Werden Polizei-Überstunden auch weiterhin ausgezahlt?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 686
des Abgeordneten Markus Wagner vom 03.11.2022

Werden Polizei-Überstunden auch weiterhin ausgezahlt?

„Aus Fürsorgegesichtspunkten sieht das Gesetz aber vorrangig die Dienstbefreiung als Ausgleich der Mehrarbeit vor der Vergütung vor.“1

So äußerte sich Brigitte Mandt, Präsidentin des Landesrechnungshofs, als sie den Umgang mit erbrachten Überstunden bei der Polizei kritisierte. Denn regelmäßig würden diese nicht durch Freizeit, sondern durch Ausbezahlung abgeglichen. Des Weiteren gab sie zu bedenken, dass das Innenministerium „Fehlanreize“ gesetzt habe, als es durch mehrere Erlasse „ausdrücklich dazu aufforderte, die finanzielle Vergütung als Ausgleich für Mehrarbeit in Betracht“ zu ziehen.2 Zwischen 2012 bis 2020 nahm das Land Nordrhein-Westfalen rund 90 Millionen Euro in die Hand, um eine erbrachte Mehrarbeit auszuzahlen. Innenminister Herbert Reul nahm diese Kritik zum Anlass, um darauf hinzuweisen, dass es geplant sei, durch einen „Sensibilisierungserlass“ darauf hinzuwirken, dass Mehrarbeit durch Freizeitausgleich abgegolten werden solle.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Plant die Landesregierung neben dem „Sensibilisierungserlass“ noch weitere Maßnahmen, um auf die Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen einzuwirken, die geleistete Mehrarbeit durch Freizeitausgleich abzugelten?
  2. Wie hoch ist der finanzielle Aufwand, um die geleistete Mehrarbeit der nordrhein-westfälischen Polizeibeamten für die Jahre 2020, 2021 und voraussichtlich 2022 auszubezahlen? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  3. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, den Polizeibeamten des Landes Nordrhein-Westfalen grundsätzlich und in vollem Umfang die Entscheidung darüber einzuräumen, in welcher Form die geleistete Mehrarbeit abgegolten werden soll?
  4. Was für ein Stellenäquivalent stellen die geleisteten Überstunden dar? (Bitte für die Jahre 2017 bis heute aufschlüsseln.)

Markus Wagner

 

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1 Vgl. htt ps: / / www . k s t a .de/politik/ landesrechnungshof -kritisiert-reul- polizei -ueberstunden-sollen- nicht -ausgezahlt-werden- 3 9 9 2 2 8 9 2.

2 Ebd.

3 Ebd.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 686 mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet.

  1. Plant die Landesregierung neben dem „Sensibilisierungserlass“ noch weitere Maßnahmen, um auf die Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen einzuwirken, die geleistete Mehrarbeit durch Freizeitausgleich abzugelten?

Die Landesregierung hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket entwickelt, um zukünftige Fehl­anreize im Bereich „Abbau von Mehrarbeit“ zu vermeiden und eine landesweit einheitliche Vorgehensweise dabei sicherzustellen.

Mit dem Sensibilisierungserlass wird nicht nur die jeweilige Direktion „Zentrale Aufgaben“ aller Polizeibehörden für das Thema Mehrarbeit sensibilisiert, sondern auch jede Polizeivollzugs­beamtin und jeder Polizeivollzugsbeamte (PVB) sowie deren Vorgesetzte, die für die Anord­nung oder Genehmigung der Mehrarbeit zuständig sind. Der Erlass soll in der im Intranet der Polizei (IntraPol) geführten Erlassdatenbank für jeden Angehörigen der Polizei zugänglich und leicht einsehbar sein. Außerdem wird die Veröffentlichung durch einen Artikel im IntraPol be­gleitet.

Seitens des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Poli­zei Nordrhein-Westfalen befindet sich ein Konzept für die Durchführung einer Online-Schulung zu Anordnung und Auszahlung von Mehrarbeit ebenso in der Vorbereitung wie eine Verfügung zur Anordnung und Auszahlung von Mehrarbeit inklusive der Konzeption eines Musterformu­lars unter Einbindung Vordruckkommission.

