Wertschätzung statt Belastung: den heimischen Bauernstand stärken – anstatt ihn weiter zu benachteiligen!

Antrag
vom 16.01.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Wertschätzung statt Belastung: den heimischen Bauernstand stärken anstatt ihn wei­ter zu benachteiligen!

I. Ausgangslage

Im Rahmen der Haushaltsberatungen des Bundes im Dezember 2023 plante die Bundesre­gierung, den Agraretat um etwa 900 Millionen Euro zu kürzen. In diesem Kontext setzte sich zunächst der Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf ganzer Linie durch, wonach Vergünstigungen für fossile Energieträger entfallen sollten. Konkret betraf dies die Kfz-Steu­erbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge und die Rückerstattung von Agrardiesel.1 Ange­sichts einer Nettowertschöpfung von etwa 16 Mrd. Euro in der Landwirtschaft im Jahre 2021 bedeutet eine Kürzung von rund 1 Mrd. Euro einen empfindlichen Eingriff in das bestehende Wirtschaftsgefüge der Bauern.2 Dies geschieht vor dem Hintergrund verschärfter bürokrati­scher Standards, die bereits seit Jahren eine zunehmende Belastung darstellen und die be­triebswirtschaftliche Planungssicherheit beeinträchtigen. Deutsche Bauern sehen sich dadurch im internationalen Wettbewerb immer weniger konkurrenzfähig und zunehmend be­nachteiligt. Es wundert daher nicht, dass in den 16 Jahren CDU-geführter Bundesregierungen unter Bundeskanzlerin Merkel von 2005 bis 2021 rund 140.000 Bauern ihren Betrieb aufgege­ben oder keinen Hofnachfolger gefunden haben. Unter der Ampel-Regierung sinkt die Anzahl bäuerlicher Betriebe weiter.3

Seit den ersten Bauernprotesten Mitte Dezember, bei denen sogar der sonst eher zurückhal­tende Deutsche Bauernverband (DBV) eine klare Position bezog („Wir nehmen das nicht hin!“4 – außer es erfolgt eine ersatzlose Streichung beider Maßnahmen), hat die Ampel-Regierung reagiert. Sie ist bereit, zumindest die Kfz-Steuerbefreiung für Bauern unangetastet zu lassen. Bei der Agrardieselrückvergütung bleibt die Bundesregierung bislang unnachgiebig. Kanzler Olaf Scholz (SPD) betonte zum Auftakt der Protestwoche am 8. Januar 2024: „Niemand sollte sich Illusionen machen.“5 Die Regierung sei den Bauern schon weit genug entgegengekommen. Man sei lediglich bereit, die Agrardieselrückerstattung langsamer als ge­plant auslaufen zu lassen, nämlich erst 2026. Demnach würden die Bauern 2024 den Rabatt zu 40 Prozent verlieren, 2025 zu 70 Prozent und ab 2026 zu 100 Prozent, also komplett.6

Medien und etablierte Politik versuchten von Anfang an die legitimen Bauernproteste zu dis­kreditieren. Von Unverhältnismäßigkeit über die Unterstellung von „Umsturzfantasien“ durch Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir7 und Vizekanzler Habeck8 oder „Landfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung“ durch Bundesfinanzminister Lindner bis zur Diffamierung pro­testierender Bauern als „Mob“9 werden die üblichen Muster der Diskreditierung legitimen Pro­testes angewandt.

Nichtsdestotrotz fällt in der Bevölkerung die Zustimmung zu den Bauernprotesten mit annä­hernd 70 Prozent ungewöhnlich hoch aus, während sie gleichzeitig die Klimaproteste der Letz­ten Generation mit etwa 80 Prozent ablehnt.

