Werden auch in NRW Verkehrsschilder demontiert?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1102
der Abgeordneten Klaus Esser und Markus Wagner vom 20.01.2023

Werden auch in NRW Verkehrsschilder demontiert?

Mitglieder der linksextremen Gruppe „Extinction Rebellion“ haben im Großraum Berlin zum Jahreswechsel mindestens 15 Verkehrsschilder abmontiert und entwendet. Dabei soll es sich um Verkehrsschilder handeln, die ein Tempolimit aufheben. Die radikale Organisation hat sich inzwischen zu den Taten bekannt. „Extinction Rebellion“ will damit nach eigenen Angaben ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen durchsetzen.1 Aktionen radikaler Klimaschützer, wie „Extinction Rebellion“ oder „Letzte Generation“, finden erfahrungsgemäß immer Nachahmung im gesamten Bundesgebiet – so auch in Nordrhein-Westfalen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele entwendete Verkehrsschilder wurden in den letzten fünf Jahren registriert? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kreis, Art des Schildes)
  2. Sind Fälle eigenmächtiger Demontage von Verkehrsschildern in NRW in Verbindung mit Klimaaktivisten aktenkundig geworden?
  3. Sind Fälle eigenmächtiger Montage von Verkehrsschildern in NRW – insbesondere von Tempobeschränkungsschildern – in den letzten fünf Jahren registriert geworden? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kreis, Art des Schildes)
  4. Wie beabsichtigt die Landesregierung die Entfernung bzw. Platzierung von Verkehrsschildern durch Klimaaktivisten zu unterbinden?
  5. Wie bewertet die Landesregierung die Handlungen der Gruppierungen „Extinction Rebellion“ bzw. „Letzte Generation“ in Bezug auf Störaktionen im Straßen- und Bahnverkehr in NRW?

Klaus Esser
Markus Wagner

 

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1 H t t p s : // j u n g e f r e ich e i t.de/kultur/gesellschaft/2023/klima-verkehrsschilder/


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1102 mit Schreiben vom TTMonatJJJJ na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Als Datenbasis für die Beantwortung dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sowie der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK).

Die PKS wird nach bundeseinheitlich festgelegten Regeln erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und statistischer Erfassung. Es ist ferner darauf hinzu­weisen, dass in der PKS weder Staatsschutzdelikte noch Verkehrsdelikte oder Ordnungswid­rigkeiten erfasst werden.

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politi­scher Entscheidungen richten.
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesens­merkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Ver­fassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  • gegen eine Person wegen der ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder ihres Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Haut­farbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/o-der psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden.

Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorge­nannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.

Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der KPMD-PMK.

Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt ist für das Jahr 2022 noch nicht abge­schlossen. Die in diesem Bericht angegebenen Fallzahlen sind mit Stand vom 30. Januar 2023 insofern als vorläufig zu betrachten.

  1. Wie viele entwendete Verkehrsschilder wurden in den letzten fünf Jahren registriert? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kreis, Art des Schildes)

In der PKS erfolgt die Erfassung zu „angegriffenem und erlangtem Gut“ überwiegend im Kon­text zu Eigentumsdelikten über spezielle Straftatenschlüssel. Die Entwendung von Verkehrs­schildern würde demzufolge in der PKS unter dem allgemein formulierten Straftatenschlüssel „einfacher Diebstahl“ erfasst werden.

Der KPMD-PMK lässt ebenfalls keine statistische Auswertung im Sinne der Anfrage zu. Das Definitionssystem PMK enthält keine Erfassungskriterien, anhand derer eine automatisierte Auswertung in Bezug auf Verkehrsschilder möglich wäre.

Eine nähere Aussage zum erlangten Gut kann anhand der PKS sowie anhand des KPMD-PMK insofern nicht getroffen werden.

  1. Sind Fälle eigenmächtiger Demontage von Verkehrsschildern in NRW in Verbindung mit Klimaaktivisten aktenkundig geworden?
  2. Sind Fälle eigenmächtiger Montage von Verkehrsschildern in NRW – ins­besondere von Tempobeschränkungsschildern – in den letzten fünf Jah­ren registriert geworden? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kreis, Art des Schildes)

Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.

Angaben zur Tatmotivation sind in der PKS nicht enthalten. Im KPMD-PMK wurden in den Jahren 2017 bis 2022 insgesamt deutlich über 1800 politisch motivierte Straftaten in Verbin­dung mit dem Themenfeld „Klima“ erfasst. Eine engere Eingrenzung der Fallzahlen ist auf­grund fehlender Auswertekriterien nicht möglich, sodass eine händische Auswertung von über 1800 Straftaten erforderlich wäre. Dies ist in der zur Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten.

  1. Wie beabsichtigt die Landesregierung die Entfernung bzw. Platzierung von Ver­kehrsschildern durch Klimaaktivisten zu unterbinden?

Im Zusammenhang mit dem Aufruf der Gruppierung „Extinction Rebellion“ in den sozialen Me­dien, Verkehrszeichen 282 (Ende sämtlicher streckenbezogener Geschwindigkeitsbeschrän­kungen und Überholverbote) auf Bundesautobahnen zu entfernen oder unkenntlich zu ma­chen, erfolgte am 05.01.2023 eine Sensibilisierung der Kriminalinspektionen Staatsschutz in Nordrhein-Westfalen. Grundsätzlich werden durch die zuständigen Behörden sämtliche gefah­renabwehrende Maßnahmen geprüft und ausgeschöpft, die geeignet sind, gleichgelagerte Ak­tionen abzuwenden.

Eine Sicherung gegen die Entfernung bzw. Platzierung von Verkehrsschildern durch die Stra­ßenbaulastträger ist mit verhältnismäßigem Aufwand nicht möglich. Bei den durch die Stra­ßenbaulastträger regelmäßig durchgeführten Streckenkontrollen würden entfernte bzw. plat­zierte Verkehrsschilder auffallen.

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Handlungen der Gruppierungen „Extinction Rebellion“ bzw. „Letzte Generation“ in Bezug auf Störaktionen im Straßen- und Bahnverkehr in NRW?

Bei den Gruppierungen lässt sich feststellen, dass die Wahl von besonderen Aktionsorten und -formen eine hohe Öffentlichkeitswirksamkeit durch starkes Medieninteresse generiert. Die große Reichweite der Gruppierungen in den Sozialen Medien zeigt sich in den zahlreichen Reaktionen auf die umfangreichen Selbstdarstellungen und Mobilisierungsbemühungen. Bislang lag der Schwerpunkt des Protests der genannten Gruppierungen außerhalb von Nord­rhein-Westfalen, insbesondere in Berlin. Im Zuge der Räumung der Ortslage Lützerath und der hiermit einhergehenden Emotionalisierung der Klimaproteste kam es jedoch auch in Nord­rhein-Westfalen wiederholt zu Aktionen von „Extinction Rebellion“ und „Letzte Generation“. Nach derzeitiger Bewertung der Landesregierung sind Aktionen in Nordrhein-Westfalen auch künftig nicht auszuschließen.

Die von den genannten Gruppierungen unter der Bezeichnung „Ziviler Ungehorsam“ durchge­führten Protestaktionen, hierunter Blockaden und Besetzungen, werden bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat konsequent durch die Strafverfolgungsbehörden verfolgt.

 

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