Durch die Einführung von Langzeitarbeitskonten bei der Polizei des Landes Nordrhein-West­falen steht den PVB nun ein weiteres Mittel zur Verfügung, um ihre Mehrarbeitsstunden vor dem Verfall zu schützen und diese zu einem späteren Zeitpunkt ausschließlich durch Freizeit auszugleichen.

  1. Wie hoch ist der finanzielle Aufwand, um die geleistete Mehrarbeit der nordrhein-westfälischen Polizeibeamten für die Jahre 2020, 2021 und voraussichtlich 2022 auszubezahlen? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)

Hierfür liegen keine Daten vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Auszahlungsbetrag von Mehrarbeitsstunden je nach Besoldungsgruppe der jeweiligen PVB variiert. Auch ist nicht prognostizierbar, wann sich PVB dazu entschließen, ihre in den Jahren 2020 bis 2022 ange­fallene Mehrarbeit auszahlen zu lassen.

Bei der jährlichen Abfrage zur Erstellung des Mehrarbeitsberichtes wird lediglich die Anzahl der angefallenen Mehrarbeitsstunden pro Jahr festgehalten. Nicht Teil der Abfrage ist, in wel­chem Statusamt die Mehrarbeit jeweils geleistet wurde.

Die Landesregierung ist aktuell bestrebt, die Auswertungsmöglichkeiten im Bereich der Mehr­arbeit durch ein IT-Tool zu vereinfachen und zu erweitern.

  1. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, den Polizeibeamten des Lan­des Nordrhein-Westfalen grundsätzlich und in vollem Umfang die Entscheidung darüber einzuräumen, in welcher Form die geleistete Mehrarbeit abgegolten wer­den soll?

Den PVB grundsätzlich und in vollem Umfang die Entscheidung darüber einzuräumen, in wel­cher Form die geleistete Mehrarbeit abgegolten werden soll, ist mit der aktuellen Rechtslage nicht vereinbar.

Die Form der Abgeltung (Freizeitausgleich oder Auszahlung) von geleisteter Mehrarbeitsstun­den ist durch die Vorgaben des § 61 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) determiniert. Zunächst ist der Beamtin oder dem Beamten innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit Dienstbefreiung zu gewähren. Sollte dies aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich sein, so können anstelle des Frei­zeitausgleichs maximal 480 Stunden pro Jahr durch eine Mehrarbeitsvergütung abgegolten werden. Vorrangig sollen Mehrarbeitsstunden auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 61 LBG NRW in Freizeit ausgeglichen werden.

Aus Fürsorgegesichtspunkten befürwortet die Landesregierung den gesetzlich vorgesehenen bevorzugten Ausgleich der Mehrarbeitsstunden durch Freizeit.

Bereits mit Erlass vom 19. März 2010 hat die Landesregierung die Polizeibehörden darauf hingewiesen, dass „angefallene Mehrarbeitsstunden zeitnah durch (notfalls angeordnete) Dienstbefreiung wieder auszugleichen [sind]. Der Gesundheitsschutz ist dabei nicht in das Belieben aller Beteiligten gestellt und gerade wegen der bekannten psychischen und physi­schen Belastung vor allem der PVB zu berücksichtigen. Es ist Führungsaufgabe der Vorge­setzten auf einen Abbau durch Freizeit hinzuwirken. Eine finanzielle Vergütung stellt immer nur die letzte Möglichkeit der Abgeltung dar.“

  1. Was für ein Stellenäquivalent stellen die geleisteten Überstunden dar? (Bitte für die Jahre 2017 bis heute aufschlüsseln.)

Es wird davon ausgegangen, dass „geleistete Überstunden“ als „geleistete Mehrarbeit“ zu ver­stehen sind. Eine Aufschlüsselung für die sog. „sonstigen Stunden“ wird daher nicht vorge­nommen.

Jahr angefallene Mehrarbeit im Berichtsjahr Stellenäquivalent (gerundet)
2017 1.288.595 604,41
2018 770.445 361,37
2019 698.163 327,47
2020 724.911 340,01
2021 635.991 298,31
2022 Auswertung erfolgt erst im Jahr 2023  

 

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Beteiligte:
Markus Wagner