Dabei gestaltet sich das Wahrnehmungsbild in den etablierten Medien andersherum. Allen voran der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk tut sich durch eine voreingenommene Haltung her­vor: SWR-Digitalredakteur Jakob Andrey versteigt sich zu dem Ausdruck „Traktor-RAF“.10 Sein SWR-Kollege Werner Eckert spricht in einem ARD-Kommentar davon, dass die Bauern neben „Wut“ und „Hass“ auch „allgemeine Staatsfeindlichkeit vor sich hertragen“ würden, ohne dies zu belegen.11 In den ARD-Tagesthemen wird die als „Extremismus Forscherin“ betitelte Jour­nalistin Andrea Röpke interviewt. Sie vermutet hinter den Bauernprotesten gegen Robert Ha-beck am Fähranleger in Schlittele eine „prorussische“ Gruppe, die „versucht, Stimmung gegen die Demokratie zu führen“.12 Belege dafür konnten nicht erbracht werden. Auch Moderatoren-Nachfragen blieben aus. Der langjährige ARD-Chefredakteur Rainald Becker äußerte sich in einem inzwischen wieder gelöschten Tweed dazu folgendermaßen: „Traktorfahren macht of­fenbar dumm.“13 Sein freischaffender Kollege Stephan Anpalgan sieht sogar einen „rechtsra­dikalen gewaltbereiten Pöbel unter dem Deckmantel der Bauernproteste“ am Werk.14

Auch in etablierten Printmedien wie der Wirtschaftswoche bedient man sich einer rabiaten Sprache, etwa bei der Aussage, dass bei „solchen ausufernden Formen des Protests (…) lei­der auch eine Art Sippenhaft“ vonnöten sei. „Die persönliche Bestrafung des Einzelnen reicht da nicht aus.“15 Inzwischen ist der anstößige Ausdruck „Sippenhaft“ entfernt. Joachim Müller-Jung von der FAZ wirft Bauern – nicht im übertragenen, sondern im wortwörtlichen Sinne – Brunnenvergiftung vor, wenn er schreibt: „Wer weiß, wohin der ‚eskalierende Widerstand‘ der Letzten Traktorfahrergeneration noch führen wird? Vielleicht fluten sie morgen schon die Ber­liner Trinkwasserbrunnen mit Gülle.“16

Von den deutschlandweit derzeit rund 256.000 bäuerlichen Betrieben haben ca. 155.000 einen Antrag auf Agrardiesel-Beihilfe gestellt, was sich auf etwa 440 Millionen Euro pro Jahr sum­miert. Jeder Betrieb erhielt damit bisher im Schnitt 2.780 Euro pro Jahr. Bei einem durch­schnittlichen Jahresgewinn 2020/21 für einen Bauern von gerade einmal 32.900 Euro würde also allein der Wegfall der Agrardieselrückvergütung den Verzicht eines ganzen Monatsge­halts bedeuten.17 Gleichzeitig kommen auf die Bauern weitere Mehrbelastungen durch die Er­höhung der CO2-Steuer zu. Der Dieselverbrauch eines Traktors bei schweren Zapfwellenar-beiten schwankt zwischen 21 und 27 Litern pro Stunde.18

Bauern, die auf ihren Äckern Glyphosat einsetzen, verbrauchen laut einem Bericht im Jahr durchschnittlich rund 30 Liter Diesel pro Hektar. Ihre Bio-Kollegen benötigen wegen einer in­tensiveren mechanischen Bearbeitung sogar 150 bis 200 Liter Diesel pro Hektar und Jahr.19 Der Vorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst befürchtet, dass die dabei entstehenden Kostensteigerungen nicht durchgereicht werden könnten: „Das wird den politisch ungewollten Agrarstrukturwandel noch beschleunigen.“20 Dabei stehen deutsche Bauern im direkten Wett­bewerb mit EU-Nachbarn in Frankreich, Belgien oder Luxemburg, die mit Heizöl fahren dürfen. Im europäischen Vergleich liegen die Agrardieselpreise in Deutschland bereits im oberen Drit­tel – und dies bereits ohne den Wegfall der Agrardieselrückvergütung.21

