Wie ist die Entwicklung der „Großen Waffenscheine“ in Nordrhein-Westfalen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 825
der Abgeordneten Markus Wagner und Sven Tritschler vom 24.11.2022

Wie ist die Entwicklung der „Großen Waffenscheine“ in Nordrhein-Westfalen?

Eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag vom 7. September 2022, Drucksache 18/861, hat einen neuerlichen Rekord an ausgestellten Kleinen Waffen­scheinen offenbart. Seit Beginn des Jahres 2022 bis zum 31. August 2022 wurden 189.478 Kleine Waffenscheine in Nordrhein-Westfalen ausgestellt.1

Mit dem Kleinen Waffenschein ist der Besitzer berechtigt, bestimmte Waffen zur Ausübung tatsächlicher Gewalt, auch außerhalb seiner Wohnung, seines umfriedeten Besitzes oder seiner Geschäftsräume, bei sich zu tragen. Der Kleine Waffenschein berechtigt ausschließlich zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen, sogenannten „PTB-Waffen“. Die gesetzlichen Voraussetzungen, einen Großen Waffenschein zu beantragen und genehmigt zu bekommen, sind hoch. Das bloße Bedürfnis alleine reicht nicht aus, weswegen er auch nur sehr selten ausgestellt wird. Im Gegensatz zum Kleinen Waffenschein erlaubt der Große Waffenschein dem Besitzer, eine scharfe, unter das deutsche Waffengesetz (WaffG) fallende Waffe zu führen und diese auch außerhalb der eigenen Wohnung zu tragen. Allerdings berechtigt der Waffenschein nur zum Führen einer Waffe, nicht aber zum Besitz. Dafür ist die sogenannte Waffenbesitzkarte zusätzlich erforderlich. Außerdem wird der Große Waffenschein grundsätzlich für drei Jahre ausgestellt und muss nach Ablauf dieser Frist neu beantragt werden, was eine erneute Zuverlässigkeitsprüfung notwendig macht.2

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Große Waffenscheine gemäß § 10 WaffG wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2012 ausgestellt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  2. Wie vielen Personen in NRW wurde der Große Waffenschein seit 2012 verweigert und/ oder entzogen bzw. wie viele Personen haben ihn nicht verlängert? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  3. In wie vielen Fällen wurden Waffen, zu deren Mitführen der Große Waffenschein berechtigt, seit 2012 zur Selbstverteidigung eingesetzt? (Bitte nach Jahr und Vorfall aufschlüsseln.)
  4. In wie vielen Fällen wurden Waffen, zu deren Mitführen der Große Waffenschein berechtigt, seit 2012 bei Verbrechen jeglicher Art eingesetzt? (Bitte nach Jahr und Vorfall aufschlüsseln sowie in ein prozentuales Verhältnis zu allen Straftaten mit Schusswaffen setzen.)
  5. Wie viele Personen in Nordrhein-Westfalen sind Inhaber einer Waffenbesitzkarte?

Markus Wagner
Sven Tritschler

 

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1 Vgl. Antwort der Landesregierung, Drucksache 18/1305, S. 2.

2 Vgl. htt p s : / / w w w .alle-s c h u e t z e n v e r e i n e .de/grosser-w a f f e n s c h e i n /.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 825 mit Schreiben vom 3. Januar 2023 na­mens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie viele Große Waffenscheine gemäß § 10 WaffG wurden in Nordrhein-Westfalen seit 2012 ausgestellt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  2. Wie vielen Personen in NRW wurde der Große Waffenschein seit 2012 verweigert und/oder entzogen bzw. wie viele Personen haben ihn nicht verlängert? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

In der Kleinen Anfrage 825 wird der Begriff des „Großen Waffenscheins“ verwendet. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Erlaubnistyp „Großer Waffenschein“ nicht im Waffengesetz verankert ist. Es wird diesseits davon ausgegangen, dass es sich bei dem Erlaubnistyp, welcher Gegenstand der Kleinen Anfrage ist, um den sog. Waffenschein handelt.

Der Waffenschein gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) berechtigt zum Führen von erlaubnispflichtigen Schusswaffen, welche in eine Waffenbesitzkarte eingetragen sind.

