Wenn Mädchen Mädchen verprügeln – Werden heranwachsende Frauen immer brutaler?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1290

des Abgeordneten Markus Wagner vom 09.02.2023

Wenn Mädchen Mädchen verprügeln Werden heranwachsende Frauen immer brutaler?

Das aufgenommene Handyvideo vom 15. Januar 2023 wirkt verstörend und lässt gleichzeitig erahnen, mit welcher Wucht und enthemmter Aggression zwei Mädchen auf ein anderes einprügeln, gegen den Körper, gegen den Kopf treten. Ihr Opfer ist gerade mal 14 Jahre alt und liegt auf einem Bahnsteig im Bahnhof Rastatt in Baden-Württemberg. Die zwei mutmaßlichen Täterinnen sind beide 13 Jahre alt. Ein Zuschauer filmt diesen Gewaltexzess, während noch weitere Stimmen im Hintergrund zu hören sind, aber niemand hilft und greift ein.1

Bereits am Samstag, einen Tag zuvor, waren das Opfer und die zwei Täterinnen in einer Schlägerei involviert, in deren Zusammenhang gegen die 14-Jährige wegen Körperverletzung ermittelt wird. Darüber hinaus ist bekannt geworden, dass bereits im Oktober und November 2022 ähnliche Gewaltvideos aus Karlsruhe verbreitet wurden, in denen das 14-jährige Mädchen ebenfalls Opfer war.2

Nach Meinung eines Berliner Gewaltpräventionstrainers handelt es sich bei diesen Gewalttaten um keine Einzelfälle mehr. Er sehe „das tagtäglich. Es wird schlimmer und es werden immer mehr Mädchen“.3 Auch die Ursachen für diese Entwicklung seien ihm bekannt und er sieht sie hauptsächlich in den Elternhäusern und Schulen. Er weist darauf hin, dass den Kindern „keine Werte wie Respekt und Toleranz vermittelt“ werden. Außerdem „kommen falsche Vorbilder aus Internet, Fernsehen und Videospielen“ hinzu. „Influencerinnen werden in sozialen Medien wie Instagram zu Stars. Alles wird mit dem Handy gefilmt und in sozialen Netzwerken gepostet.“4 Weiter führt der Experte aus, dass junge Mädchen sehen, wie Rapperinnen „bei Youtube mit Songs über Gewalt und Straftaten berühmt“ werden, was in vielen Fällen zu einem Nachahmungseffekt führe.5

Obwohl die Anzahl minderjähriger und jugendlicher Straftäter nach Angaben des Bundeskriminalamts in den letzten fünf Jahren um 3,9 Prozent gesunken sei, stieg sie bei Kindern bis 14 Jahre um 9,7 Prozent. Dass die Zahlen insgesamt sinken respektive gesunken seien, habe nach Ansicht des Experten einen einfachen Grund: Es werden weniger Anzeigen erstattet. Die deutsche Justiz sei „viel zu lasch“ und „wenn überhaupt“, würden „nur geringe Strafen verhängt. Das ist ein fatales Signal an Opfer und Täter“.6

Aber auch Mitglieder der Justiz, wie bspw. Ein Richter am Schöffengericht Dinslaken, mahnen: „Die Gewaltbereitschaft Jugendlicher hat nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren deutlich zugenommen – auch unter Mädchen.“7

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie hat sich die Anzahl der Straftaten durch Strafunmündige, also Personen unter 14 Jahren seit 2015 in NRW entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Delikten.)
  2. Wie hat sich insbesondere die Anzahl von Straftaten von Mädchen seit 2015 entwickelt? (Bitte unterteilen in strafunmündig, jugendlich und heranwachsend und in einen prozentualen Anteil zur jeweiligen Gesamtkohorte pro Jahr stellen.)
  3. Bitte für die unter Frage 2 genannten Straftäterinnen ausweisen, welcher Staatsangehörigkeit sie angehören (Dabei bitte die Doppelstaatler extra ausweisen).
  4. Bitte für die unter Frage 2 genannten Straftäterinnen die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen extra ausweisen.
  5. Haben aus Sicht der Landesregierung Veröffentlichungen strafrechtlich relevante Tatvorgänge in den sozialen Medien zugenommen? (Wenn keine validen Daten vorliegen, gibt es eine Tendenz?)

Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. htt p s: / /www. B i l d .de/bild-plus/r e g i o n a l/stuttgart/stuttgar -a k t u e l l /gewaltausbruch-auf-bahnsteig-bru t a l o-gang-verpruegelte-opfer-1 4-schon-mehrfach-8 25 9 3 116 .bild.h t m l.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.

5 Ebenda.

6 Ebenda.

7 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1290 mit Schreiben vom 10. März 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Als Datenbasis für die Beantwortung dient die Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfa­len. Sie wird nach bundeseinheitlich jährlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeit­lichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung.

  1. Wie hat sich die Anzahl der Straftaten durch Strafunmündige, also Personen unter 14 Jahren seit 2015 in NRW entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Ge­schlecht, Staatsangehörigkeit und Delikten.)

Die Anzahl der erfassten Tatverdächtigen unter 14 Jahren sowie die Anzahl der zu dieser Gruppe erfassten Straftaten entwickelte sich in NRW seit 2015 wie folgt:

Jahr Tatverdächtige Anzahl der Straftaten
2022 20 948 21 970
2021 14 851 15 105
2020 13 437 13 846
2019 16 673 17 536
2018 15 356 19 623
2017 16 869 17 723
2016 14 916 15 936
2015 13 889 14 417

 

  1. Wie hat sich insbesondere die Anzahl von Straftaten von Mädchen seit 2015 ent­wickelt? (Bitte unterteilen in strafunmündig, jugendlich und heranwachsend und

in einen prozentualen Anteil zur jeweiligen Gesamtkohorte pro Jahr stellen.)

Die Anzahl der erfassten weiblichen Tatverdächtigen unter 14 Jahren sowie die Anzahl der zu dieser Gruppe erfassten Straftaten entwickelte sich in NRW seit 2015 wie folgt:

Jahr Tatverdächtige Anzahl der Straftaten
2022 6 810 7 299
2021 4 795 5 199
2020 4 019 4 259
2019 5 254 5 747
2018 4 972 6 108
2017 4 933 5 356
2016 4 636 5 072
2015 4 272 4 595

 

  1. Bitte für die unter Frage 2 genannten Straftäterinnen ausweisen, welcher Staats­angehörigkeit sie angehören (Dabei bitte die Doppelstaatler extra ausweisen).

Die Staatsangehörigkeiten der erfassten weiblichen Tatverdächtigen unter 14 Jahren bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen.

  1. Bitte für die unter Frage 2 genannten Straftäterinnen die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen extra ausweisen.

Da die Nennung mehrerer Vornamen zu einer Person im Einzelfall die Möglichkeit einer Iden­tifikation eröffnet, wird bei der Beantwortung lediglich der jeweils erste Vorname der Tatver­dächtigen angegeben.

Die erfassten ersten Vornamen der weiblichen Tatverdächtigen unter 14 Jahren bitte ich der Anlage 2 zu entnehmen.

  1. Haben aus Sicht der Landesregierung Veröffentlichungen strafrechtlich relevante Tatvorgänge in den sozialen Medien zugenommen? (Wenn keine validen Daten vorliegen, gibt es eine Tendenz?)

Eine vermehrte Kommunikation über soziale Medien führt erwartungsgemäß auch zu einer Zunahme strafrechtlich relevanter Inhalte. Valide Daten oder anderweitige Erkenntnisse liegen der Landesregierung nicht vor.

 

Antwort samt Anlage als PDF

Beteiligte:
Markus Wagner