Zusätzlich zu dieser durch fehlerhafte und verfassungswidrige Haushaltsplanung verursachten Krise setzt die Globalisierung unsere Landwirte einem enormen Wettbewerbsdruck aus, der insbesondere kleineren und mittleren Familienbetrieben zu schaffen macht. Anstatt unseren Landwirten dabei zu helfen, auf dem globalen Markt zu bestehen, und Raum für technischen Fortschritt zu schaffen, unternimmt die etablierte Politik immer noch genau das Gegenteil und verstärkt das Höfesterben.22 In Deutschland und dem Rest der Europäischen Union ist die öffentliche Diskussion von der Forderung nach immer mehr ökologischen Leistungen in der Landwirtschaft dominiert. Dabei werden die bisherigen Gemeinwohlleistungen unserer Land­wirte geflissentlich vergessen.

Auch die als „Green Deal“ verklärte Reform der gemeinsamen Agrarpolitik unter EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) stellt eine Begünstigung von Öko­landbau und Großbetrieben dar, die konventionell wirtschaftende und kleine Betriebe benach­teiligt. Gleichzeitig legt die deutsche und nordrhein-westfälische Agrarpolitik unseren Landwir­ten nur Steine in den Weg, ohne eine Entschädigung für Einkommensausfälle zu zahlen. Die Agrarpolitik der vorherigen, CDU-geführten Landesregierung hat massiv dazu beigetragen, dass unsere Landwirte einem unfairen Anpassungsdruck ausgesetzt sind. Jeden Tag werden über 5,7 Hektar für Verkehr und Siedlungen in Anspruch genommen, und das zu Lasten wert­voller und ertragreicher Ackerflächen.23

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln wird weiter eingeschränkt, begleitet von einer Erhöhung der Bürokratielast. Seit dem 1. Mai 2020 muss jeder Düngemitteleinsatz in Nordrhein-Westfalen innerhalb von zwei Tagen dokumentiert werden, was von vielen Land­wirten als schikanös und kriminalisierend empfunden wird.24 Mit dieser Maßnahme wird den Landwirten unterstellt, regelmäßig zu viel Düngemittel einzusetzen. Behörden können Ver­stöße gegen die Düngebedarfsermittlung mit Geldstrafen in Höhe von bis zu 150.000 Euro ahnden und in Extremfällen ist sogar der komplette Entzug der EU-Zahlungen möglich.25

Unsere Landwirte kämpfen seit Jahrzehnten mit hohen Anpassungs- und Investitionsdruck. Angesichts der hohen Volatilität auf den Märkten und globaler Vielfachkrisen sind viele Land­wirte verunsichert und halten zusätzlich Investitionen zurück.26 Gleichzeitig steigen die Anfor­derungen an Lebensmittelqualität, Tierwohl und Umweltleistungen, während die Wertschät­zung für ihren Beruf seitens der Gesellschaft und Politik zu fehlen scheint. Unsere Landwirte zerbrechen an der extremen Gegensätzlichkeit: Sie sollen ihre landwirtschaftliche Erzeugnisse mit einer immer höheren Qualität zu einem immer niedrigeren Preis anbieten.

Die absehbaren Folgen des Verschwindens der deutschen Landwirtschaft sind besorgniser­regend: Importe aus Ländern mit geringeren Produktionsstandards, zunehmende Preisvolatilität für deutsche Verbraucher und das Verschwinden der durch die Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaft.