Als Datenbasis für die Beantwortung dient das Nationale Waffenregister (NWR), in dem seit dem Jahre 2013 Informationen zu erlaubnispflichtigen Schusswaffen im privatem Besitz zent­ral erfasst werden. Die Kennzahlen des NWR sind bundeseinheitlich abgestimmt.

Die mit Frage 1 angefragten Informationen zur Anzahl der Ausstellungen werden in der Sta­tistik des NWR nicht erfasst. Eine händische Auswertung bei den 47 Kreispolizeibehörden ist mit vertretbarem Aufwand in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung ste­henden Zeit nicht leistbar. Die nachfolgende Tabelle enthält die in den vergangenen Jahren im NWR gespeicherte Anzahl an gültigen Waffenscheinen.

Die mit Frage 2 angefragten Informationen werden erst seit Januar 2021 zentral im NWR er­fasst. Eine händische Auswertung bei den 47 Kreispolizeibehörden ab dem Jahre 2012 ist mit vertretbarem Arbeitsaufwand in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht realisierbar.

Waffenschein  
  Waffen- scheine Antrags- ablehnung Widerrufe gemäß § 45 WaffG Erledigung auf andere Weise (z. B. nicht verlängert)
2013 5.779  
2014 5.077  
2015 5.191  
2016 5.093  
2017 4.460  
2018 4.432  
2019 4.372  
2020 4.378  
2021 5.100 9 16 1.576
2022 (Stichtag 31.10.2022) 4.753 9 18 1.921

 

Die zu den jeweiligen Jahren angegebenen Zahlen sind jeweils als Gesamtzahl aller ausge­stellten Waffenscheine zum 31.12. eines jeden Jahres zu verstehen. Eine Vielzahl dieser aus­gestellten Waffenscheine entfallen auf den Bereich der Bewachungsunternehmen.

  1. In wie vielen Fällen wurden Waffen, zu deren Mitführen der Große Waffenschein berechtigt, seit 2012 zur Selbstverteidigung eingesetzt? (Bitte nach Jahr und Vor­fall aufschlüsseln.)
  2. In wie vielen Fällen wurden Waffen, zu deren Mitführen der Große Waffenschein berechtigt, seit 2012 bei Verbrechen jeglicher Art eingesetzt? (Bitte nach Jahr und Vorfall aufschlüsseln sowie in ein prozentuales Verhältnis zu allen Straftaten mit Schusswaffen setzen.)

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Als Datenbasis für die Beantwortung der Frage dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) NRW. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung.

Die Erfassung eines Tatmittels wird in der PKS in Nordrhein-Westfalen seit dem 01.01.2019 bei allen Opferdelikten, die die Nutzung eines Tatmittels zulassen, durchgeführt. Mit Aus­nahme der Verstöße gegen das Waffen- oder Kriegswaffenkontrollgesetz ist das Tatmittel zur Begehung der strafbaren Handlung aktiv einzusetzen. Das berechtigte oder unberechtigte Be­sitzen oder Führen einer Waffe ist für diese Erfassung in der PKS NRW kein Kriterium.

Eine qualifizierende Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen wird in der PKS NRW ebenfalls nicht vorgenommen.

In den Jahren 2019 bis 2021 wurde in 1.875 Fällen ein Tatmittel der Gruppen „Pistole/Revol-ver“, „Gewehr“ oder „Luft- oder Federdruckwaffe“ erfasst. Die Fälle des Verstoßes gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz wurden aus den vorgenannten Gründen nicht berück­sichtigt. Eine händische Auswertung anhand der konkreten Straftaten ist mit vertretbarem Ar­beitsaufwand in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

Auch Angaben dazu, ob die Waffen zur Selbstverteidigung eingesetzt wurden, ergeben sich nicht aus der PKS NRW.

  1. Wie viele Personen in Nordrhein-Westfalen sind Inhaber einer Waffenbesitzkarte?

Mit Stand vom 31.10.2022 sind in Nordrhein-Westfalen 156.951 Personen Inhaber einer Waffenbesitzkarte. Als Datenbasis dient auch hier das NWR.

Neben den Inhabern von Waffenscheinen, die ja auch insbesondere von Bewachungsunter­nehmen beantragt werden, fällt eine große Anzahl dieser Gesamtsumme auf Jäger und Sport­schützen.

 

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