar nicht nur auf externe Referenten beschränkt sind. So soll der Gemeinde-Imam Hedi B. bereits im Jahre 2011 in einer Ausarbeitung zur Muslimbruderschaft deren Gründer Hasan Al-Banna (den Gründer der Terror-Organisation Hamas), Ahmad Yasin, sowie Izz al-Qassam (den Namensgeber der Qassam-Brigaden) laut der Google-Übersetzung als „Märtyrer“ bezeichnet haben. Diese Ausarbeitung soll Hedi. B. im Mai 2019 wieder auf seiner Internet-Seite eingestellt haben.
Außerdem soll er zu den Gründern der „Europäischen Versammlung der Imame und Prediger in Brüssel“ gehören. Unter den Gründern dieser Versammlung sind viele langjährig bekannte Personen, die Organisationen und Gremien aus dem Netzwerk der Muslimbruderschaft angehören. Hinzu kommt, dass Hedi B. seit dem Jahre 2019 zusammen mit anderen einschlägig bekannten Personen aus diesem Spektrum auf der Internet-Plattform „The Statement“ Aussagen im Sinne der Muslimbruderschaft veröffentliche. Entsprechende Belege für diese Darstellungen veröffentlichte Sigrid H.-M. am 16. Februar 2020 auf ihrer Internet-Seite.10
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Bochumer Stadtrat den IKV trotz dessen Einordnung durch den Landesverfassungsschutz weiterhin unterstützt, dieses aber nicht öffentlich bekannt oder erörtert werden soll?
2. Wie bewertet die Landesregierung, vor dem Hintergrund ihrer eigenen Absichten, durch die Aufklärung von Öffentlichkeit und Politik über die Ziele der Muslimbruderschaft deren weiterer Etablierung in der Gesellschaft entgegenzuwirken, dass der Bochumer Stadtrat den IKV trotz dessen Einordnung durch den Landesverfassungsschutz weiterhin unterstützt,?
3. In welcher Form hat die Landesregierung im Vorfeld der Bochumer Ratssitzung vom 11. Juli 2019 im Rahmen ihrer Strategie, durch die Aufklärung der Öffentlichkeit und der Politik über die Ziele der Muslimbruderschaft deren weiterer Etablierung in der Gesellschaft entgegenzuwirken, Versuche unternommen, Bochumer Ratsmitglieder auf entsprechende Bezüge des IKV zur Muslimbruderschaft hinzuweisen?
4. Entspricht die Darstellung von IKV-Sprecher Ahmad A., Landesinnenminister Herbert Reul habe „seine ursprüngliche Position, die Moschee gelte als Anlaufstelle für Personen mit islamistischen Aktivitäten, rückwirkend deutlich abgeschwächt“, der Wahrheit?
5. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Aktivitäten und Veröffentlichungen des Gemeinde-Imams Hedi B.?
Gabriele Walger-Demolsky
2 Vgl.. Lt.-Vorlage 17/1816
3 Vgl. .Lt.- Drucksache 17/5181
4 Vgl. Drucksache 17/5453
5 Vgl. http://nrw-direkt.net/schulung-fuer-jugendliche-durch-muslimbrueder/
6 Vgl. https://www.akduell.de/home/studium-freizeit/moschee-unter-beobachtung
7 Vgl. https://www.waz.de/staedte/bochum/moschee-bau-kritiker-beklagt-ungleichbehandlung-id226301139.html
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 14.04.2020
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3465 mit Schreiben vom 14. April 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet.
1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Bochumer Stadtrat den IKV trotz dessen Einordnung durch den Landesverfassungsschutz weiterhin unterstützt, dieses aber nicht öffentlich bekannt oder erörtert werden soll?
2. Wie bewertet die Landesregierung, vor dem Hintergrund ihrer eigenen Absichten, durch die Aufklärung von Öffentlichkeit und Politik über die Ziele der Muslimbruderschaft deren weiterer Etablierung in der Gesellschaft entgegenzuwirken, dass der Bochumer Stadtrat den IKV trotz dessen Einordnung durch den Landesverfassungsschutz weiterhin unterstützt?
Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Landesregierung bewertet Entscheidungen des Rates der Stadt Bochum nicht.
3. In welcher Form hat die Landesregierung im Vorfeld der Bochumer Ratssitzung vom 11. Juli 2019 im Rahmen ihrer Strategie, durch die Aufklärung der Öffentlichkeit und der Politik über die Ziele der Muslimbruderschaft deren weiterer Etablierung in der Gesellschaft entgegenzuwirken, Versuche unternommen, Bochumer Ratsmitglieder auf entsprechende Bezüge des IKV zur Muslimbruderschaft hinzuweisen?
Die Unterrichtung über die Aktivitäten und Ziele der Muslimbruderschaft erfolgte im Rahmen der üblichen Berichtswege. Hierzu zählen zum Beispiel der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die Information in den zuständigen Gremien wie etwa in der Sitzung des Innenausschusses vom 14.03.2019.
4. Entspricht die Darstellung von IKV-Sprecher Ahmad A., Landesinnenminister Herbert Reul habe „seine ursprüngliche Position, die Moschee gelte als Anlaufstelle für Personen mit islamistischen Aktivitäten, rückwirkend deutlich abgeschwächt“, der Wahrheit?
Ich habe mich nicht in dieser Weise geäußert.
5. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Aktivitäten und Veröffentlichungen des Gemeinde-Imams Hedi B.?
Die Landesregierung erteilt grundsätzlich keine Auskunft über Einzelpersonen.