II. Der Landtag stellt fest,

  • dass die geplanten Kürzungen bei der Agrardieselrückerstattung und KfZ-Steuerbefreiung erhebliche wirtschaftliche Schäden für unsere heimische Landwirtschaft verursa­chen würden;
  • dass unsere heimische Landwirtschaft schon seit Langem unter Vielfachkrisen leidet;
  • dass die Politik seit Jahrzehnten versäumt hat, Planungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Wertschätzung für unsere heimische Landwirtschaft herzustellen.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. sich auf allen Ebenen für die vollständige Rücknahme der Kürzung einzusetzen;
  2. sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass insbesondere kleine bäuerliche Familien­betriebe eine gesicherte wirtschaftliche Zukunft haben;
  3. sich auf allen Ebenen für eine Renationalisierung der Agrarpolitik einzusetzen.

Zacharias Schalley
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz

und Fraktion

 

MMD18-7756

 

1 Vgl. https://www.agrarheute.com/politik/bund-streicht-agrardiesel-kfz-steuerbefreiung-oezdemirs-nie-derlage-614212, abgerufen am 9.1.2024.

2 Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/242840/umfrage/bruttowertschoepfung-der-landwirt-schaft-in-deutschland/, abgerufen am 9.1.2024.

3 Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36094/umfrage/landwirtschaft-anzahl-der-betriebe-in-deutschland/, abgerufen am 9.1.2024.

4 Zit. nach https://www.tagesschau.de/inland/bauern-protestieren-berlin-100.html, abgerufen am 9.1.2024.

5 Zit. nach https://www.wochenblatt-dlv.de/politik/kanzler-scholz-warnt-landwirte-illusionen-agrardiesel-faellt-575325, abgerufen am 9.1.2024.

7 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/oezdemir-politik-deutschland-bauern-proteste-100.html

8 https://www.youtube.com/watch?v=4KFTjIUz8OY

9 https://www.morgenpost.de/politik/article241358844/Mob-gegen-Habeck-Wie-radikal-werden-die-Bauern.html

10 Zit. nach https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/ard-propaganda-bauern-proteste/, abgeru­fen am 9.1.2024.

11 Zit. nach https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/haben-rechte-die-bauern-demos-gekapert-droht-gewalt/, abgerufen am 9.1.2024.

12 Zit. nach https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/ard-propaganda-bauern-proteste/, abgeru­fen am 9.1.2024.

13 Zit. nach https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/schluettsiel-habeck-reaktionen/, abgerufen am 9.1.2024.

14 Zit. nach ebd.

15 Zit. nach https://www.tichyseinblick.de/meinungen/die-bauern-erhalten-das-land/, abgerufen am 9.1.2024.

16 Vgl. https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/faz-protestierende-bauern/, abgerufen am 9.1.2024.

17 Vgl. https://www.praxis-agrar.de/betrieb/betriebsfuehrung/was-verdienen-landwirte-in-deutschland, abgerufen am 9.1.2024.

18 Vgl. https://www.agrarheute.com/technik/traktoren/traktor-vergleichstest-motor-check-teil-2-451306, abgerufen am 9.1.2024.

19 Vgl. https://www.bild.de/news/inland/news-inland/bauern-rechnen-vor-das-kosten-uns-die-ampel-plaene-86674898.bild.html, abgerufen am 9.1.2024.

20 Zit. nach https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/paukenschlag-ampel-will-aus-der-agrardiesel-rueckverguetung-aussteigen-13552371.html, abgerufen am 9.1.2024.

21 Vgl. https://landwirt-media.com/wie-viel-kostet-agrardiesel-in-den-eu-laendern/#:~:text=Der%20Ver-gleich%20zeigt%3A%20Die%20Agrardieselpreise,es%20aktuell%20in%20den%20Niederlanden, abe-rufen am 9.1.2024.

22 https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/heuchelei-hoefesterben-559691

23 https://www.land.nrw/pressemitteilung/flaechenverbrauch-nrw-2020-ruecklaeufig

24 https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/duengung/duengeverordnung/duev-2020.htm

25 https://www.agrarheute.com/pflanze/getreide/duengeverordnung-so-lang-liste-bussgeldern-versto-essen-577544

26 https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/landwirte-verdienen-besser-aber-investieren-kaum-noch-19368199.html